Die Nelkenrevolution ist und bleibt auch nach 50 Jahren eine besondere Zäsur der europäischen und Weltgeschichte. Hat sie doch sowohl das langlebigste europäische Kolonialreich als auch die langlebigste faschistische Diktatur Europas beendet. Valerio Arcary war Professor an der Bundesuniversität für Bildung, Wissenschaft und Technologie in São Paulo und ist seit der Nelkenrevolution trotzkistischer Aktivist. Arcary versucht die historischen Entwicklungen der Nelkenrevolution – ihre Ambitionen, aber auch ihr Scheitern – entlang der Achsen der beteiligten politischen Interessensgruppen wie der Klassenverhältnisse zu erklären.
von Valerio Arcary; aus esquerdaonline
Man sagt, dass späte Revolutionen die radikalsten seien. Und am 25. April 1974 brach die älteste Diktatur des europäischen Kontinents zusammen. Die vom MFA (Movimento das Forças Armadas; linksgerichtete Bewegung innerhalb des portugiesischen Militärs 1974-1976) organisierte Militärrebellion war gewaltig. Diese von den mittleren Reihen der Streitkräfte angeführte Verschwörung entwickelte sich innerhalb weniger Monate zu einem Volksaufstand.
Nach einem endlosen Krieg militärisch zermürbt, politisch erschöpft durch das Fehlen einer inneren sozialen Basis, wirtschaftlich erschöpft durch eine Armut, die im Gegensatz zum sonstigen europäischen Standard stand, und kulturell ausgelaugt durch die jahrzehntelang aufgezwungene obskurantistische Rückständigkeit, reichten nur wenige Stunden für eine bedingungslose Kapitulation aus. In diesem Moment aber begann erst der revolutionäre Prozess, der Portugal bewegen würde. Der Militäraufstand löste die Revolution aus, nicht umgekehrt.
Desillusionierung im Kolonialkrieg und Bruch mit dem Regime
Nach 1960 war Portugal das einzige europäische Land mit einem umfassenden Kolonialbesitz. Aufgrund der Unabhängigkeitsbestrebungen in den afrikanischen Kolonien Angola, Mosambik, Guinea-Bissau, Kap Verde und São Tomé und Príncipe begann das portugiesische Regime einen Kolonialkrieg, der von 1961 bis 1974 andauern würde. Die hohen militärischen Verluste, die ernüchternde Kriegsrealität und die horrenden Kosten für Portugal trugen massgebend zur Militärrevolte durch den MFA bei. Der Kolonialkrieg Portugals war sehr verlustreich, weswegen rasch junge Soldaten auch aus der einfachen Bevölkerung zu Offizieren ausgebildet wurden. Es würden vor allem Offiziere unteren Ranges aus der einfachen Bevölkerung sein, die den MFA gründeten. (Anm. d. Red.)
Jede Revolution hat ihre folkloristischen Momente. Wir werden auch nie mit Sicherheit wissen, ob diese kleinen Episoden wahr sind oder nicht. Ma si non é vero, é bene trovato: In den frühen Morgenstunden fuhr eine Kolonne von Militärfahrzeugen die Avenida da Liberdade in Richtung Terreiro do Paço hinunter, sie soll sogar die Ampeln beachtet haben. Die Blumenverkäuferinnen vom Parque Mayer fragten die Soldaten, was los sei. Und die Soldaten antworteten, sie seien gekommen, um die Diktatur zu stürzen. In ihrer Freude sollen ihnen diese Frauen aus der leidenden Bevölkerung rote Nelken geschenkt haben und so, ohne es zu wissen, die Revolution auf den Namen einer Blume getauft haben: die Nelkenrevolution.
Die verspätete Revolution
Seinen 48 Jahren zum Trotz war der Sturz des Regimes von Marcelo Caetano paradoxerweise eine Überraschung – insbesondere, weil sich der fast sofortige Triumph des Aufstandes vom 25. April nur einen Monat nach dem Scheitern eines anderen Aufstands in Caldas da Rainha am 16. März ereignete.
Die Regierungen in London, Paris und Berlin wussten, dass das kleine iberische Land seit Jahrzehnten in einer unzeitgemässen Situation lebte: der letzte europäische Staat, der in einen Kolonialkrieg an drei Fronten verwickelt war, ohne Aussicht auf eine militärische Lösung. Eine Art „afrikanisches Vietnam“, das sogar durch eine UN-Resolution verurteilt worden war, die ohne die Zustimmung Washingtons, das sich vom portugiesischen Nationalimperialismus distanzierte, nicht möglich gewesen wäre.
Doch die Diktatur, die durch ihre Dekadenz bereits senil geworden war, führte in der Metropole weiterhin ein unerbittliches Regime. Sie unterhielt eine Polizei mit 2’000 professionellen Schlägern, der sogenannten PIDE/DGS (geheime Staatspolizei gegen Oppositionelle), die sich auf Zehn- oder vielleicht sogar Hunderttausende von Informant:innen, die so genannten „Bufos“, stützte, und für ein soziales Klima der erstickenden Repression, der Inhaftierung von Aktivist:innen sorgte, auch mit Verfolgung von Aktivist:innen der Kommunistischen Partei und Oppositionsführer:innen im Exil.[1]
Das Regime kontrollierte jede regierungskritische Meinung durch Zensur, verbot gewerkschaftliche Aktivitäten, unterdrückte das Streikrecht und unterhielt eine Wehrpflichtarmee, die nach 13 Jahren eines „endlosen“ Kolonialkriegs wirtschaftlich extrem kostspielig und sozial untragbar geworden war. Und doch hatte es nicht einmal Washington vermocht, die Gefahr einer Revolution vorauszusehen. Die historisch-strukturell naheliegendste Erklärung für diese Stabilität des Salazar-Regimes [António de Oliveira Salazar war Gründer der rechtsextremen und standesähnlichen Diktatur, bevor die Macht aufgrund eines Schlaganfalls 1968 auf Marcelo Caetano überging; Anm. d. Red.] dürfte wohl sein, dass das riesige Imperium in Afrika und Asien, das zu Beginn der Neuzeit entstanden war, noch bis eine Generation nach Ende des Zweiten Weltkrieges überlebt hatte.
Das Salazar-Regime war ein historischer Anachronismus, ein sozialer Irrweg und eine politische Ungeheuerlichkeit. Am 28. Mai 1926 war die erste Portugiesische Republik durch einen protofaschistischen Staatsstreich gestürzt und eine Militärdiktatur unter der Führung von General Gomes da Costa errichtet worden, der dann von General Carmona abgelöst worden war. Die Militärs luden Antonio de Oliveira Salazar, bis dahin Wirtschaftsprofessor in Coimbra, ein, Finanzminister zu werden; ein Amt, das er erst 1928, im Alter von 39 Jahren, antrat. Im Jahr 1932 wurde er Premierminister.
Das als Estado Novo bezeichnete Regime schien in den 1930er Jahren nichts sonderlich Aussergewöhnliches zu sein, als ein Teil der herrschenden Klasse Europas ohnehin einen übersteigerten nationalistischen Diskurs annahm und selbst in stärker urbanisierten und wirtschaftlich entwickelten Gesellschaften in grossem Umfang zu den Methoden der Konterrevolution griff, um soziale Revolutionen nach dem Vorbild der russischen Oktoberrevolution abzuwenden. Doch die Diktatur in Portugal sollte sich als erstaunlich langlebig entpuppen.
Der „defensive“ Faschismus dieses unverhältnismässigen und halbautoritären Imperiums würde Salazar überdauern, der nach unglaublichen 48 Jahren an der Macht sein Amt aufgrund gesundheitlicher Probleme abgab. Und auch die Bourgeoisie dieses kleinen Landes würde der Welle der Entkolonialisierung der 1950er Jahre ein Vierteljahrhundert lang widerstehen.
Ab den 1960er Jahren fand sie sogar die Kraft, sich einem Guerillakrieg in Afrika, in Guinea-Bissau, Angola und Mosambik, zu führen. Doch auch wenn es sich in den meisten dieser langen Jahre eher um einen Bewegungskrieg als um einen Stellungskrieg handelte, würde für die Bourgeoisie des Salazar-Regimes keine militärische Lösung möglich sein. Der endlose Krieg zerstörte schliesslich die Eintracht in den Streitkräften.
So wollte es die Ironie der Geschichte, dass dieselbe Armee, die die Diktatur hervorgebracht und die Erste Republik zerstört hatte, den Salazarismus auch wieder stürzte, um dem Krieg ein Ende zu bereiten.
Die so oft erhoffte Reform von oben, durch interne Verschiebungen innerhalb des Salazarismus selbst, der ausgehandelte Übergang, die vereinbarte Demokratisierung, kam nie. [Marcelo Caetano war im Vergleich zu seinem Vorgänger verhältnismässig liberal und führte halbherzig Reformen durch; Anm. d. Red.]
Die Verwerfungen des Bürgertums brachten ihre Verzweiflung über die Stumpfsinnigkeit der Diktatur zum Ausdruck. Der Verdunkelungsstaat erstickte die Nation. Nach dem Militäraufstand aber eröffnete sich ein Fenster der historischen Gelegenheit: Was die landbesitzenden Klassen an Reformen bisher vermieden hatten, wollten die Bevölkerungsmassen durch eine Revolution erobern. So wurde der überholte Salazarismus Caetanos schliesslich zur Initialzündung für den tiefgreifendsten revolutionären Prozess in Westeuropa nach dem Spanischen Bürgerkrieg im Jahr 1939.
Der Estado Novo: der portugiesische Faschismus
Das System des sogenannten Estado Novo, des faschistischen Regimes Portugals, folgte auf die rechtsextreme Militärdiktatur, die der ersten Republik mit einem Militärputsch 1926 ein Ende bereitete. Wann genau vom neuen Regime gesprochen werden kann ist umstritten, die Meinungen rangieren von 1930 bis 1933. Das faschistische Regime würde aber bis 1974 überdauern. Das Regime wurde von António Salazar nach italienisch-faschistischem Vorbild zu einer ständestaatlichen Diktatur aufgebaut. Das Regime richtete sich weniger nach einer festen Ideologie als nach Salazar selbst und war um ihn herum aufgebaut. Das koloniale Regime war wertekonservativ, nationalistisch, antiliberal, antiparlamentarisch und antikommunistisch ausgerichtet. Der Estado Novo war ein Einparteienstaat, wo nur Abgeordnete der Regierungspartei União Nacional gewählt werden konnten. Das Streikrecht war aufgehoben und freie Gewerkschaften waren verboten. Arbeiter:innen und Unternehmer:innen wurden durch Vertretungen durch staatlich gebildete korporative Zwangsverbände in den Staat eingebunden. Salazar liess den Staat zu einem Polizeistaat mit einem Repressionsapparat aufbauen (Geheimpolizei PIDE, Strafkolonien und berüchtigte Gefängnisse wie diejenigen von Peniche oder Caxias für politische Gefangene, Zensur, Propaganda der paramilitärischen Legião Portuguesa). Die Gewerkschaften und Unternehmen nahmen eine integrale Stellung in der Kontrolle der Bevölkerung ein. Der Estado Novo besass auf den Kap Verden ein Konzentrationslager namens Campo de Concentração do Tarrafal, wo zwischen 1936 und 1954 um die 340 portugiesische und afrikanische Oppositionelle, darunter viele Kommunist:innen, zur Zwangsarbeit inhaftiert worden waren; 32 davon starben an der Misshandlung und den unmenschlichen Haftbedingungen. Das Regime unterschied sich aber auch substanziell von anderen faschistischen Regimen. Inwiefern das Regime des Estado Novo genau als faschistisch einzuschätzen ist, ist daher unter Fachleuten umstritten. So pflegte das Regime etwa ein ambivalent-positives Verhältnis zum Katholizismus, indem es zwar verhinderte, dass die Kirche Einfluss auf den Staat nahm, aber Kircheneinfluss (bspw. kirchliche Soziallehre) auf die Bevölkerung förderte. Die katholische Kirche genoss eine gewisse Unabhängigkeit. Einige sprechen daher von einer Art von Klerikal-Faschismus. Salazar (und später Cataeno) wurden zwar durchaus medienwirksam als zentrale Figuren des Staates dargestellt, aber es gab keinen Personenkult um sie (als Führer- und Rettergestalt). Das Regime entpolitisierte sogar die Bevölkerung, es gab also keine faschismustypischen Massenmobilisierung der Bevölkerung für das Regime. Deswegen nannte bspw. der Politologe Manuel de Lucena den Estado Novo einen „einen Faschismus ohne faschistische Bewegung“. Der Estado Novo suchte auch einen gewissen Schulterschluss mit anderen europäischen Faschismusbewegungen, und unterstützte Franco in seinem Bürgerkrieg 1936 mit Truppen. Im Zweiten Weltkrieg aber war Portugal neutral und trieb Handel mit beiden Seiten. NS-Deutschland stand der Estado Novo skeptisch gegenüber. Diese besondere Faschisierung Portugals fand vor allem zwischen 1936 und 1939 statt und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg graduell abgebaut. (Anm. d. Red.)
Die koloniale Revolution
Der Krieg in den Kolonien stürzte Portugal in eine chronische Krise. Ein Land mit zehn Millionen Einwohner:innen, das mit dem europäischen Wohlstand der 1960er Jahre nicht mehr Schritt halten konnte und durch die Auswanderung junger Menschen, die vor dem Militärdienst und der Armut flüchteten, ausgeblutet war, konnte nicht auf unbestimmte Zeit eine Besatzungsarmee mit Zehntausenden von Männern in einem Krieg in Afrika unterhalten.
Die Schwäche der Regierung von Marcelo Caetano war so gross, dass sie innerhalb weniger Stunden wie verfaulte Früchte fallen würde. Die Nation war durch den Krieg erschöpft. Durch die Tür, die die antiimperialistische Revolution in den Kolonien geöffnet hatte, würde die politische und soziale Revolution in die Metropole eindringen.
Mehr als zehntausend Menschen starben, nicht mitgezählt die Verwundeten und Verstümmelten, deren Zahl in die Zehntausende geht. Aus dieser Wehrpflichtarmee ging einer der entscheidenden politischen Akteure des revolutionären Prozesses hervor: den MFA. Als Reaktion auf die Radikalisierung des Mittelstands in den Grossstädten und auf den Druck der Arbeiter:innenklasse, aus der ein Teil des Mittelstands stammte, brachen sie, kriegsmüde und freiheitsliebend, mit dem Regime.
Dieser soziale Druck erklärt auch die politischen Grenzen des MFA selbst und hilft uns zu verstehen, warum sie nach dem Sturz von Caetano die Macht an Spínola übergab [Staatsoberhaupt Marcelo Caetano dankte nur ab unter der Bedingung, dass die Macht während einer Übergangsregierung an eine nicht-linke Person wie António Spínola übergeht; Anm. d. Red.].
Ab dem 11. März aber würde schliesslich sogar Otelo [Otelo Saraiva de Carvalho war zentraler Stratege des MFA; Anm. d. Red.] die Idee verteidigen, den MFA in eine nationale Befreiungsbewegung umzuwandeln, nach dem Vorbild der militärischen Bewegungen in peripheren Ländern wie Peru zu Beginn der 1970er Jahre, und zog mit beunruhigender Offenheit Bilanz: „Dieses tief verwurzelte Gefühl der Unterordnung unter die Hierarchie, das Bedürfnis nach einem Chef, der über uns steht und uns auf den ‚guten‘ Weg führt, wird uns bis zum Ende verfolgen.“[2] Dieses Bekenntnis bleibt einer der Schlüssel zur Interpretation dessen, was als PREC (processo revolucionário em curso; fortlaufender revolutionärer Prozess) bekannt werden würde, mit anderen Worten, der zwölf Monate, in denen Vasco Gonçalves [PCP-nahes MFA-Mitglied; Anm. d. Red.] an der Spitze der zweiten, dritten, vierten und fünften provisorischen Regierung stand. Ironischerweise überliess also gerade ein Teil der Linken in der Zeit, in der viele Kapitäne dazu neigten, den Generälen zu viel Vertrauen zu schenken, die Führung des Prozesses auch den Kapitänen oder der Formel der Einheit der Bevölkerung mit dem MFA, wie sie vom PCP verteidigt wurde.
Drei Phasen des Entwicklungsprozesses
Der Sturz des Regimes war der Eröffnungsakt einer politischen Phase tieferer Radikalisierung der Bevölkerung – einer vorrevolutionären Situation –, in der Erfahrungen der Selbstorganisation gesammelt wurden. Wir können den Prozess an drei jeweils immer stärker radikalisierten Etappen auf der Linken unterteilen:
(a) von April 1974 bis zum 11. März 1975: Es entstand eine vorrevolutionäre Situation, die derjenigen des russischen Februars 1917[3] ähnelte, in der die demokratischen Freiheiten und der Waffenstillstand in Afrika garantiert waren, wodurch zwei Putsche und das spinolistische Projekt der Konsolidierung eines Präsidialregimes vereitelt wurden;
(b) zwischen dem 11. März und Juli 1975: eine revolutionäre Situation, die derjenigen des russischen Oktobers 1917 ähnelt, mit der grossen Flucht der Bourgeoisie, der Verstaatlichung einiger der grössten Unternehmen, der Anerkennung der Unabhängigkeit – ausser in Angola – und der umfassenden Ausdehnung der Selbstorganisation der Massen, insbesondere in der Armee, aber ohne dass die Doppelherrschaft im Zentrum stünde;
(c) schliesslich die revolutionäre Krise zwischen Juli und November 1975 mit der Spaltung des MFA, der Unabhängigkeit Angolas, der antikapitalistischen Radikalisierung, der Loslösung der Massen vom Einfluss der Sozialistischen Partei (PS) und der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP), der Bildung der Soldados Unidos Vencerão (SUV), der Selbstorganisation der Soldaten und Matrosen und den bewaffneten Demonstrationen, ein Vorzimmer einer sozialen Revolution, in dem eine Ablösung des Staates oder ein konterrevolutionärer Putsch unvermeidlich wurde.[4]
Die Bourgeoisie bereitet den Putsch vor
Der erste Putschversuch scheiterte am 28. September 1974: ein öffentlicher Aufruf von Spínola an die „schweigende Mehrheit“ verhallte. Einhundertfünfzig Verschwörer:innen wurden im Laufe des Tages verhaftet. Spínola wurde zum Rücktritt gezwungen, blieb aber unverletzt und übergab das Präsidentenamt an General Costa Gomes. Dieser übernahm so die Dritte Provisorische Regierung, Vasco Gonçalves blieb jedoch Premierminister. Die Kräfte des Neokolonialismusprojekts waren jedoch noch nicht erschöpft. Am 11. März 1975 versuchten sie [konservative und rechtsextreme Kräfte; Anm. d. Red.] mit der versuchten Bombardierung Lissabons erneut den „Kornilowschen“ Putsch.
Erneut brachten die Barrikaden Tausende auf die Strasse. Am nächsten Tag wurden angesichts der bürgerlichen Panik die wichtigsten Banken verstaatlicht. Der zweite Putschversuch war der letzte verzweifelte Versuch der bürgerlichen Fraktion gewesen, die gegen die sofortige Unabhängigkeit der Kolonien war.
Viele gingen später nach Brasilien, wo Geisel [Ernesto Geisel war Präsident während der rechtsextremen brasilianischen Militärdiktatur; Anm. d. Red.] sie beherbergte. Die Bankangestellten traten daraufhin in einen politischen Streik und übernahmen die Kontrolle über das Finanzsystem. Der MFA gründete den Revolutionsrat und verfügte die Verstaatlichung der sieben wichtigsten portugiesischen Bankengruppen. Andere folgten, wie Versicherungen, Stahl, Zement usw. Viele Unternehmen wurden von den Arbeiter:innen übernommen. Ein Grossteil der Bourgeoisie geriet in Panik und verliess angesichts der Ungewissheit das Land.
Die Vierte Provisorische Regierung wurde am 26. März 1975 eingesetzt. Afrika war verloren. Und die Bourgeoisie begann auch in den Metropolen das Schlimmste zu befürchten. Sie orientierte sich eilig neu auf das europäische Projekt. Der Wiederaufbau der staatlichen Autorität, angefangen bei den Streitkräften, war nun die Priorität. Das komplexeste Problem blieb jedoch ungelöst: man musste die politische Repräsentation improvisieren, die Mehrheit des Bürgertums für sich gewinnen und die Arbeiterschaft besiegen.
Da Spínola nicht mehr als Trumpfkarte dienen konnte und der Partido Popular Democrático (PPD) und das Centro Democrático Social (CDS) durch ihre Verbindungen zu Spínola geschwächt waren, verfügte die Bourgeoisie über keine direkten Instrumente – abgesehen von einem Teil der Presse und ihrem Gewicht in den oberen Rängen der Streitkräfte – und musste auf den Druck der europäischen und US-amerikanischen Bourgeoisie hin auf die Sozialdemokratie und die Sowjetunion zurückgreifen, um die Sozialistische Partei (PS) und vor allem die Portugiesische Kommunistische Partei (PCP) zu beeinflussen.
Die Kolonialpolitik des Estado Novo und der Mythos vom gutartigen Kolonialismus
Der Estado Novo übernahm im Wesentlichen die Kolonialpolitik der Militärdiktatur seit 1926, aus der der Estado Novo sich graduell entwickelte. Die Kolonialideologie des Estado Novo lässt sich gut am 2. Artikel des Acto Colonial verdeutlichen, der 1930 unter Salazar als Innenminister für die Kolonien angenommen worden war und als Verfassungsrecht in den Kolonien galt: «Es ist das Wesen der portugiesischen Nation, ihre historische Aufgabe zu erfüllen und Gebiete in Übersee zu besitzen, zu kolonialisieren sowie die dort lebenden Eingeborenen zu zivilisieren.» In den portugiesischen Kolonien Mosambik, Angola und Guinea-Bissau war Zwangsarbeit ein zentraler Pfeiler des portugiesisch-kolonialen Wirtschaftssystems. Die einheimischen Bäuer:innen, die sogenannten Indigenen, wurden unterdrückt und gezwungen, Produkte anzubauen, die ihnen zu Billigstpreisen abgekauft wurden. Auf diese Weise wurde die gesetzliche Abschaffung der formalen Zwangsarbeit durch das Arbeitsgesetz 1928 umgangen. Erst nach Ausbruch des Kolonialkrieges 1961 wurde rassialisierte Zwangsarbeit auch tatsächlich abgeschafft. Die Bevölkerung wurde (mit Ausnahme von den Kap Verden) in den afrikanischen Kolonien Portugals rassistisch nach drei Kategorien unterteilt: weisse portugiesische Siedler:innen, Indigene und sogenannte „Assimilierte», also Indigene, die den Katholizismus angenommen und die portugiesischen Sprache und Bräuche übernommen hatten und dies unter Beweis gestellt hatten. Die portugiesische Anthropologie war noch Mitte des 20. Jhdt. stark von rassistischem Biologismus geprägt. Kongresse wie derjenige der Kolonialanthropologie 1934 oder derjenige der zur Portugiesischen Welt 1940 boten pseudo-wissenschaftliche Grundlagen für effektive Gesetzgebung und Umgangsformen in den Kolonien. Diese Vorstellungen und Machtverhältnisse wurden auch in Schulbüchern reproduziert. Und mit Kinofilmen, in denen Schwarze für Weisse arbeiten, wurde zudem die Auswanderung beworben. Ethnische Vermischung wurde aber nicht gefördert. Die allgemeine Diskreditierung der Rassenlehre und das allgemeine Ansehen der nationalen Souveränität nach dem Zweiten Weltkrieg hatte es für den Estado Novo unmöglich gemacht, koloniale Gewalt durch vermeintlich rassische Überlegenheit zu rechtfertigen. Die Reichsidee, die vor allem in der Zwischenkriegszeit wirksam war, wurde durch ein assimilatorisches Konzept ersetzt, nach welchen die Kolonien mit dem Mutterland Portugal zusammen eine Nation bildeten. In den 1950ern wurde daher der Begriff des Lusotropikalismus, einer Pseudotheorie des brasilianischen Sozialwissenschaftlers Gilberto Freyre über die Beziehung Portugals zu seinen Kolonien (nachdem die Portugies:innen schon verschiedene Einflüsse, etwa aus Nordafrika erhalten hatten, hätten sie natürlicherweise dazu geneigt, sich freundschaftlich mit anderen Bevölkerungen physisch und kulturell zu vermischen), in nationalistischer Weise abgeändert und übernommen. Damit sollte vor allem aber auch das Verwaltungspersonal in den Kolonien, die Siedler:innen und die portugiesische Bevölkerung allgemein überzeugt werden, dass der eigene Kolonialismus humaner sei als derjenige anderer Länder und quasi dem Schaffen einer grossen multi-ethnischen portugiesischen Ökumene diene. An der kolonisatorischen Praxis änderte sich aber erst ab 1961 wirklich etwas. (Anm. d. Red.)
Die Stunde des Höhenflugs
Nach dem 11. März kam ein zweiter Frühling der Utopien. Lissabon schien die freieste Hauptstadt der Welt zu sein. Die Arbeiter:innen forderten die Unabhängigkeit der Kolonien, die Rückkehr der Soldaten, Freiheit in den Betrieben, Löhne, Arbeit, Land, Bildung, Gesundheit und Wohlfahrt. In der Hitze des Kampfes lernten sie auch, dass sie ohne Enteignung nicht gewinnen konnten. Es begann also die Phase des so genannten „Assemblyism“, der Herausbildung einer Doppelmachtsituation. In Wellen aufeinander folgender Kämpfe entstanden Arbeiter:innenausschüsse (comissões de trabalhadores) in allen grossen und mittleren Unternehmen wie der Companhia União Fabril (CUF) – die alleine schon 186 Fabriken umfasste, die meisten davon in Barreiro, der Industriestadt auf der anderen Seite des Tejo. Champalimaud, einer der einflussreichsten Führer der Bourgeoisie, reagierte hierauf mit der Erklärung, dass „die Arbeiter derzeit zu frei sind „[5].
Die Kirche blieb von der Wut des revolutionären Prozesses nicht verschont. In Lissabon verliessen die jungen Leute die Kirchen. Jene Kirche, die jahrzehntelang mit dem Salazarismus assoziiert worden war – zu der Zeit, als Kardinal Cerejeira die rechte Hand des Regimes war –, war nun in den Augen breiter Gesellschaftsschichten, vor allem auch in den Augen des Südens des Landes, völlig delegitimiert. Zudem wurden die Medien besetzt. Am 27. Mai besetzten die Mitarbeiter von Rádio Renascença die Studios und das Sendezentrum. Der Name „Katholische Rundfunkanstalt“ wurde aufgegeben. Der Sender begann mit der Ausstrahlung von Sendungen zur Unterstützung der Kämpfe der Arbeiter:innen.
Die Arbeiter:innen von Lisnave gingen mit gutem Beispiel voran – sie waren die „Putilows“ der portugiesischen Revolution –, indem sie Streikposten organisierten, um ihre Gewerkschaft zu besetzen/ blockieren [die Putilowwerke in St. Petersburg waren eine Speespitze der Russischen Revolution 1917; Anm. d. Red.] .
Im Nordosten Lissabons streikte Sorefame, eine der grössten Metallproduktionen und somit eine der grössten Arbeiter:innenkonzentrationen des Landes – sozusagen Lissabons „Wyborg“ oder „East Village und Alphabet City neighbourhoods“ [Arbeiter:innenbezirke in St. Petersburg bzw. New York; Anm. d. Red.]. Ebenso streikten Toyota, Firestone, Renault, Carris (Busfahrer:innen), TAP (Fluggesellschaft) und CP (Eisenbahner:innen), aber auch im Landesinneren, etwa bei den Textilarbeiter:innen von Covilhã oder in den Minen von Panasqueira.
Aber die Welle der Selbstorganisation – die Bildung von Arbeiter:innenausschüssen in den Betrieben –, die die revolutionäre Dynamik der Situation vertiefte, rief die Reaktionen hervor. Die Gewerkschafter:innen der PCP (Kommunistischen Partei Portugals) beklagten bitter: „Die Streikenden machen sich über die traditionellen Kampfformen lustig, sie versuchen nicht einmal zu verhandeln, und manchmal beschliessen sie, den Streik abzubrechen, noch bevor sie die Liste der Forderungen aufgestellt haben. In vielen Fällen fordern die Arbeiter:innen nicht nur mehr Geld, sondern werden direkt aktiv, versuchen, die Entscheidungsgewalt an sich zu reissen und eine Mitbestimmung einzuführen, ohne dazu bereit zu sein.“[6]
Selbst als die PCP ihre ganze Macht einsetzte, um die Streiks einzudämmen, kam es zu Landbesetzungen im Alentejo und zu Besetzungen von unbewohnten Häusern in Lissabon und Porto; die „Sanierungen“ – der Euphemismus für die Ausweisung von Faschist:innen – wurden in den meisten Betrieben durchgeführt, beginnend mit dem öffentlichen Dienst, und der Druck der Student:innen an den Universitäten erzwang beratende Versammlungen.
Die gesamte alte Ordnung schien zu kollabieren. „Die Einführung des nationalen Mindestlohns betrifft mehr als 50 Prozent der nichtlandwirtschaftlichen Lohnempfänger:innen. Es waren die am wenigsten qualifizierten Arbeiter:innen, die Frauen, die am meisten Unterdrückten, die bei der Eroberung der Kaufkraft und der sozialen Rechte an vorderster Front standen. Die Kaufkraft der Lohnempfänger:innen stieg 1974 und 75 um 25,4%; die Löhne, die 1974 bereits 48% des Volkseinkommens ausmachten, stiegen 1975 auf 56,9%. Die Eigentumsstruktur ändert sich: 117 Unternehmen wurden verstaatlicht, 219 andere erhielten eine Staatsbeteiligung von mehr als 50%, 206, die 55’000 Arbeiter:innen beschäftigten, wurden staatlich bezuschusst; 700 Unternehmen, die 30’000 Arbeiter:innen beschäftigten, wurden in die Selbstverwaltung überführt.“[7]
Jede Revolution hat ihr eigenes Vokabular. Man könnte sagen, in dem Masse, in dem das politische Pendel nach links ausschlägt, wandert der Diskurs der Rechten in die Mitte und der der Mitte nach links. Die politische Diskrepanz zwischen Worten und Taten macht die tatsächlichen Positionen der Wahlparteien unkenntlich. Aber in Portugal haben die bürgerlichen Kräfte das Unvorstellbare vollbracht. Von der PPD von Sá Carneiro (liberaler Konservativismus) über ihre heutige Erbin, die seit 1976 PSD heisst, bis hin zur monarchistischen Volkspartei (PPM) haben sie alle eine Form des Sozialismus für sich reklamiert, was die sprachliche Ausformung der Verfassung [vom 2. April 1976] erklärt, die noch heute Erstaunen hervorruft. [Die ursprüngliche Verfassung von 1976 beschrieb die Dritte Republik in ihrem 1. Artikel als „im Übergang zu einer klassenlosen Gesellschaft“ begriffen und formulierte entsprechend im 2. Artikel den „Übergang zum Sozialismus“ als ihr Ziel. Die verfassungsmässigen Änderungen 1982 und 89, die die einzige formal sozialistische Verfassung Westeuropas doch kapitalismuskonform machten, formalisierten allerdings eher die schon kurz nach der Nelkenrevolution eingetretene Reprivatisierung von Unternehmen; Anm. d. Red.]
Der heisse Sommer 1975 (crise de 25 de novembro de 1975)
Nach dem Sturz des faschistischen Estado Novo am 25. April 1974 kam es in der Übergangsphase zu heftigen Spannungen mit der 6. Provisorischen Regierung. Grund waren zum einen wirtschaftliche Probleme in der unmittelbaren Übergangszeit. Nachdem das Arbeitsministerium die sektorbezogenen Forderungen von zehntausenden Bauarbeiter:innen nicht erfüllen wollte, die in Lissabon vom 12. November 1975 weg zwei Tage lang den Tagungsort der verfassungsgebenden Versammlung bestreikt hatten, radikalisierten sich die Bauarbeiter:innen aber auch politisch. Sie wandten sich grundsätzlich gegen die 6. Übergangsregierung und zwangen sie zur vorübergehenden Suspendierung. Hierauf setzte eine Militärbewegung ein, um die allgemein fragile Autorität der jungen repräsentativen Demokratie zu stabilisieren; mit Sympathien der Bäuer:innen im Norden des Landes.
Auch der MFA war über die Ziele der Nelkenrevolution gespalten. Auf der einen Seite suchte die bürgerlich-gemässigte Gruppe der Neun innerhalb des MFA (grupo dos nove) den Schulterschluss mit den Sozialdemokraten (PS) und der politischen Rechten, und auf der anderen Seite bildete sich eine zweite Tendenz aus den links-aussen stehenden Segmenten im Militär heraus, die eher der Kommunistischen Partei Portugals (PCP) nahestand. Der Gruppe der Neun veröffentlichte am 7. August ein Dokument (Documento Melo Antunes), um sich von den Thesen des Volks-MFA-Bündnis vom 8. August 1975, die revolutionär gestimmt waren und die Kontrolle der Produktionsmittel anstrebten, zu distanzieren. Die Gruppe propagierte darin die Gründung eines pluralistischen und überparteilichen repräsentativ-demokratischen Staates, um so über einen Dritten Weg zum Sozialismus zu gelangen. Die Gruppe grenzte sich damit sowohl vom bürokratisch-autoritären UdSSR-Modell und von revolutionären Avantgarde-Konzepten ab, die die Gruppe als opportunistisches Instrumentalisieren der Gesamtbevölkerung durch eine schmale Garde betrachtete, als auch von der westlichen Sozialdemokratie, damit nicht auch in Portugal die Muster des fortgeschrittenen Kapitalismus reproduziert würden. Die Gruppe wollte zudem die Entwicklungen nach dem Regimeumsturz stabilisieren, indem die angestammten Institutionen re-etabliert würden.
Unter der Schriftleitung von Otelo Saraiva de Carvalho verfassten daraufhin links-aussen stehende Offiziere (einige mit Verbindung zu COPCON, dem Offizierskommando zur Erfüllung der Ziele vom 25. April 1974, sowie zwei Führer:innen des PRP-BR) ein Gegendokument (Autocrítica revolucionária do Copcon) für ein politisches Programm, worin eine Republik auf Grundlage basisdemokratischer Herrschaft der Bevölkerung vorgeschlagen wurde. Der linkskommunistische Partido Revolucionário do Proletariado (PRP-BR), der linkssozialistische Movimento de Esquerda Socialista (MES) und die maoistische União Democrática Popular (UDP) unterstützten diesen Vorschlag.
Am 25. November 1975 versuchte der linke Flügel des MFA einen Staatsstreich, indem Fallschirmspringer Luftwaffenstützpunkte und die Luftwaffenschule besetzten, um die Entwicklung Richtung Sozialismus zu garantieren. Die Gruppe der Neun hatte schon zuvor Ramalho Eanes mit der Ausarbeitung von Plänen beauftragt, um einen möglichen Staatsstreich unter der Führung links-aussen stehender Offiziere zu verhindern. Und ab dem 25. November antwortete die Gruppe der Neun unter der Verantwortung von Ramalho Eanes erfolgreich mit einem militärischen Gegenputsch. In der Folge wurde das links-aussen Offizierskommando (COPCON) aufgelöst und einheitliche Disziplin in der Armee hergestellt. Damit war der Linksdrall der Nelkenrevolution beendet, und die bürgerliche Ordnung würde nach und nach stabilisiert. Am 28. November 1975 nahm die 6. Provisorische Regierung ihre Amtsgeschäfte wieder wahr. Die erfolgreiche Durchführung des Gegenputsches würde Ramalho Eanes zudem den Aufstieg zum Generalstabschef der Armee und am 14. Juli 1976 zur Wahl zum erstem verfassungsmässigen Präsidenten der Dritten Republik eröffnen. Anm. d. Red.
Die verfassungsgebende Wahl
Die vom Fall von Spínola[8] eröffnete Situation brachte nun grössere und gefährlichere Herausforderungen mit sich. Die Bourgeoisie forderte Ordnung und vor allem die Achtung des Privateigentums. Angesichts dieses Drucks trennten sich auch die Wege der PS (Sozialdemokratische Partei) und der PCP, die einzigen politischen Kräfte, die neben dem MFA Autorität über die provisorischen Regierungen verfügten, und die bei weitem die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hatten. Sie verursachten so eine unheilbare Spaltung der Arbeiter:innenschaft.
Ein Jahr nach dem 25. April 1974 sorgten die Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung für eine Überraschung. Die PS war der grosse Gewinner mit spektakulären 37,87%. Die PCP enttäuschte mit nur 12,53%. Es zeigte sich so eine Kluft zwischen der Stärke ihrer Mobilisierungsweite in der Gesellschaft und ihrer elektoralen Stärke. Die PPD, jetzt PSD genannt, von Sá Carneiro – in den Strukturen des Salazar-Regimes einst noch ein liberaler Spitzenpolitiker – erreichte mit 26,38% den zweiten Platz. Die CDS (ganz rechts, unter der Führung von Freitas do Amaral), die Portugiesische Demokratische Bewegung (MDP) – ein Ableger der PCP und die „albanisch“ inspirierte UDP (die marxistisch-leninistische União Democrática Popular) schafften es ebenfalls ins Parlament.
Drei Visionen und drei Legitimierungsansprüche prallten nun aufeinander. Und diese Spaltung zog sich auch durch den MFA. Es bildeten sich drei Lager heraus: die Regierung Vasco Gonçalves mit der PCP, die von der Mehrheit des MFA unterstützt wurde; Soares vom PS, der sich auf die Autorität der Wahlergebnisse stützte und die Unterstützung der Vereinigten Staaten und Europas sicher hatte; und das subjektiv schwächste, aber am meisten gefürchtete, weil antikapitalistische Lager, das aus den Keimzellen der Bevölkerungsmacht entstanden war.
Am 25. November 1975 brach in den Fallschirmjägerkasernen eine Militärrebellion aus. Dies provozierte die sechste Provisorische Regierung unter Admiral Pinheiro de Azevedo, der im August Oberst Vasco Gonçalves als Vorsteher des Kabinetts abgelöst hatte. Die Regierung wollte das nicht hinnehmen und setzte die Auflösung der entsprechenden Militäreinheit durch. Dies war das Signal für einen militärischen Gegenputsch unter der Führung von Ramalho Eanes, der von allen reaktionären und konterrevolutionären Kräften unterstützt wurde. Im April 1976 wurde Eanes mit der Unterstützung des PS von Soares zum ersten Präsidenten der Dritten Republik nach den Übergangskabinetten gewählt. [António Ramalho Eanes war ebenfalls Mitglied des MFA gewesen, entmachtete 1975 aber die linksaussen Fraktion im MFA um Otelo Saraiva de Carvalho. Eanes versuchte als Präsident vor allem, bürgerliche Aspekte der Nelkenrevolution zu bewahren, und wird deswegen von linksradikalen Kräften als Verräter an den Idealen des MFA betrachtet; Anm. d. Red.] Die revolutionäre Situation war somit beendet.
Übersetzung durch Redaktion BFS
Quellenverzeichnis:
[1] Ainda hoje “não se sabe quantos informadores teria a DGS, em 1974“. O Serviço de Coordenação da Extinção da PIDE/DGS e Legião Portuguesa (que ficou conhecido por “Comissão de Extinção”) calculou 20 000. Kenneth Maxweel, historiador, citando um “documento encontrado em Caxias” apresentou esta contabilidade: 1 em cada 4000 portugueses “teria recebido (…) pagamentos da PIDE/DGS por informações prestadas”.
[2] CARVALHO, Otelo Saraiva de, Memórias de Abril, Los preparativos y el estallido de la revolución portuguesa vistos por su principal protagonista, Barcelona, Iniciativas Editoriales El Viejo Topo, s/data, p.163.
[3] As discussões dos tempos da revolução e dos critérios para aferição das relações sociais de força pode ser encontrada em meu livro As esquinas perigosas da
[4] Uma fascinante tese sobre o Vinte e Cinco de Abril com inspiração na sugestão braudeliana sobre as longas durações atribui às pressões de uma situação internacional interpretada como adversa e ao atraso material, cultural e político do país, a explicação para seus resultados: “Portugal não revolucionou as estruturas profundas de sua organização socioeconômica (…). A democracia liberal que Portugal nunca havia conhecido de fato, esta sim se instalou, e o liberalismo e o republicanismo do século XIX precisaram, paradoxalmente, da retórica socialista para se implantarem.” Lincoln Secco. A Revolução dos Cravos. São Paulo: Alameda, 2004, p. 153.
[5] hampalimaud em declaração ao matutino Diário de Notícias, Lisboa, 25 jun. 1974 apud LOUÇÃ, Francisco. 25 de abril, dez anos de lições. Ensaio para uma revolução. Lisboa: Cadernos Marxistas, 1984, p. 36.
[6] Canais Rocha ao Diário de Lisboa, em 24 jun. 1974, apud LOUÇÃ, Francisco. 25 de abril, dez anos de lições. Ensaio para uma revolução. Lisboa: Cadernos Marxistas, 1984, p. 36.
[7] LOUÇÃ, Francisco. 25 de abril, dez anos de lições. Ensaio para uma revolução. Lisboa: Cadernos Marxistas, 1984, p. 35.
[8] Auf Druck des MFA dankte das letzte Staatsoberhaupt des Estado Novo, Marcelo Caetano, ab unter der Bedingung, dass die Macht an den gemässigten General und Politiker António Spínola überging. Der MFA willigte ein und Spínola war von April bis September 1974 erster Präsident der Übergangsregierung einer Gruppe portugiesischer Offiziere (Junta de Salvação Nacional), die die staatliche Ordnung nach dem Staatsstreich der Nelkenrevolution vom 25. April 1974 aufrechterhielt. Am 30. September 1974 trat Antonio de Spínola von seinem Amt als Präsident der Republik zurück. In den folgenden Monaten hielt der General engen Kontakt zu politischen und militärischen Persönlichkeiten um in die Politik zurückzukehren. Nach und nach hielt Spínola eine legale Wahl für unmöglich und näherte sich stattdessen rechtsgerichteten Kreisen an, die den Linkschwung rückgängig machen wollten, um am 11. März 1975 einen Staatsstreich zu verüben, der aber scheiterte. Anm. d. Red.