Die Öl- und Gasexporte füttern Putins Kriegskasse. Die Recherche einer Koalition der Organisation Campax, der Organisation BreakFree Schweiz sowie der Einzelpersonen Christian Lüthi von der Klima-Allianz und Claudio Bernhard vom Climate Strike zeigt, wie weit der Schweizer Finanzplatz hier involviert ist. Durch den brutalen Invasionskrieg gegen die Ukraine wird klar, wie machtlos sich die westeuropäischen Staaten, insbesondere die Schweiz, gegen den russischen Aggressor gemacht haben durch ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland sowie durch deren Mitwirken in russischen Wirtschaftsfeldern, die auf fossilen Rohstoffen basieren. Der Krieg gegen die Ukraine weist darüber hinaus auch auf den Zusammenhang zwischen einer auf fossile Energieträger angewiesenen kapitalistischen Konkurrenzwirtschaft und gewalttätigen Territorialkonflikten hin. (Red.)
von Campax, Breakfree Schweiz, Christian Lüthi (Klima-Allianz) und Claudio Bernhard (Climate Strike)
Die USA kündigten am Dienstag, 8. März 2022, an, dass sie russisches Öl, Gas und Kohle boykottieren würden; und dass sie Finanzinstitutionen anweisen würden, Geschäftsbeziehungen mit im russischen Energiesektor tätigen Unternehmen abzubrechen.[1] Es bleibt noch unklar, ob die EU und möglicherweise auch die Schweiz dem folgen werden. Was aber sicher ist, ist, dass die Schweizer Finanzinstitute starke Verbindungen zur russischen Öl- und Gasindustrie haben. Dies zeigt eine Untersuchung, die von einer Koalition aus verschiedenen Organisationen und Einzelpersonen beim Forschungsteam DataCatering in Auftrag gegeben wurde.
Unter den grössten Investoren von Gazprom
Schweizer Finanzinstitute hielten vor Kriegsbeginn Beteiligungen von über 400 Millionen US-Dollar an Gazprom. Die Genfer Privatbank Pictet verfügte mit 204 Millionen US-Dollars über den Löwenanteil, was sie zum elftgrössten Investor Gazproms überhaupt machte und ihr bei der letzten Dividendenausschüttung im Frühjahr 2020 umgerechnet mehr als 7 Millionen US-Dollar einbrachte. Darauf folgten die Credit Suisse (94 Mio.) und die UBS (67 Mio.).
Aber die privaten Schwergewichte des lokalen Finanzmarktes sind nicht allein an der Kohlemaschinerie beteiligt, die Putins Krieg vorantreibt. Die Kantonalbanken der Kantone Zürich (17 Mio.), St. Gallen (2,7 Mio.) und Waadt (1,7 Mio.) sowie höchstwahrscheinlich die Schweizerische Nationalbank haben ebenso Millionen in Gazprom investiert. Keines der genannten Finanzinstitute hat öffentlich mitgeteilt, ob und in welchem Umfang diese Beteiligungen verkauft wurden.
Dabei ist Gazprom nur ein Beispiel unter vielen. Insgesamt hielten Schweizer Finanzinstitute vor Kriegsbeginn mindestens 1,5 Milliarden US-Dollar an russischen Öl- und Gaskonzernen wie Rosneft, Novatek, Lukoil, Tatneft oder dem bereits erwähnten Gazprom.
Horrende Kreditsummen
Die Schweizer Grossbanken begnügen sich dabei nicht damit, in die russische Öl- und Gasindustrie zu investieren, sondern stellen auch Kredite bereit. So lieh die Credit Suisse 2018 Gazprom über 500 Millionen US-Dollar[2] für den Bau einer der weltweit grössten Gasaufbereitungsanlagen am Amur-Fluss, unweit der chinesischen Grenze.[3] Die Laufzeit des Kredits beträgt 17 Jahre, womit die Bank bis 2036 mit Gazprom geschäftlich gebunden bleibt. Es ist nicht absehbar, dass sie die dazu erforderlichen Zinsen ausbezahlen würde. Zudem wäre das Risiko kostspieliger Abschreibungen für die CS hoch.
Geschäftsfinanzierungen
Ausserdem unterhalten die Credit Suisse und UBS enge Kontakte zu russischen Öl- und Gashändlern. [4] Rund 80% der russischen Rohstoffe werden über die Schweiz gehandelt. Allein an Glencore haben die beiden Grossbanken seit 2018 jeweils 1,5 Mrd. US-Dollar verliehen, an Vitol 870 Mio. und an Gunvor 700 Mio. US-Dollar.[5]
Nora Scheel, Kampagnenleiterin bei Campax: «Durch diese Investitionen, Kredite, Handelsfinanzierungen und Versicherungen finanziert der Schweizer Finanzplatz indirekt Putins Krieg gegen die Ukraine». Öl und Gas machen 50% der russischen Exporte und 36% des Staatshaushalts aus. [6] Diese Werte dürften in der Zwischenzeit aufgrund der Sanktionen noch weiter angestiegen sein.
Ausstieg aus russischem Öl und Gas – Ausbau erneuerbarer Energien
Die Koalition fordert daher alle Schweizer Finanzinstitute auf, die Vergabe von Finanzdienstleistungen an russische Energieunternehmen, die in den Sektoren Kohle, Öl und Gas tätig sind, einzustellen. Dies bedeutet insbesondere, diesen Unternehmen keine neuen Finanzierungen, Investitionen, Versicherungen oder andere Finanzdienstleistungen zur Verfügung zu stellen und bestehende Vermögenswerte freizusetzen. Eine Liste dieser Unternehmen wurde von der Organisation „Reclaim Finance“ veröffentlicht.[7]
Der Boykott der russischen Energieproduktion darf auf keinen Fall dazu führen, dass russisches Öl und Gas durch andere fossile Energiequellen ersetzt werden. Denn, um die ukrainische Klimaforscherin Svitlana Krakovska, Mitautorin des letzten IPCC-Berichts, zu zitieren: «Der menschengemachte Klimawandel und der Krieg gegen die Ukraine haben die gleichen Wurzeln – fossile Brennstoffe und unsere Abhängigkeit von ihnen.» Die Überwindung von fossilen Brennstoffen ist mehr als notwendig und der Krieg in der Ukraine zeigt nur einmal mehr, wie folgenschwer unsere Abhängigkeit von ihnen ist.
Für Guillaume Durin vom Kollektiv BreakFree Schweiz: «Die weltweite Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen führt weiterhin überall zu Konflikten. Es ist unerlässlich, dass wir daran arbeiten, diesen Umstand zu ändern, indem wir einen raschen und gleichberechtigten Übergang einleiten, der auf einer gemeinsam getragenen Bemühung zu Energieeinsparungen und der Versorgung mit erneuerbaren Energiequellen beruht. Dezentraler organisiert und zugänglich gemacht, können erneuerbare Energielieferanten unsere Autonomie und unsere Fähigkeit, den Frieden zu verteidigen, erhöhen.»
Übersetzung durch die Redaktion. Um genau Zahlen der Investitionen und Betiligungen durch Schweizerische Finanzinstitute einzusehen: https://docs.google.com/document/d/1xox1gE0xVFtaQXOiqZ3raB0GKrNj3td8Z8NCiKSSmkc/edit
Quellenangaben
[1] La portée exacte n’est pas encore claire. https://www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2022/03/08/fact-sheet-united-states-bans-imports-of-russian-oil-liquefied-natural-gas-and-coal/
[2] Quelle: DataCatering basé sur la base de données économiques Refinitiv.
[3]https://www.gazprom.com/projects/amur-gpp/
[4]https://www.s-ge.com/sites/default/files/publication/free/wirtschaftsbericht-russland-2021-12.pdf
[5] Quelle: DataCatering DataCatering basé sur la base de données économiques Refinitiv.
[6]https://www.reuters.com/markets/europe/russias-oil-gas-revenue-windfall-2022-01-21/