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Kommentar zur abgelehnten USR III

Jetzt ist es definitiv: Die Unternehmenssteuerreform III wurde mit 59.1 % verworfen. Nachdem im Vorfeld ein Kopf-an-Kopf-Rennen prognostiziert wurde, überrascht dieses Resultat ein Stück weit. Die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften jubeln ab der gewonnenen Abstimmung. Und selbstverständlich ist es ein Sieg, ein Sieg für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung und eine Niederlage für die Vermögenden und die Unternehmen. Gerade auch weil die Unternehmensverbände mit grossen finanziellen Aufwendungen versucht haben, die Vorlage doch noch durchzubringen.

von BFS Zürich

Die Befürworter*innen der Reform sind schlussendlich an einer Nein-Kampagne gescheitert, die auf den so genannten „Mittelstand“ abzielte. Also Menschen mit einem mittleren Einkommen, Menschen aus einer imaginierten „Mitte“ der Gesellschaft. Der Begriff wird immer wieder gerne benutzt, weil er scheinbar anschlussfähig ist. Menschen sehen sich gerne als Teil des Mittelstandes, auch wenn dieser schlussendlich mehr Projektion als Realität ist.
Dieser „Mittelstand“ soll jetzt also das neoliberale Projekt USR III gebodigt haben. Freudentaumel, historischer Sieg, könnte man denken. Doch das würde dem Resultat nicht entsprechen. Wie so viele Abstimmungen in den letzten Jahren war auch der Kampf um die USR III ein reiner Abwehrkampf. Keine progressiven Forderungen, keine Entlastung der Lohnabhängigen. Es ging nicht darum, dass Spitäler wieder mehr Geld erhalten sollen, sondern nur darum, dass denen am Ende nicht noch weniger zu Verfügung steht.
Die Steuerreform geht jetzt wieder zurück und wird neu verhandelt werden. Nicht allzu viel Hoffnung machen darf man sich wohl, dass sich am Kerngedanke der Reform tatsächlich etwas ändert. Und so ist es auch nicht unbezeichnend, dass mit Eveline Widmer Schlumpf eine bürgerliche und wirtschaftsliberale Politikerin mit einem Interview zur USR III für die grösste  Aufregung gesorgt hat. Nicht etwa, weil sie die Reform als im Kern ungerecht und gefährlich ablehnte. Nein, sie bezeichnete das Projekt als „Aus dem Gleichgewicht geraten.“ Man müsse dieses Gleichgewicht wiederherstellen, dann komme auch die Reform durch. Und genau dies wird nun passieren. Das Parlament wird die Vorlage an einigen Punkten etwas abschwächen und dann wieder in die Vernehmlassung schicken. Und so werden die negativen Folgen schlussendlich möglicherweise etwas abgeschwächt, bleiben aber negativ und werden gravierende Folgen haben. Sich darüber zu freuen wäre verfehlt. Denn auch das aktuelle Steuersystem ist alles andere als gut. Die Kantone halten die Geschwindigkeit im Steuerwettbewerb hoch und senken auch ohne USR III ihre Steuern und die Ausgaben, wie wir beispielsweise im Kanton Zürich, Luzern, Aargau oder Genf im letzten Jahr erleben konnten.
Der Kampf um die Ausgestaltung der Unternehmenssteuern geht nun also in die nächste Runde, wahrscheinlich beginnt der entscheidende Teil erst jetzt. Damit dieser Kampf für die politische Linke und damit für den überwiegenden Teil der lohnabhängigen Bevölkerung erfolgreich sein kann, gibt es einige Punkte zu beachten:

1. Den Fokus von den Steuern zum Service Public

Der Fokus der Nein-Kampagne auf den so genannten „Mittelstand“ wurde unter anderem damit begründet, dass überhaupt erst mittlere Einkommen signifikante Steuerbeträge zahlen würden und dass damit also überhaupt erst diese Bevölkerungsschicht eine Erhöhung der Steuern für Private zu spüren bekäme. Das mag ein Stück weit richtig sein, ist doch der progressive Steuersatz eine der wichtigsten Errungenschaften zur sozialen Umverteilung.
Gleichzeitig geht bei dieser Argumentationsweise ein wichtiges Element vergessen: Staatliche Leistungen, genauer der Service Public, sind grundsätzlich auch ein Bestandteil unseres Soziallohnes. Und dieser steht allen Menschen zu Verfügung, insbesondere auch Lohnabhängigen mit geringem Einkommen.* Steuerausfälle in Milliardenhöhe führen unweigerlich zu einem Abbau des Service Public und damit zu einem sinkenden Soziallohn für alle Lohnabhängigen. Anstatt nur von Steuern zu sprechen, müssen wir die Angriffe auf den Service Public ins Zentrum der Auseinandersetzung stellen und diesen mit allen Mitteln als soziale Errungenschaft früherer Kämpfe verteidigen.

2. Wegkommen vom Begriff des „Mittelstands“

Damit ist auch schon angedeutet, was vom Begriff des „Mittelstands“ als Kampfbegriff zu halten ist: Sehr wenig. Anstatt die Solidarität und die verbindenden Elemente zwischen allen Lohnabhängigen zu stärken, bringt man hier begrifflich Menschen mit geringem und solche mit mittlerem Einkommen gegeneinander auf. Was scheinbar dem „Mittelstand“ weggenommen wird, käme dann den wirtschaftlich Schwächeren zugute. Dabei ist es wichtig aufzuzeigen, dass die Grenze eben nicht zwischen den Einkommensklassen oder den Steuereinstufungen verläuft, sondern zwischen denjenigen Menschen, welche von ihrem Lohn abhängig sind und die auf einen funktionierenden Service Public, also Spitäler, Verkehrsmittel, Schulen und so weiter angewiesen sind und denjenigen Menschen, welche den überwiegenden Teil des Vermögens in der Schweiz besitzen.

3. Kritik an Unternehmensstrukturen und globalen Konstrukten üben

Dieser sehr kleine, sehr reiche Teil der Bevölkerung profitiert enorm von Steuererleichterungen wie der USR III. Dabei drohen sie immer wieder damit, ihre Unternehmen und ihr Kapital abzuziehen, oder zu verlagern, sollten ihre Forderungen nach Steuererleichterungen und einem „fruchtbaren“ Boden für Investitionen nicht erfüllt werden. Der globalisierte Kapitalismus scheint sich an nationalstaatliche Regelungen nicht mehr halten zu müssen. Anstatt dieser Entwicklung ohnmächtig gegenüberzustehen, müssen wir wieder damit beginnen, diese Strukturen zu kritisieren. Wir müssen aufzeigen, dass eine Briefkastenfirma im Kanton Zug grundsätzlich eine Schweinerei ist, nicht nur dann, wenn sie keine Steuern zahlt. Wir müssen aufzeigen, dass wir einer globalisierten Wirtschaft unsere internationale Solidarität und Zusammenarbeit entgegensetzen können.

4. Eine grundsätzliche Debatte über gesellschaftlichen Reichtum starten

Damit wiederum gelangen wir an einen Punkt, wo wir in der gesellschaftlichen Debatte darüber hinausgehen müssen, wer wie viel Steuern bezahlt. Wir müssen wieder darauf verweisen, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung den Reichtum produziert, von dem schlussendlich ein sehr kleiner anderer Teil profitiert – der dann unter Umständen auch noch damit droht, wegzuziehen. Erst so können wir analytisch fassen, dass eine Steuer für ein Unternehmen nicht einfach ein Wettbewerbshindernis ist, sondern dass damit zumindest ein kleiner Teil des gesellschaftlich produzierten Reichtums wieder zurückfliesst, dass diese Umverteilung eigentlich eine Rückverteilung ist. Dem Vorschlag, dass dieser Teil noch kleiner wird, lässt sich dann eine simple Losung entgegensetzen: Das Geld dort holen wo es ist!
*  Dass dies in der Praxis viel zu oft nicht der Fall ist, ist uns bewusst und muss politisch bekämpft werden. Gerade Menschen mit ungeregelten Aufenthaltsstati können nur beschränkt von öffentlichen Dienstleistungen profitieren, oder leben dabei in ständiger Angst vor Repression.

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