Am 5. Juni 2016 hat der Kanton Tessin über zwei Vorlagen zur Spitalplanung abgestimmt. Die BFS Tessin hatte eine breite Kampagne gegen die Ökonomisierung der Spitäler geführt, in der sie die Inititive „Giù le mani dagli ospedali“ [Hände weg von den Spitälern] lanciert und sich gegen das Referendum engagiert hatte. Die Initiative erreichte einen Stimmenanteil von knapp 49%, das Referendum wurde von der Bevölkerung abgelehnt. Die Bilanz ist insgesamt positiv. (Red.)
von BFS Tessin
Es bestehen keine Zweifel, dass das Resultat vom Sonntag ein überwiegend positives darstellt, in einem Kampf, den wir vor einiger Zeit lanciert haben, um das Gesundheitswesen in unserem Kanton zu verteidigen.
Das errungene NEIN zum Referendum gegen die Revision des Gesetzes über den Spitalverbund EOC und das sensationelle Resultat der Initiative „Giù le mani dagli ospedali“ (es wurden immerhin 49% JA-Stimmen erreicht) zeigen in aller Deutlichkeit, dass die Mehrheit der Tessiner Bevölkerung mit der vorgegebenen Ausrichtung von Regierung und Parlament in der Spitalplanung nicht einverstanden ist.
Es ist offensichtlich, dass die Debatte, die über die letzten Monate zu diesem Resultat geführt hat, sich um Begriffe drehte, die im Zentrum der Spitalplanung stehen. Die Diskussionen über die gemeinsamen Mandate mit Privaten, die Bildung von AG, die Schliessung verschiedener Stationen in den öffentlichen Spitälern, die Schwächung der sanitären Strukturen in Bellinzona und in den Tälern und die Zusammenlegung von Stationen sind alles Fragen, die sehr eng an die Spitalplanung geknüpft sind. Mit der Abstimmung vom 5. Juni hat die Bevölkerung zu diesen Themen klar und unmissverständlich Stellung bezogen.
Giù le mani dagli ospedali!
Die BFS hat sich in der Kampagne gegen diese Logik des Kapitals im Gesundheitswesen engagiert, ausgehend von den Reflexionen über die in den letzten Jahre avisierten Änderungen im Bereich des Krankenversicherungsgesetzes auf nationaler Ebene. Insbesondere gegen die Einführung der Pauschalbeträge für Spitalbehandlungen (die Diagnosebezogenen Fallgruppen – DRG) und die öffentliche Finanzierung von Privatkliniken. Es war für uns offensichtlich, dass diese Reformen (die klar in Richtung von Konkurrenz- und Marktlogik im Gesundheitswesen gehen), zusammen mit der Austeritätspolitik, die sich zunehmend in der Politik von Regierung und Parlament durchsetzt, zu einer Spitalplanung geführt hätten, die sich an Rationalisierung und Privatisierung der Spitalstrukturen orientiert.
Hier setze unsere Initiative an, die bereits Anfang 2013 konzipiert und lanciert wurde, als die Debatte über die zukünftige Spitalplanung noch in weiter Ferne war. Und mit der Initiative auch der Beginn einer aktiven Kampagne mit Versammlungen, Flugblättern, kleinen Mobilisationen (wir erinnern uns an die erste, Anfangs 2014, vor dem Spital Acquarossa), Petitionen, etc.
Dann kam die Mitteilung der Regierung, die unsere Hypothesen bestätigte: und sofort darauf unsere Entscheidung das Referendum zu ergreifen, um den Kampf mit neuem Elan und mit beiden Instrumenten zu führen, mit der Initiative und dem Referendum.
Erfolge unserer Kampagne
In diesem Sinne glauben wir, dass die wichtigsten Resultate, die in der Abstimmung zum Vorschein kamen in unserer Fähigkeit bestehen, Aktionsimpulse zu setzen und grosse Bevölkerungsteile bei Aktivitäten miteinzubeziehen. Diese wurden dadurch für die Interessen der Arbeiter*innen im Gesundheitssektor sensibilisiert, haben die die Verbindung zwischen den geplanten Reformen und ihren Arbeitsbedingungen erfasst und die öffentliche Gesundheit und die Notwendigkeit mit der Marktlogik zu brechen ins Zentrum des politischen Diskurses gestellt.
In dieser Kampagne mussten wir gegen eine politische Aufstellung kämpfen, in der alle grossen Parteien gegen uns gruppiert waren (mit Ausnahme der SP und der Grünen, die auf unserer Seite gestanden haben) und die eine intensive Kampagne geführt haben unter der Anleitung des Spitalverbundes (EOC).
Eine Niederlage für den Spitalverbund EOC
Die Empfehlung der Administration des EOC ging zugunsten der Revision des Gesetzes über den Spitalverbund (LEOC) und nutzte dabei Mittel und Wege, die sich stark vom Rest der JA-Kampagne unterschieden. Sie behaupteten auch mehrmals von sich, die von der Mehrheit der Tessiner Bevölkerung verkannte Inspiration (ja, sogar der Verfasser) dieses Gesetzesentwurfs gewesen zu sein. Natürlich zeigt das Abstimmungsergebnis auch ein grundsätzliches Misstrauen einer Mehrheit der Tessiner*innen gegenüber den Empfehlungen der Administration des EOC und ihrer führenden Organismen, die, mit einer einzigen löblichen Ausnahme (die wir an dieser Stelle gerne nennen werden: den Doktor Malacrida), die Revision der LEOC unterstützt haben. Diese politische Entscheidung wird auf jeden Fall Konsequenzen für die führenden Organismen des EOC haben.
Aus diesem Grund hat Matteo Pronzini noch am selben Abend die Regierung gebeten, „von den Mitgliedern des Administrationsrates des EOC ihren Rücktritt zu verlangen und dem Grossen Rat eine Wahlliste zur Neuwahl des Administrationsrates des EOC zu unterbreiten, zusammengesetzt aus Personen, die ein Verständnis besitzen für die im Zuge dieser Kampagne aufgetauchten Sensibilitäten“. Dasselbe gilt für die Direktion des EOC, die insbesondere mit ihrem Generaldirektor Pellanda eine JA-Kampagne geführt und dabei Instrumente und Ressourcen des EOC verwendet hat.
Die Ausrichtung von Pellanda, sei es bezüglich der Gesundheitspolitik oder bezüglich der Zukunftsperspektive des EOC, wurde durch die Abstimmung diffamiert. Er, sowie auch die Mitglieder des Administrationsrates des EOC müssen nun die Konsequenzen tragen.
Der Kampf muss dennoch weitergehen. Es ist notwendig, weiterhin den Druck der Bevölkerung spürbar zu machen und die Gelegenheiten zur Mobilisierung zu vermehren, um die dringendsten Forderungen zu unterstützen – begonnen bei der Beibehaltung der Spitäler von Acquarossa und Faido. Und in diese Richtung wird unser Kampf weitergehen.
Übersetzt von BFS Zürich