In der Schweiz soll der Klimakrise zum Trotz das Autobahnnetz mit mehr als 5 Milliarden Franken ausgebaut werden. Für die Lebensqualität der Menschen in den Städten und aus klimapolitischer Sicht wäre es viel sinnvoller, das Geld in die Verkehrswende zu investieren.
von Lisi Kaler (BFS Basel); aus antikap
Wir erleben den wärmsten Frühling seit Zeitmessung. Die Temperaturen liegen 4 Grad über dem Durchschnitt. Das zeigt: Die Klimakrise kommt nicht irgendwann, sie ist schon jetzt Realität, auch in der Schweiz. Was es bräuchte, wäre eine sofortige sozial-ökologische Transformation. Nicht erst 2030, oder 2040 … «Weniger produzieren, besser teilen, gemeinsam entscheiden» – so lautete dann auch das Motto der ökosozialistischen Konferenz für Klimagerechtigkeit, die 2020 in Basel stattfand. Eine wesentliche Forderung war die Vergesellschaftung des Verkehrs, ein massiver Ausbau des öffentlichen Verkehrs und eine radikale Reduktion des Individualverkehrs.
Unzeitgemässer Ausbau des Autobahnnetzes
Mit dem schweizweiten Ausbau des Autobahn netzes ist jedoch genau das Gegenteil geplant: es wird am Auto festgehalten. Mit über 5 Milliarden Franken sollen in den kommenden Jahren die Autobahnen in der Schweiz ausgebaut werden. Konkret geplant ist der Bau des Rheintunnels in Basel, zwei Spurenausbauten in Bern, eine 3. Röhre und ein Ausbau des Autobahnanschlusses in St.Gallen, eine 2. Röhre in Schaffhausen, sowie ein Spurenausbau in der Region Genfersee. Dabei ist der Bau des sogenannten Rheintunnels mit 2.3 Milliarden Franken bei weitem das teuerste Ausbauprojekt. Finanziert werden die Projekte via Nationalstrassenfond, welcher sich zu einem Grossteil aus dem Mineralölsteuer zuschlag zusammensetzt. Weil dagegen ein Referen dum lanciert wurde, wird wahrscheinlich im November die Schweizer Stimmbevölkerung über die Finanzierung des schweizweiten Ausbaus des Autobahnnetzes abstimmen können.
Ausbau Stadtautobahn in Basel
Geplant ist in Basel der Bau eines 11 Kilometer langen, unterirdischen Autobahnsystems. Ein Teil davon liegt unter dem Rhein – daher der Name Rheintunnel. Es soll sich vom Tunnelportal in Birsfelden bis zur Dreirosenmatte respektive an die deutsche Grenze erstrecken (siehe Abbildung). Die Argumente der Befürworter:innen des Rheintunnels sind folgende: erstens würde eine 30-prozentige Reduktion des Strassenverkehrs in den Quartieren erreicht, zweitens reduziere sich dadurch die Lärm- und Feinstaubbelastung in den Quartieren und drittens gebe es auf den Autobahnen weniger Stau. Schöne Worte und Versprechen, alles für das Wohl der Bewohnenden in den Quartieren. Aber schauen wir uns diese Argumente einmal genauer an.
Mehr Autobahnen gleich weniger Stau? Fake!
Mit dem Rheintunnel wird in der Realität einfach eine weitere Autobahnstrasse gebaut, ohne parallel dazu die oberirdische Autobahnstrecke (z.B.die Osttangente) zu reduzieren oder einzustellen. Das bedeutet faktisch eine Verdopplung der Autobahnkapazitäten. Bereits seit den 1960er Jahren ist jedoch bekannt, dass der Kapazitätsausbau von Strassen nicht zur Verringerung von Stau beiträgt.
Dieses Phänomen heisst «induzierte Nachfrage»: Die neu entstandene Infrastruktur sorgt für einen Moment für weniger Stau, das macht das Autofahren wieder attraktiver, mehr Menschen steigen wieder auf das Auto um. Damit steigt die Nutzung der neuen Strassen. Mittelfristig führt das erneut zu Ausund Überlastung, einfach diesmal mit noch mehr Fahrzeugen auf noch mehr Strassen und somit noch mehr Abgasausstoss. «Es ist einfach unmöglich, genügend Kapazitäten auf unseren Transportwegen zu schaffen, um jeder in der Schweiz arbeitstätigen Person einen staufreien Pendelalltag zu ermöglichen», wie Pablo Rossi von der BFS Jugend Basel schon auf unserer Homepage1 geschrieben hat. Der Versuch führt zu einem stetigen Ausbau der Automobilinfrastruktur mit fatalen Konsequenzen für die Menschen in den unmittelbar betroffenen Quartieren, für unsere Umwelt und das Klima.
Mehr Autobahnen gleich weniger Lärm und Feinstaub? Fake!
Mit dem geplanten Autobahntunnel sollen Wohnviertel vom Autolärm und der Feinstaubbelastung weniger betroffen sein, argumentieren die Befürworter:innen des Rheintunnels. Wie oben jedoch schon ausgeführt, führen mehr Autobahnkapazitäten mittelfristig auch zu mehr Autos, mehr Lärm, mehr Abgasen und damit einer höheren Feinstaubbelastung in Basel. Der Lärm und Feinstaub führen zu gravierenden gesundheitlichen Schäden. Europaweit gab es 2020 laut EU-Umweltagentur 240’000 vorzeitige Todesfälle aufgrund der Feinstaubbelastung durch den Strassenverkehr. Zudem bedeutet der Bau des unterirdischen Autobahntunnels in Basel 10 Jahre riesige Baustellen und dadurch eine massive Lärmbelastung in Quartieren. Mit der Baustelle würde auch die einzige Grünanlage im Matthäusquartier, die Dreirosenmatte, während 10 Jahren zu einer Baustelle werden. Erst danach würde sie wieder zugänglich werden – aber flächenmässig um ein Drittel verkleinert sein. Zudem müssten 150 Familiengärten in Birsfelden, Sportanlagen sowie ein Teil des biologisch wertvollen Hardwaldes der Autobahn weichen.
Ungerechte Verteilung von Nutzflächen
Zusammenfassend müssten mit dem Bau des Autobahntunnels in Basel zahlreiche von der Allgemeinheit genutzte Grün- und Erholungsflächen dem ineffizienten, luftverpestendem und klimaschäd lichen Auto weichen. Dabei sind schon jetzt die städtischen Flächen mit parkenden, im Stau stehenden und fahrenden Autos verstopft: Im Durchschnitt stehen Autos in Deutschland 23 Stunden am Tag herum, sodass jeweils immer nur maximal 10% aller Autos gleichzeitig in Bewegung sind. Den Rest der Zeit belegen sie als sogenannter ruhender Verkehr bis zu 19% der städtischen Verkehrsflächen.2 Unsere gesamten Städte sind nach Autos ausgerichtet, statt für jene, die darin wohnen und leben. Damit ist der öffentliche Raum höchst ungerecht verteilt: Zum Teil sind mehr als die Hälfte der Verkehrsflächen mit Strassen, Parkplätzen und Garagen zubetoniert.
Klimaschädlicher Individualverkehr
Mehr Autobahnen bedeutet also mehr Verkehr. Und mehr Verkehr heisst mehr Emissionen. Schon jetzt ist der Verkehr für fast ein Drittel der inländischen Emissionen verantwortlich und gleichzeitig ist dies der einzige Sektor, in dem kaum Reduktionen stattfinden.3 Dieses nicht zeitgemässe und teure Autobahnprojekt widerspricht komplett den Klima zielen der Schweiz und des Kantons Basel-Stadt, der bis 2037 klimagerecht sein will. Anstatt schrittweise den Öffentlichen Verkehr auszubauen, genehmigt das Parlament einen Ausbau der Verkehrskapazitäten des klimaschädlichen Individualverkehrs. Einmal mehr zeigt sich, dass ohne Druck von unten eher die Interessen der Bau- und Automobillobby ver treten werden.
Autofreie Städte – eine Vision
Dabei ginge es auch anders. «Der öffentliche Raum birgt riesige Potenziale, die Lebensqualität der Stadtbewohner:innen zu verbessern. Wo Strassen nicht mehr vorrangig für Autos da sind, kann Platz für Begegnung in der Nachbarschaft entstehen. Kinder und ältere Menschen können sich sicherer durch die Viertel bewegen. Nachbar:innen können gemeinsam entscheiden, wie die Flächen vor ihren Häusern gestaltet werden, z.B.mit Bänken, Hochbeeten, Fahrradstellplätzen.»4 Viele Flächen könnten ausserdem entsiegelt und begrünt werden. Vogelgezwitscher, Baumschatten, saubere Luft – all das hilft nicht nur der Umwelt und dem Klima, sondern trägt auch nachweislich zum Wohlbefinden der Bewohner:innen bei. Stellt euch einmal vor, ihr könntet entscheiden, wie ihr eure Quartiere gestalten möchtet. Mit einem kostenlosen, gut zugänglich und häufig getaktetem öffentlichen Verkehr zum Beispiel.
Autofreie Städte – Sofortmassnahmen
Für mehr soziale und ökologische Gerechtigkeit in unseren Städten gibt es eine Reihe von Ideen und Massnahmen, die jetzt umgesetzt werden könnten. In Madrid, Paris, dem belgischen Gent und anderen Städten werden klimafreundliche Mobilitätskonzepte bereits erprobt, die die Bedürfnisse der dort lebenden Menschen ins Zentrum stellen.
Mit drei konkreten Sofortmassnahmen würden im Gegensatz zum in Basel geplanten Autobahntunnel tatsächlich auch die Quartiere von der Lärm- und Feinstaubbelastung, und gleichzeitig die Strassen vom nicht notwendigen Verkehr befreit, sodass diejenigen, die tatsächlich mit dem Auto Dinge transportieren müssen, auch staufrei durchkommen. Drei konkrete, unmittelbar umsetzbaren Massnahmen für autofreie Städte wären 1.Öffentlichen Verkehr ausbauen, 2.Parkflächen reduzieren und Begegnungs räume schaffen und 3.Tempo 30 – Jetzt!
Vergesellschaftung als Ziel
Selbstverständlich braucht es auf lange Sicht weiterführendere Massnahmen wie die Beendigung aller staatlichen Subventionen für die Flug- und Automobilindustrie, die Einführung von Strafsteuern auf CO2-Emissionen und Verschmutzer:innen sowie die Vergesellschaftung der Flug- und Automobilindustrie, die einen drastischen Rück- und Umbau sowie Integration in ein bezahlbares und nachhaltiges öffentliches Verkehrssystem auf demokra tische Weise ermöglicht.
Eine andere Stadt ist machbar, Frau Nachbar
So utopisch ist eine autofreie Stadt gar nicht. Das ist auch hier möglich. Denn wir können mitentscheiden, wenn wir die Mitentscheidung einfordern. Wir haben die Macht, das Quartier zu gestalten, wenn wir uns organisieren und dafür kämpfen. Dafür müssen wir jetzt aktiv werden und uns auch gegen Projekte wie den Autobahnausbau in Basel wehren. Mach mit! Wir als Bewegung für den Sozialismus arbeiten bei der neu gegründeten Kampagne «Jetzt wenden! Gratis-ÖV statt Autobahn» mit. Zusammen mit anderen Organisationen und Einzelpersonen wollen wir mit betroffenen Menschen aus den Quartieren Widerstand gegen den Autobahnausbau in Basel aufbauen und uns für autofreie Städte einsetzen.
Unsere Forderungen
1. Öffentlichen Verkehr ausbauen
Damit sich Menschen in den Städten nicht länger gezwungen sehen, für die Wege ihres alltäglichen Lebens ein Auto zu besitzen, braucht es einen starken, barriere freien und kostenlosen ÖV in allen Städten, mit engmaschigem Liniennetz und dichter Taktung, das auch das Umland mit den Innenstädten verbindet. Zum anderen gilt es, sichere Velowege zu schaffen und Velowegenetze insgesamt auszubauen. Für den Grosseinkauf, Umzug oder sonstige Transporte sollten alle Menschen leichten und kostengünstigen Zugriff auf über SharingSysteme bereitgestellte Lastenräder, Autos und Transportfahrzeuge in ihrer Nähe haben.
2. Parkflächen reduzieren und Begeg nungs räume schaffen
Öffentlicher Raum ist ein rares und kostbares Gut. Derzeit steht er vielerorts kostenfrei zur Lagerung privater Autos zur Verfügung. Wenn Strassen jedoch nur noch für die wirklich notwendigen Autofahrten genutzt werden würden, genügte vielerorts eine Fahrspur. Und wenn die verbleibenden Autos in Parkhäusern und Tiefgaragen geparkt werden, könnte es genug Platz für Fussgänger:innen, Rollstuhl- und Velofahren:innen und spielende Kinder geben. Hier könnte man ansetzen, indem man das Parken teurer und unattraktiver macht, oder indem man per Gesetz die Parkflächen reduziert. Dadurch würde Raum für Grünflächen, Begegnungsräume, bezahlbaren Wohnraum und Spielplätze geschaffen. Selbstverständlich brauchen wir weiterhin Parkplätze für Menschen, die auf ein Auto angewiesen sind, z. B. aufgrund einer Behinderung oder weil sie als Handwerker:in täglich Dinge transportieren müssen.
3. Tempo 30 – Jetzt!
Mit der Einführung von Tempo 30 innerhalb von Ortschaften gäbe es nicht nur nachweislich weniger schwere Unfälle und weniger Emissionen. Das Tempolimit trägt ausserdem dazu bei, dass Menschen, die an Hauptverkehrsstrassen leben, tatsächlich weniger der Lärmbelastung und damit einhergehenden gesundheitlichen Schäden ausgesetzt sind.
Unsere Forderungen
1. Öffentlichen Verkehr ausbauen
Damit sich Menschen in den Städten nicht länger gezwungen sehen, für die Wege ihres alltäglichen Lebens ein Auto zu besitzen, braucht es einen starken, barriere freien und kostenlosen ÖV in allen Städten, mit engmaschigem Liniennetz und dichter Taktung, das auch das Umland mit den Innenstädten verbindet. Zum anderen gilt es, sichere Velowege zu schaffen und Velowegenetze insgesamt auszubauen. Für den Grosseinkauf, Umzug oder sonstige Transporte sollten alle Menschen leichten und kostengünstigen Zugriff auf über SharingSysteme bereitgestellte Lastenräder, Autos und Transportfahrzeuge in ihrer Nähe haben.
2. Parkflächen reduzieren und Begeg nungs räume schaffen
Öffentlicher Raum ist ein rares und kostbares Gut. Derzeit steht er vielerorts kostenfrei zur Lagerung privater Autos zur Verfügung. Wenn Strassen jedoch nur noch für die wirklich notwendigen Autofahrten genutzt werden würden, genügte vielerorts eine Fahrspur. Und wenn die verbleibenden Autos in Parkhäusern und Tiefgaragen geparkt werden, könnte es genug Platz für Fussgänger:innen, Rollstuhl- und Velofahren:innen und spielende Kinder geben. Hier könnte man ansetzen, indem man das Parken teurer und unattraktiver macht, oder indem man per Gesetz die Parkflächen reduziert. Dadurch würde Raum für Grünflächen, Begegnungsräume, bezahlbaren Wohnraum und Spielplätze geschaffen. Selbstverständlich brauchen wir weiterhin Parkplätze für Menschen, die auf ein Auto angewiesen sind, z. B. aufgrund einer Behinderung oder weil sie als Handwerker:in täglich Dinge transportieren müssen.
3. Tempo 30 – Jetzt!
Mit der Einführung von Tempo 30 innerhalb von Ortschaften gäbe es nicht nur nachweislich weniger schwere Unfälle und weniger Emissionen. Das Tempolimit trägt ausserdem dazu bei, dass Menschen, die an Hauptverkehrsstrassen leben, tatsächlich weniger der Lärmbelastung und damit einhergehenden gesundheitlichen Schäden ausgesetzt sind.