Autobahnen sind ein junges Phänomen. Wurden sie zu Beginn teils euphorisch begrüsst, wuchs die Kritik und der Widerstand dagegen. Spätestens seit den 1970er Jahren wurde der Kampf gegen Autobahnbauprojekte auch von Erfolgen gekrönt. Im Folgenden soll mit zwei Beispielen gezeigt werden, dass es Basisinitiativen möglich ist, Autobahnprojekte und damit verbundene Infrastrukturvorhaben erfolgreich zu bekämpfen, wenn sie über Ausdauer, Kreativität und etwas Glück verfügen.
von Urs Zuppinger (BFS Romandie); aus antikap
In der Schweiz bewirkte nach dem 2.Weltkrieg der rasche Wirtschaftsaufschwung sowie der damit einhergehende rasante Anstieg von Autobesitzer:innen ein landesweites Verkehrschaos in den 1950er Jahren. Als Antwort darauf lancierten der Touring Club Schweiz (TCS) und der Auto mobilclub Schweiz (ACS) 1955 eine eidgenössische Volksinitiative für den Bau eines Nationalstrassennetzes. Dieses sollte über eine indirekte Benzinsteuer finanziert werden. Die Initiative wurde 1958 vom Volk mit fast 90% Ja-Stimmen gutgeheissen und die konkrete Umsetzung wurde in kürzester Frist in die Wege geleitet. Knapp 9 Jahre später wurde anlässlich der Eröffnung der Landesausstellung von 1964 in Lausanne das erste gebaute Teilstück zwischen Genf und Lausanne dem Verkehr übergeben.
Von der Euphorie zur Kritik
Gegenüber den negativen Auswirkungen des Vorhabens war man in einer ersten Phase blind. In Morges beispielsweise mobilisierte sich die Bevölkerung dafür, dass die Autobahn das Stadtgebiet durchquert und dass die Anschlüsse so gebaut werden, dass man beim Zu- oder Abfahren von der Autobahn durch das Stadtzentrum fahren muss. Landschaftsverschandelung, Lärmschaden und Umweltverschmutzung waren keine Themen. Bei einem Wettbewerb zur Planung der Umfahrung der Stadt Neuenburg wurde dem absurden Vorschlag, das Stadtgebiet mit einem offenen, im See verankerten Viadukt zu umfahren, der erste Preis verliehen.
Das Bewusstsein um die negativen Umweltauswirkungen des geplanten Autobahnnetzes entwickelte sich erst auf Grund der Erfahrung mit gebauten Teilstücken. Während der Kampf dagegen zu Beginn aussichtslos schien, änderte sich das in den 1970er Jahren. Damals gelang es dem Journalisten Franz Weber mit der Mobilisierung von Anwohner:innen, Volksinitiativen, Gerichtsverfahren und Medienkampagnen das Gegenteil zu beweisen – dass Kämpfe auch gewonnen werden können. In wenigen Jahren gelang es ihm, die Zerstörung von LausanneOuchy durch eine als offene Schneise geplante Autobahnstrecke zu verhindern. Ebenso die geplante Simmental-RawylAutobahn sowie die Verwüstung des rechten Sempacherseeufers durch die N2.
Wallis: Petitionen und Pläne
Als Konzession an den Föderalismus ist die Verantwortung für die Ausführungsprojekte der einzelnen Teilstücke des Nationalstrassennetzes von Anbeginn an den Kantonen übergeben worden. Dies hat im Wallis dazu geführt, dass bei der Detailplanung der Autobahn in einer ersten Phase systematisch die höchst möglichen Projektierungsnormen zur Anwendung kamen, um den Walliser Baufirmen ein maximales Bauvolumen zu beschaffen. Ab 1977 ist eine Petition dagegen lanciert worden1 , die in Kürze 33’000 Mal unterschrieben wurde, obwohl sie von den kantonalen Behörden und Medien massiv diffamiert worden ist. Schlussendlich wurde aufgrund einer angenommenen Motion im Ständerat eine Revision des Walliser Autobahnprojekts bundesrätlich verordnet.
Im Oberwallis ist das Vorhaben durch die Oberwalliser Gemeinschaft für Umwelt und Verkehr (OGUV) bekämpft worden. Die OGUV wurde von der linksradikalen Zeitschrift Die Rote Anneliese lanciert. Sie erreichte nicht nur eine massive Mobilisierung der betroffenen Bevölkerung, sondern legte selber einen technisch ausgearbeiteten Vorschlag einer alternativen Linienführung der Autobahn vor. Dieser wurde bei der Neuplanung des Vorhabens weitgehend übernommen.
Lausanne: Ausdauer gegen Abriss
Überzeugender endete ein Kampf, der in Lausanne in den 1980er und -90er Jahren von Bürgerinitiativen gegen ein Projekt der Stadtbehörden geführt wurde. Dieses sah vor, das mehrstöckige Zentrum Lausannes auf der unteren Ebene des zugeschütteten Flon-Bachs mit Parkhäusern und einem Busbahnhof zu versehen. Zudem sollte eine neue und direkte Strassenverbindung zum nordöstlichen Anschluss der Autobahnumfahrung der Lausanner Agglomeration gebaut werden.
Das Projekt hätte nicht weniger als den Abriss der Hälfte des stadtnahen Quartiers Le Vallon erfordert. Auch das nahe dem Zentrum gelegene, fünfeinhalb Hektare grosse Industriequartier Plateforme du Flon hätte für eine modernistische Stadtzentrumserweiterung abgerissen werden sollen. Der ohne Finanzmittel geführte Kampf gegen diese Vorhaben dauerte über 16 Jahre und führte – von einer Niederlage zur anderen – 1999 zum Erfolg! Das Strassenprojekt wurde schon ein paar Jahre zuvor aufgegeben. Das Vallon-Quartier ist erhalten geblieben und lebt. Aus der baulich weitgehend erhaltenen Plateforme du Flon ist eine autofreie Stadtzentrumserweiterung geworden