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Von Blau zu Schwarz: Die Aufrüstung der Polizei

Wer die zunehmende Militarisierung, Aufrüstung und den repressiven Charakter der Polizei in den Blick nehmen möchte, muss gar nicht im Detail Einsatzpläne und Taktiken studieren. Es reicht einen Blick auf das Auftreten und die Uniformen der Polizei zu werfen. Diese haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Und zwar nur in eine Richtung.

von Matthias Kern (BFS Zürich)

Die Polizei war früher einmal mal blau

Die Polizei ist blau und die Feuerwehr rot, das weiss doch jedes Kind. Allerdings entspricht diese über Jahrzehnte vermittelte Vorstellung schon seit einigen Jahren kaum mehr der Realität in der Schweiz. Dass die Feuerwehr mittlerweile in Neon-Gelb durch die Strassen kurvt und ebensolche Schutzanzüge trägt, hat gute Gründe: Die Sichtbarkeit ist besser, das Gelbe fällt mehr auf und lässt sich gerade in unübersichtlichen Situationen besser erkennen.

Auch die Polizei hat ihren Auftritt in den letzten 30 Jahren stark angepasst. Bei ihr hat ein leuchtendes Orange bei Polizeiautos und gewissen Uniformen übernommen. Auch das wird mit der besseren Sichtbarkeit begründet. Interessant aber ist: Die Strassen-Uniformen der meisten Polizist:innen wurde in derselben Zeitspanne immer dunkler. Während die Uniformen der Kantonspolizeien (Abb. 1) zwar auch deutlich dunkler wurden, gleichzeitig aber weiterhin auf erkennbare Blautöne setzen, sind die meisten Stadtpolizeien bereits einen Schritt weiter, wie hier auf dem Bild der Stapo Zürich (Abb. 2) gut zu erkennen ist. Die Farbe erinnert kaum mehr an Blau, es ist mittlerweile irgendetwas in Richtung Anthrazit geworden. Wieso das so ist, wird nicht kommuniziert. Aber der Verdacht liegt nahe: Es geht um Einschüchterung und martialisches Auftreten.

Abbildung 1: Uniform der Kapo Zürich, seit 2019. Quelle: Kapo Zürich auf Twitter
Abbildung 2: Aktuelle Uniform der Stapo Zürich. Quelle: Stapo Zürich auf Twitter

Auch in Deutschland lässt sich dieser Trend hin zum düsteren Auftreten beobachten. Waren dort bis weit in die 2000er hinein ein Grossteil der Polizist:innen noch grün gekleidet, ist es heute ebenfalls blau. An Demonstrationen tritt die deutsche Polizei mittlerweile grösstenteils in Farben auf, die praktisch nicht mehr von Schwarz zu unterscheiden sind. Es ist aber offiziell nicht schwarz, denn aufgrund des historischen Hintergrundes der schwarz gekleideten SS ist es der deutschen Polizei nicht möglich, schwarze Uniformen zu tragen. Die gewählte Lösung: Eine Uniform, die nicht schwarz, aber halt ganz ganz ganz dunkelblau (oder ganz ganz dunkelgrün) ist (Abb. 3 und 4). Na, erkannt?

Abbildung 3: Deutsche BFE-Einheiten im charakteristischen nicht-schwarzen Blau.
Abbildung 4: Dasselbe in „grün“. Quelle: Deutsche Polizei

Eine kurze visuelle Geschichte des „unfriedlichen Ordnungsdienstes“

Wenn Polizist:innen bei Demonstrationen, Fussballspielen und ähnlichen Anlässen zum Einsatz kommen, tragen sie etwas, was umgangssprachlich als „Vollmontur“ bezeichnet wird. Sie befinden sich dann in eigener Definition im „unfriedlichen Ordnungsdienst“. Es lohnt sich, einen Blick auf die Entwicklung dieses Ordnungsdienstes und insbesondere auf die dabei verwendete Ausrüstung zu werfen.

Der von der Polizei oft verbreiteten Geschichte, dass die Gesellschaft immer „gewalttätiger“ werde und sich die Polizist:innen immer grösseren Gefahren aussetzen würden, muss dann zwangsläufig eine etwas andere Erzählung gegenübergestellt werden: Noch nie waren Polizist:innen so gut geschützt, noch nie konnten sie auf ein dermassen umfangreiches Waffenarsenal zurückgreifen und noch nie traten sie repressiver auf, als heute. Das soll nicht heissen, dass die Polizei nicht schon früher gewalttätig, diskriminierend und übergriffig war. Das liegt im Wesen der Polizei. Aber ihre Mittel waren beschränkter. Folgender Filmausschnitt zeigt die Polizei bei den berühmt gewordenen „Globuskrawallen“ in Zürich im Jahr 1968. Keine Helme, keine Panzerung, dafür Knüppel und Wasserschläuche kamen beim gewaltsamen Vorgehen gegen die Demonstrant:innen zum Einsatz. Dieses Material reichte dennoch aus, um Demonstrant:innen in Gewahrsam zu misshandeln, wie im zweiten Teil des Filmbeitrags ausgeführt wird.

Abbildung 5: Die Polizei im Einsatz gegen Demonstrierende 1968, Quelle: Youtube

Eine gute Dekade später kam es in Zürich zu den nächsten Jugendunruhen. Die 80er-Bewegung forderte ein Autonomes Jugendzentrum, bekam eines und verlor es sogleich wieder. Auch diese Zeit war geprägt von Auseinandersetzungen zwischen Demonstrant:innen und der Polizei, welche extrem repressiv gegen die Jugendlichen vorging. Mittlerweile hatte sie aufgerüstet: Helme, ein Overall in himmelblau und „Strohschilder“ waren hinzugekommen.

Abbildung 6: Polizisten im „unfriedlichen Ordnungsdienst“, ca. 1980, Bild: Miklos Rozsa. Quelle: tsri.ch

Von hier ist die Entwicklung fast linear: Zuerst wurden die Helme ersetzt (Abb. 7), dann kamen Panzerungen unter den Overall (Abb. 8/9), danach waren die Schilder an der Reihe (Abb. 8/9), irgendwann wurde der Overall dunkler (Abb. 10) und zuletzt wurden die weissen Helme durch ebenfalls fast-schwarze Helme ersetzt (Abb. 11).

Abbildung 7: Polizisten am 1. Mai 1996 in Zürich, weiterhin mit Schildern aus Natur-Materialien. Quelle: srf.ch
Abbildung 8: 1. Mai 2009, die Körperpanzerung der Polizisten hat merklich zugenommen. Quelle: fotocommunity.de
Abbildung 9: Zürcher Stapo am 1. Mai 2013, Quelle: tagesanzeiger.ch
Abbildung 10: 1. Mai 2014: Die Stapo Zürich zeigt sich ein erstes Mal in ihren neuen, dunklen Uniformen des „unfriedlichen Ordnungsdienstes“, Quelle: aargauerzeitung.ch
Abbildung 11: 6. März 2021. Neuerdings sind auch die Helme schwarz, der „Look“ ist komplett
Abbildung 12: Sehen mittlerweile mehr aus wie Star-Wars-Figuren, die Stapo Zürich, 2021.

Und nun stehen wir also mittlerweile Polizist:innen gegenüber, die einem Science-Fiction-Film entsprungen sein könnten. An ihren Einsatzwesten hängen unzählige spezialisiert aussehende Tools, die Beine und Arme sind mit Schutzschienen versehen und die Handschuhe haben Verstärkungen, damit die Schläge und Griffe auch ja weh tun. Kabelbinder baumeln als Drohung von den Gurten. Die getragenen Waffen sind in denselben dunklen Farben gehalten wie die Uniform, so dass sie sich kaum von den restlichen Ausrüstungsgegenständen abheben.

Über die eingesetzten Waffen liesse sich ein eigener Text schreiben. Klar ist: Auch hier wurde kräftig aufgerüstet. Die Schilder aus Holz wichen solchen aus Kunststoffen, Pfeffersprays wurden grösser und aggressiver, die alten Gummischrotgewehre weichen nach und nach brutalen Schnelllade-Werfern. Dazu kommen Fahrzeuge und Wasserwerfer, die ebenfalls hochgerüstet wurden und heute teilweise Kriegsmaschinen gleichen.

Und fertig ist diese Entwicklung offensichtlich noch lange nicht. In Basel lassen sich bereits die neusten Entwicklungen erkennen. Hier wurden die klassischen runden Schilder durch grössere, eckige ersetzt (Abb. 13). Diese werden – das wissen wir beispielsweise aus schlechten Filmen über das antike Rom – ganz gerne nicht nur zur Verteidigung, sondern auch zum Angriff eingesetzt.

Die Basler Polizei beschützt den PNOS-Aufmarsch im November 2018, Quelle: bzbasel.ch

Wenn man heute an Demonstrationen teilnimmt, fühlt man sich manchmal einer Roboter-Armee gegenüberstehend. Es stimmt nicht, dass Angriffe auf Polizist:innen heute öfters vorkommen oder brutaler wären, das Gegenteil ist der Fall: Die Polizei ist brutaler geworden, und sei es nur, weil sie die Durchschlagskraft ihrer neuen Spielzeuge nicht mehr unter Kontrolle hat. Wer schon mal so einen vollausgerüsteten Robo-Cop auf dem Rücken knien hatte, weiss wie hilflos und brutal sich das anfühlt.

Eine weitere bedenkliche Entwicklung ist, dass vermehrt auch in Antiterror-Einsätzen geschulte Einheiten wie die Zürcher „Skorpion“ gegen Demonstrierende zum Einsatz kommen. Auch das ist Ausdruck der zunehmenden Militarisierung der Polizei, wie wir sie überall in Europa fast gleichzeitig beobachten können. In Zeiten, in denen die historisch grösste Preppertruppe der Welt (die Schweizer Armee) nur noch verhältnissmässig wenig Rückhalt geniesst, rüsten die Schützer:innen der herrschenden Ordnung systematisch die Polizeieinheiten zu innenpolitischen Interventionstruppen auf. Und diese treten uns mittlerweile in fast-schwarz gekleidet und mit modernsten Waffen entgegen.

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4 Kommentare

  1. Pingback:Medienspiegel 10. März 2021

  2. Steven Müller

    Typisch subjektiv wünschendes Wunschdenken.

    Schaut doch alleine die Kriminalstatistiken an bezüglich Gewalt und Drohung gegen Beamte. Aber natürlich wollen Polizisten, Menschen mit Familien zu Hause, lieber „Spielzeuge“ ausprobieren.
    Es ist ein Beruf und wenn von Demonstranten Sachbeschädigungen (Sache für die Menschen hat gearbeitet und bezahlt haben) von enormer Höhe angerichtet werden, muss natürlich für die Bevölkerung eingestanden werden.

    Kann ich jedem mal ans Herz legen, Zahlen anzuschauen.

    Mal schauen ob dieser Kommentar veröffentlicht wird.;) Aber das sozialistische Denken sollte doch jedem eine Stimme geben?;)

  3. Frank Garland

    Wenn ich einen dieser Neo-NS Kampftypen sehe, laufe ich zu ihm hin und Frage: „Schämst Du Dich, so rumzulaufen, wie ein SS Teufel.“ Sie stehen in Kampfuniformen rum und tun so, als würde das jeder tolerieren. Aber jeder sieht, wir, das Volk, sind der Feind. Und keiner traut sich zu Ihnen hinzugehen und diese provokanten Typen anzusprechen. Das darf nicht so weitergehen. Die Polizisten müssen wissen, dass sie mit diesen martialisch ekligen Uniformen das Volk demütigen und beängstigend. Ich wünsche mir mehr Mut unter der Bevölkerung in ruhigem Ton Widerstand zu leisten.

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