Gestern begann das World Economic Forum (WEF) in Davos. Die politische Gegenkonferenz – das Andere Davos – wird dieses Wochenende am 19./20. Januar 2024 im Volkshaus Zürich stattfinden und kann dabei auf eine 25-jährige Geschichte zurückblicken.
von BFS Zürich
Das Andere Davos fand 1999 zum ersten Mal als Konferenz gegen die kriegerische Globalisierung des Kapitalismus statt. Im Zuge der Antiglobalisierungsbewegung der 1990er Jahre fanden auf der ganzen Welt Proteste gegen die Treffen der Reichen und Mächtigen statt (G8, WTO-Gipfel, WEF) und es wurden alternative Foren organisiert wie das Weltsozialforum, das europäische Sozialforum oder eben das Andere Davos. Ziel dieser Konferenzen war es, eine solidarische und internationalistische Alternative zur kapitalistischen Globalisierung aufzuzeigen, die die weltweite Ungleichheit immer weiter verschärfte und trotz dem angeblichen «Ender der Geschichte» (Francis Fukuyama) in regelmässigen Abständen zu imperialistischen Interventionen und Kriegen führte.
All dies ist leider aktueller denn je. Die Krisen des Kapitalismus scheinen sich heute auf eine Zeitenwende hin zu verdichten. So haben sich kolonialistische Invasionen und ethnische Vertreibungen allein im letzten Jahr vervielfacht. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine jährt sich zum zweiten Mal, Israel führt seit letztem Oktober einen brutalen Krieg gegen die palästinensische Zivilbevölkerung, die armenische Bevölkerung Bergkarabachs wurde vertrieben und der türkische Staat bombardiert weiterhin die zivilen Strukturen Rojavas.
Als eine der wenigen internationalen Konferenzen aus der Zeit der Antiglobalisierungsbewegung hat das Andere Davos seit 1999 überlebt. 2024 findet die Konferenz unter dem Motto «Krisen des Kapitalismus und unsere Antworten» statt.

Krisen des Kapitalismus
Die Krisen des Kapitalismus zeigen sich nicht nur in den Kriegen und Vertreibungen, sondern auch an ganz anderer Stelle und betreffen alle Lebensbereiche. Rechtsextreme und rechtsradikale Bewegungen erstarken weltweit und fassen in der etablierten Politik immer mehr Fuss, indem sie sich als Verfechterinnen der Interessen des kleinen Mannes inszenieren. Immobilienkonzerne treiben die Mieten in immer neue Höhen, während viele Menschen nach bezahlbarem Wohnraum suchen. Patriarchale Strukturen sorgen dafür, dass feminisierte Jobs noch stärker ausgebeutet werden und weiblich gelesenen Personen konstant einem erhöhten Gewaltrisiko ausgesetzt sind.
Und zu guter Letzt hält es der jüngste IPCC-Bericht eigentlich nicht mehr für möglich, den menschengemachten Temperaturanstieg bis 2100 auf 1,5°C zu begrenzen und prognostiziert besagte Temperaturzunahme bereits für 2030. Und die 28. UN-Klimakonferenz in Dubai lässt wenig Raum für Hoffnung auf ein Einlenken der Mächtigen, denn ein klarer Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas fehlte in der Abschlusserklärung.
Die Liste der strategischen Partner:innen des WEF liest sich wie ein «Who is Who» des fossilen Grosskapitals. Mit von der Partie sind nicht nur alle relevanten Finanz-, Agrar- und Industriekonzerne, sondern auch die globalen Ölriesen BP, Chevron, Equinor, Petrobras, Royal Dutch Shell, Saudi Aramco, Socar und Total. Hier wird deutlich, dass sich die Antworten der Regierenden und Konzernleitungen, die jedes Jahr nach Davos pilgern, nach der Profitlogik richten, nicht den Bedürfnissen der Menschen und der Umwelt.

Programm des Anderen Davos 2024
Die weltweit stattfindenden sozialen Kämpfe, von denen uns Aktivist:innen am Anderen Davos jeweils aus erster Hand berichten, dienen uns als Orientierungspunkte und politischen Kompass. «Widerstand zeichnet die Konturen einer anderen Welt» ist deshalb seit 1999 das Leitmotiv der Konferenz.
Dieses Jahr kommen unsere Gäste aus über zehn Ländern und vier Kontinenten nach Zürich. Mit dabei sind unter anderem die argentinische Feministin Lus Sbriller, Tithi Bhattacharya (Autorin von Feminismus für die 99%), der antifaschistische Journalist Miquel Ramos aus Valencia, der russische Sozialist und Putingegner Ilya Budraitskis (Russländische Sozialistische Bewegung), der ukrainische Gewerkschafter Artem Tivda (Sotsialnyi Rukh) und die in Lausanne lebende ukrainische Aktivistin Hanna Perekhoda (solidaritéS), Aktivist:innen der kurdischen Frauenbewegung, die Co-Autorin des IPCC-Berichts 2023 Yamina Saheb, der Wirtschaftsgeograf Christian Zeller (Autor von «Revolution für das Klima»), Simon Pirani (Autor von «Burning Up: A Global History of Fossil Fuel Consumption»), Anti-Gentrifizierungsaktivist:innen aus Deutschland (Deutsche Wohnen & Co. enteignen), Dänemark (Almen Mostad) und der Schweiz (Linkes Seeufer für alle) sowie palästinensische und jüdische Aktivist:innen.


Die Konferenz findet am Freitag, 19. und Samstag, 20. Januar 2024 im Volkshaus Zürich statt. Am Samstag gibt es in der Spielbaracke auf dem Kanzleiareal eine kostenlose Kinderbetreuung. Die Diskussionen werden auf Deutsch, Englisch und Französisch übersetzt und teilweise live gestreamt. Genauere Infos zu Programm, Durchführung und Streams gibt es hier.
Der Workshop am Samstag Morgen zur Klimakrise interessiert mich. Frage: Wird es vor allem Reden vom Podium geben (mit Übersetzung) oder ist die Veranstaltung auf Dialog und Partizipation angelegt?
Hei Daniel! Der Workshop wird übersetzt und neben Inputs der Referent:innen wird es auch genügend Platz für Diskussionen geben. Solidarisch, Phips
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