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Die Fachhochschulen und ihre Wirtschaftspartner: Unabhängige Bildung sieht anders aus!

Fachhochschulen geben sich, in Abgrenzung zu Universitäten, als praxisnahe Ausbildungsstätten. Für viele Studierende bedeutet dies, dass sie als günstige Arbeitskraft in Partnerorganisationen der Hochschulen eingesetzt werden. Andere führen im Rahmen des Studiums beinahe kostenlos Forschungsarbeiten für profitorientierte Unternehmen durch.

von BFS Zürich

Die angebliche Gefährdung des Praxisbezugs

Die Bürgerlichen sprechen seit Jahren von der «Verakademisierung der Berufsbildung». Gemeint sind damit die steigenden Studierendenzahlen an Schweizer Fachhochschulen. Die Bürgerlichen fürchten sich davor, dass immer mehr Leute aus klassisch nicht-akademischem Umfeld einen Hochschulabschluss haben. FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen findet es beispielsweise völlig unverständlich, dass Hebammen einen akademischen Titel brauchen. Insbesondere stört sich die FDP daran, dass Fachhochschulen angeblich immer mehr zu sogenannten «Uni light» werden, sich also an Universitäten ausrichten und so der Praxisbezug verloren gehe. Der Solothurner FDP-Bildungsdirektor Remo Ankli meint: «Wir brauchen Fachhochschulen, die praxisbezogen arbeiten und nahe bei der Wirtschaft sind. Diese Stärke hat sie, und diese Stärke soll sie auch wahren».

Dass dieser wirtschaftsorientierte Praxisbezug gefährdet sei, ist allerdings eine ziemlich gewagte Behauptung. Das Gegenteil ist der Fall. Die voranschreitende Ökonomisierung der Bildung, beispielsweise an Schweizer Universitäten, ist bedauerlicherweise seit Jahren festzustellen. Und bei den Fachhochschulen gehen diese Prozesse noch viel tiefer. Schon seit dem Aufkommen der ersten Fachhochschulen, mit dem Inkrafttreten des Fachhochschulgesetzes 1995, wird die Nähe zur Wirtschaft betont. In einem Bilanzpapier der Eidgenössischen Fachhochschulkommission von 2002 wird sie als erste Stärke der FHs genannt: «Die Wirtschaftsnähe der Schweizer Fachhochschulen bildet das grosse Zukunftspotenzial und die einmalige Chance, sich gegenüber den ausländischen Schulen zu profilieren». Doch was bedeutet diese Wirtschafts- und Praxisnähe in der Realität? Dafür lohnt sich ein Blick auf die konkreten Studiengänge und die Beziehungen der Fachhochschulen zu ihren so genannten Praxis- oder Wirtschaftspartnern. 

Studierende als günstige Arbeitskräfte

Als zentraler Bestandteil vieler FH-Studiengänge müssen die Studierenden Praktika leisten. Gerade in sozialen und gesundheitlichen Studiengängen ist dies Pflicht. Im Bachelorstudiengang für Angewandte Psychologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW müssen beispielsweise 26 von 180 Creditpunkten in Praxisorganisationen geleistet werden. Im Studiengang Physiotherapie sind es 45, im Studiengang Soziale Arbeit sind es 50 und im Studiengang Pflege sogar 60 Creditpunkte. Bei einem Stundenaufwand von 30 Stunden pro Creditpunkt sind das also bis zu 1’800 Arbeitsstunden, welche Studierende als Teil ihres Studiums in einem Betrieb als Praktikant*innen absolvieren müssen. Zwar ist ein Einblick in die Praxis während dem Studium sicher hilf- und lehrreich für den späteren Berufseinstieg und die Studierenden befinden sich offiziell auch in einem sogenanntem Ausbildungsverhältnis. Gerade in der Sozialen Arbeit oder der Pflege werden FH-Praktikant*innen aber oft als vollständige und für den Betrieb unverzichtbare Arbeitskraft mit einem 60%- bis 100%-Pensum eingesetzt. Und dies zu einem Praktikumslohn, welcher zum Leben kaum ausreicht und jeden branchenüblichen Mindestlohn massiv unterschreitet. Zu berücksichtigen hierbei ist, dass im Vergleich zu Universitäten ein grösserer Anteil der Studierenden an Fachhochschulen aus Familien mit tiefem sozioökonomischen Status stammen und diesbezüglich auf weniger finanzielle Unterstützung vom Elternhaus zählen können.1Auch ist die Zahl der mit dem Studium in Verbindung stehenden Verschuldungen bei FH-Studierenden erheblich höher.2

Bachelor- und Masterarbeiten im Auftrag von gewinnorientierten Unternehmen

Während es sich bei den Praxispartnern der sozialen/gesundheitlichen Studiengängen zu einem grossen Teil um Non-Profit-Organisationen handelt, ist der Bezug zu profitorientierten Unternehmen – von den FHs oft als „Wirtschaftspartner“ bezeichnet – in den technischen, wirtschaftlichen und naturwissenschaftlichen Studiengängen noch viel expliziter. Das Departement „School of Engineering“ der ZHAW wirbt auf ihrer Website für Zusammenarbeit mit potentiellen Wirtschaftspartnern. Neben Förderprojekten, welche von wissenschaftlichen Assistenten durchgeführt und von Innosuisse oder dem Schweizerischen Nationalfonds mitfinanziert werden, besteht für Unternehmen die Möglichkeit Forschungs- und Entwicklungsaufträge in Form von Bachelor- oder Masterarbeiten günstig von Studierenden durchführen zu lassen. Bezahlt werden müssen lediglich „Administrationskosten“ von CHF 2‘000.- für 720 Arbeitsstunden an einer Bachelorarbeit bzw. CHF 3‘000.- für 810 Stunden an einer Masterarbeit. Zu diesem Preis darf das Ergebnis der Arbeit vom Unternehmen gewinnbringend eingesetzt werden.3

Ähnliche Bedingungen finden sich auch in vielen anderen Studiengängen. Im Departement „Management and Law“ kosten Bachelorarbeiten sogar nur CHF 750.- und Masterarbeiten CHF 2‘000.-. 4

Für die Studierenden bedeutet dies, dass, wenn sie anfangen eine Diplomarbeit zu schreiben, sie eine Auswahl an möglichen Praxisprojekten verschiedener Wirtschaftspartner erhalten, auf welche sie sich anschliessend bewerben können.

Die ZHAW ist nicht die einzige Fachhochschule, welche den grössten Teil ihrer Abschlussarbeiten auf diese Weise durchführen lässt. Ähnliche Regelungen sind auch bei der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, der Berner Fachhochschule oder der HTW Chur zu finden.

Praxisnähe als Vorwand für profitorientierte Instrumentalisierung

Tatsache ist, dass Fachhochschulen sehr eng mit gewinnorientierten Unternehmen zusammenarbeiten. Positiv betont wird immer die Praxisnähe der Ausbildung und die damit verbundene Abgrenzung zu den theoretisch-akademischen Studiengängen an den Universitäten. Die Fachhochschulen können sich dadurch politisch legitimieren und erhalten finanzielle Unterstützung. Weiter profitieren Unternehmen durch günstige, teilweise fast kostenlose Arbeitskräfte und Forschungs-/ Entwicklungsleistungen auf Kosten der Studierenden.

Freie und unabhängige Bildung und Forschung sehen anders aus! Es darf bei der (Hochschul-)Bildung nicht darum gehen, möglichst viel Gewinn und günstige Jobs zu kreieren. Hochschulen sind nicht für Konzerninteressen da! Und Studierende dürfen nicht als kostenlose Arbeitskräfte missbraucht werden!

 
Dieser Text schien zuerst in der Hochschulzeitung der BFS Zürich imÜbrigen.

Quellen:

1http://forscenter.ch/wp-content/uploads/2014/05/Bericht_Soziale_Herkunft_der_Studierenden.pdf

2https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bildung-wissenschaft/personen-ausbildung/soziale-wirtschaftliche-lage-studierenden.html

3https://www.zhaw.ch/storage/engineering/forschung/Zusammenarbeit-Studierende.pdf

4https://www.zhaw.ch/storage/sml/bachelor/bsc-msc-sammlung-2017.pdf

 
 

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