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Mit Leitzinserhöhung gegen die Inflation?

Die Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank (SNB), den Leitzins zu erhöhen, hat genügt, um in den Kommentaren der Wirtschaftsexpert:innen die Prognose aufzustellen, dass damit die Inflation gesenkt werden könne. Doch wie können die Einkommen angepasst werden?

von José Sanchez ; aus SolidaritéS

«DIE SNB RECHNET NUN FÜR 2022 MIT EINER INFLATION VON 2,8 % (BISHER 2,1 %). DER PREISANSTIEG SOLL DANACH 2023 AUF 1,9 % (BISHER 0,9 %) UND 2024 AUF 1,6 % (BISHER 0,9 %) STEIGEN.“ Ohne die heute beschlossene Zinserhöhung wäre die Inflationsprognose deutlich höher ‚, sagt die Institution.»

(Le Courrier, 17.6.2022)

Durch welche Mechanismen dieses Ergebnis erreicht würde bleibt ein Geheimnis der Finanzenexpert:innen. Sicher ist hingegen, dass mit dieser Ankündigung die durch die Preissteigerungen ausgelösten Ängste beruhigt werden sollen. Man will zeigen: Die Situation ist unter Kontrolle.

Im Moment wird die für 2022 angekündigte Inflation vor allem die Reallöhne einer Mehrheit der Bevölkerung senken, insbesondere des am wenigsten wohlhabenden Teils, für den die Monatsenden keine rosigen Horizonte darstellen.

Die Steuern senken…

Die SVP nutzte sofort die Gelegenheit, um den eidgenössischen Räten Massnahmen vorzuschlagen: Erhöhung des Abzugs der Pendlerpauschale und eine Senkung der Mineralölsteuer (Benzin, Diesel und andere Brennstoffe) um mindestens 50 %. Diese Steuer entspricht heute fast 77 Rappen für bleifreies Benzin und fast 80 Rappen für Diesel.

Indem sie sich auf Steuern und Steuerabzüge konzentriert, lässt die SVP den Ölkonzernen und Handelsgesellschaften freie Hand, um zu spekulieren und die Preise zu erhöhen. Sich auf den Krieg in der Ukraine und Veränderungen in den Lieferketten zu berufen, ermöglicht ihnen vor allem Rekordgewinne.

Diese populistische Politik greift die Steuern an – mit der Folge, dass die öffentlichen Budgets geschmälert werden. Mehr private Gewinne, weniger Staat, um es mal trocken zusammenzufassen. Auf die dadurch geschaffenen öffentlichen Defizite wird sich dann wiederum später berufen, um die Leistungen noch mehr zu kürzen.

Die FDP und die Mitte haben diese Vorschläge bislang nicht unterstützt, da der soziale Frieden durch die aktuelle Inflation nicht gefährdet scheint. Die Wut ist noch nicht sichtbar und hat sich noch nicht in sozialen Protesten niedergeschlagen. Für diesen bürgerlichen Block reichen die Ankündigungen der Schweizerischen Nationalbank aus, um die Bevölkerung zu beruhigen und den Eindruck zu erwecken, dass das Übel nur vorübergehend sei. Die Reichen sollen anhäufen und die Armen sollen sich durchschlagen.

… oder Sozialleistungen verteilen?

Zu den Vorschlägen der SP gehört dagegen ein „Bundesscheck“: 80 Prozent der Haushalte würden damit 317 Franken pro Erwachsenen und 158 Franken pro Kind erhalten. Für die Reichsten wäre der Betrag abnehmend bis null. Nach der Schätzung der SP würden sich die Kosten dafür auf 2 Milliarden Franken belaufen.

Und wie würde diese Zulage finanziert werden? Man könnte ja die Einführung einer Steuer auf den Handel mit Rohstoffen fordern – eine antikapitalistische Forderung, die die Wurzeln der Inflation ein wenig beleuchten würde. Wenig erstaunlich wird diese Idee von der SP nicht einmal erwähnt.

In einer Klassengesellschaft verstehen es die Kapitalist:innen glänzend, ihre Bereicherungsmechanismen im Verborgenen zu halten. Die Profite der multinationalen Energiekonzerne wachsen weiter. Warum lassen sie die Kraftstoffpreise weiterlaufen? Die Preise auf einem früheren Niveau (z.B. 1. Januar 2022) einzufrieren, wäre eine viel sozialere und egalitärere Massnahme, als zuzulassen, dass die Profiteur:innen eine ständige Erhöhung der Energiepreise durchsetzen.

Für eine gleitende Lohnskala!

Eine weitere Forderung, die in der politischen und gewerkschaftlichen Landschaft fehlt, ist die nach einer kontinuierlichen und vollständigen Anpassung der Löhne an die Inflation durch rückwirkenden Lohnausgleich. Vor einigen Jahrzehnten hatten einige Gewerkschaften diesen Mechanismus, der unter dem Namen „gleitende Lohnskala“ bekannt ist, sogar durchgesetzt. Die Preisinflation wird durch den interkapitalistischen Wettbewerb verursacht. Die Arbeitnehmer:innen müssen ihr jedoch nicht zum Opfer fallen. Denn die Wiederherstellung der Kaufkraft ist nicht gleichbedeutend mit Konsumismus, sondern mit sozialer Gerechtigkeit. Die Arbeit darf nicht das Opfer des Kapitals sein.

Im November 2019, lange bevor die Inflation anstieg, erklärte der SGB: „Die Schweiz hat ein Kaufkraftproblem. Die Reallöhne treten auf der Stelle. Immer mehr Haushalte in der Schweiz haben Schwierigkeiten, ihre Rechnungen zu bezahlen. Wenn man die Gesundheitsausgaben ausklammert, ist der Pro-Kopf-Konsum rückläufig„. Im Jahr 2022 wird also eine Inflation von 3 Prozent diesen Befund nicht verbessern. Und der Schweizerische Arbeitgeberverband warnt: In Branchen, die GAVs unterliegen, werden die Löhne nur um 1,5 % angepasst. Während die Aktionär:innen der schweizerischen Börse SPI 46 Milliarden an Dividenden unter sich aufteilen werden!

Ab sofort müssen alle Klauseln zur Anpassung der Löhne, Renten und Sozialleistungen an die Teuerung ohne Ausnahme angewendet werden, sowohl im öffentlichen Sektor als auch in den GAVs. Eine umfassende Mobilisierung könnte verschiedene soziale Gruppen zusammenbringen und vereinen und die Bewegungen zur Verteidigung der AHV und der Lohngleichheit begleiten.

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