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Tessin: Im Kampf gegen das Coronavirus ist eine Wende nötig – Gesundheit vor Profit!

Der Kanton Tessin ist hierzulande bisher am stärksten von der Epidemie betroffen. Die Kantonsregierung hat am Mittwoch, 11. März 2020 zwar den Notstand ausgerufen, sie reagiert aber weiterhin zöglich. Um jeden Preis will die Regierung eine Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Lebens – sprich ein Ausbleiben der Profite der Unternehmen – verhindern. Deshalb bleiben die Massnahmen ungenügend. Nachfolgend veröffentlichen wir eine Stellungnahme der Tessiner Sektion der Bewegung für den Sozialismus (BFS/MPS), welche auf die akute Bedrohungslage reagiert und die bisher ergriffenen Massnahmen kritisiert. (Red.)

von MPS Tessin; aus mps-ti.ch

Die Bewegung für den Sozialismus (BFS/MPS) ist auch nach den gestrigen Mitteilungen [Ausrufung des Notstandes am 11. März 2020; Anm. d. Red.] der Ansicht, dass die Strategie der Regierung im Kampf gegen das Coronavirus sofort und radikal geändert werden muss. Es braucht eine Umstellung von einer im Wesentlichen reaktiven Haltung hin zu einer Logik der Verhinderung der Ausbreitung der Ansteckung. Mit anderen Worten: Die Regierung muss die Logik aufgeben, die dazu führt, dass Maßnahmen in einem bestimmten Gebiet erst dann beschlossen werden, wenn Anzeichen für die Verbreitung des Virus erkennbar sind. Von Bedeutung war zum Beispiel die Verzögerung bei der Einführung eines Besuchsverbots für Altersheime, die von Anfang an damit begründet wurde, dass diese Orte eine gefährdete Bevölkerungsgruppe beherbergen. Das Besuchsverbot hätte von Anfang an und nicht erst nach dem Auftreten bestimmter Fälle (in Chiasso) eingeführt werden sollen.

Im gleichen Sinne sollten die Fragen in Bezug auf die wirtschaftliche Produktion und die Schulaktivitäten diskutiert werden.

Gesundheit vor Profit

Was die produktiven Tätigkeiten betrifft, so müssen sie in dem Maße eingestellt werden, wie sie sozial nicht notwendig sind, wobei darauf zu achten ist, das Einkommen der Beschäftigten und ihrer Familien zu sichern.

In diesem Sinne sollte die Regierung anordnen, dass produktive und dienstleistende Tätigkeiten, die gesellschaftlich nicht notwendig und dringend sind, eingestellt werden sollten. Dies würde nicht nur den Kontakt zwischen Menschen, die zur Arbeit gehen und sich dort treffen, sinnvoll begrenzen, sondern auch das Problem der Personenfreizügigkeit von Grenzgänger*innen fast vollständig lösen.

Die derzeitige Lösung scheint nicht nur für die Mehrheit der Bevölkerung unverständlich zu sein und auf Ablehnung zu stossen, sie schafft auch eine Reihe von Problemen (wie Strassensperrungen und Umweltverschmutzung usw.), die eine ohnehin schwierige Situation noch weiter verschlimmern.

Um das Einkommen der Lohnabhängigen zu garantieren und die Unternehmen nicht zu überlasten, gibt es bereits einige Rechts- und Versicherungsinstrumente, auf die in diesen Tagen oft Bezug genommen wurde: Man denke zum Beispiel an den Einsatz der Kurzarbeit, die die Unternehmen für 80% der verlorenen Arbeitstunden entschädigt (und die diese Entschädigung an die Arbeiter*innen zahlt). Die Anwendung dieser Maßnahme sollte generell erfolgen und nur einer Benachrichtigung und nicht der Genehmigung bis zum Ende des Notfalls unterliegen.

Diese Maßnahme sollte von anderen begleitet werden, um insbesondere die Lohneinbussen der Lohnabhängigen auszugleichen.

Um den Einsatz der Kurzarbeit zu finanzieren und generell den Ausgleich der Lohnausfälle (sowie weitere Kompensationsmassnahmen für Handwerker*innen, Kleinbetriebe usw.) zu gewährleisten, muss die Regierung einen Fonds zur Bekämpfung des Coronavirus einrichten (wie bereits vorgeschlagen, könnten die dem Kanton Tessin von der Schweizerischen Nationalbank zustehenden Überschussgewinne symbolisch für diesen Kampf verwendet werden). Natürlich muss die Forderung nach der Finanzierung dieser Maßnahmen mit Nachdruck an den Bund gerichtet werden: Die Milliarden Betriebsgewinne des letzten Jahrzehnts lassen eine Ablehnung schon aus Gründen der Vernunft nicht zu!

Schliessung der Schulen

Ein zweiter sensibler Punkt ist heute die Schule. Die BFS/MPS hat von Anfang an die Idee einer totalen Schließung von Schulen unterstützt und bekräftigt sie. Auch haben sich kompetente und wichtige Akteur*innen (u.a. Spezialist*innen für Infektionskrankheiten und Ärzt*innen) in dieser Richtung geäußert [mittlerweile hat zumindest Lugano seine Schulen geschlossen; Anm. d. Red.].

In dieser Frage hört man oft das Argument, eine Schliessung der Schulen sei aus gesundheitlichen und sozialen Gründen abzulehnen, um daduch nicht den intergenerationellen Kontakt zu erhöhen, dass Pensionierte die Betreuungslücke schliessen müssten. Als BFS/MPS sind wir uns dieser Befürchtungen bewusst.

Auf dieses richtige Anliegen sollte jedoch nicht mit der Ablehnung der Schließung von Schulen reagiert werden, sondern mit einer überlegten Antwort, die die Probleme berücksichtigt.

In diesem Sinne könnten sinnvollere Lösungen vorgeschlagen werden:

– Alle Kinder, die zu Hause nicht von ihren Eltern oder von Personen, die nicht zu Risikogruppen gehören, betreut werden können, sollen in den Schulen aufgenommen werden.

– Die Bereitstellung von Personal in Schulen oder anderen Einrichtungen, das – unter Einhaltung der notwendigen Hygiene- und Gesundheitsnormen – den Empfang und die Leitung der Tagesstrukturen gewährleisten kann.

– Die Kontinuität des Unterrichts ist in angepasster Form zu gewährleisten (elektronischer oder brieflicher Versand der Hausaufgaben usw.).

Dies sind bloss einfache Orientierungen, die weiter untersucht werden können. Sie umreissen jedoch die Möglichkeit, den normalen Ablauf der schulischen Aktivitäten auf allen Ebenen zu unterbrechen und gleichzeitig die gesundheitlichen Maßnahmen zu ergreifen, die grundlegend sind, um die Ausbreitung des Virus auf Risikogruppen einzudämmen. Auf die Gründe für die Notwendigkeit solcher Massnahmen hat auch der Bildungsdirektor Manuelle Bertoli wiederholt hingewiesen.

Bellinzona, 12. März 2020

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