Am Samstag, 23. Juni 2018 demonstrieren in Zürich BauarbeiterInnen aus der ganzen Schweiz gegen die aktuellen Angriffe der Baumeister auf die Arbeitsbedingungen. Im Fokus der Angriffe stehen die Frühpensionierung und der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) auf dem Bau.
von BFS/MPS
Die Zurückhaltung, Unfähigkeit und Verwirrung der Gewerkschaftsführungen der letzten Jahre haben die Bauarbeiter in die schwierige Situation geführt, in der wir uns heute befinden. Auf der einen Seite fordern die Baumeister große Veränderungen auf GAV-Ebene, vor allem im Hinblick auf eine größere Flexibilität der Arbeitszeiten sowie auf die Möglichkeit, die Löhne älterer BauarbeiterInnen (die als „nicht mehr produktiv“ gelten) zu senken. Auf der anderen Seite schlagen die Baumeister vor, das Frühpensionierungsalter auf 62 Jahre zu erhöhen oder eine Rentensenkung um 30% durchzusetzen, um die – durchaus realen – Probleme bei der Finanzierung des Flexiblen Altersrücktritt (FAR) zu lösen. Dies nachdem schon Ende 2015 Anpassungsmaßnahmen nötig waren. Kurz: Die Baumeister wollen die finanziellen Probleme des FAR buchstäblich auf dem Rücken der BauarbeiterInnen lösen.
Gewerkschaftliche Stärke wiederherstellen!
Gewerkschaften und ArbeiterInnen befinden sich dadurch in einem doppelten Würgegriff. Gleichzeitig haben sie in den letzten Jahren keine Strategien ausgearbeitet, damit dieser Doppelangriff abgewehrt werden kann. Das Kräfteverhältnis ist heute dazu sehr ungünstig. Der brutale Anstieg des Arbeitstempos auf den Baustellen und die psychische und physische Abnutzung der BauarbeiterInnen, die daraus entsteht, führen dazu, dass der Eintritt in den Ruhestand mit 60 Jahren mit einer angemessenen Rente zu einem unverzichtbaren Recht geworden ist.
Des Weiteren erleidet jede/r fünfte BauarbeiterIn während seines Lebens einen schwerwiegenden Arbeitsunfall. Ein Drittel aller tödlichen Arbeitsunfälle und solche, die zu schwerer Invalidität führen, ereignen sich jedes Jahr auf den Baustellen. Die Zunahme schwerer Unfälle hängt direkt mit dem ständig erhöhten Arbeitstempo, dem sich ausbreitenden Subunternehmertum und der zunehmenden Temporärarbeit zusammen. Die fehlende Sicherheit wird nicht einfach mit «Listen von zu vermeidenden Gefahren» und «Verboten ähnlich einer Straßenverkehrsordnung» erhöht, wie es die Baumeister vorzugeben versuchen. Ein prioritäres Ziel für die Gewerkschaften und solidarischen Aktivist*innen sollte es sein, die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen zu kontrollieren und gegebenenfalls eine Sicherheitscharta aufzustellen, die sich auf die Erfahrungen der BauarbeiterInnen und gegebenenfalls auf die Unterstützung von unabhängigen ExpertInnen stützt. Das Leben am Arbeitsplatz und nach der Arbeit muss gemeinsam verteidigt werden.
Nur durch gemeinsame, entschlossene Mobilisierungen der BauarbeiterInnen in der ganzen Schweiz – wie in den Streik- und Blockadeaktionen 2001 und 2002, mit denen das Rentenalter 60 erkämpft wurde – wird es möglich sein, die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen zu verbessern und die Errungenschaft der Frühpensionierung zu verteidigen.
Die BauarbeiterInnen kämpfen für alle Lohnabhängigen!
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die Mobilisierung der BauarbeiterInnen in jeder Hinsicht zu unterstützen. Dies vor allem aus zwei Gründen:
Erstens um die grundlegende Solidarität zwischen den Lohnabhängigen aus verschiedenen Bereichen zu stärken. Die Schwächung des Landesmantelvertrags (Bau-GAV), der für die Schweiz immer noch einen Fortschritt darstellt, ist nie hilfreich für die allgemeine Sache der Lohnabhängigen. Fortschrittliche Gesamtarbeitsverträge sind vor allem für diejenigen Sektoren ein wichtiges Signal, in denen die Arbeitsbedingungen praktisch nur vom Schweizer Arbeitsrecht definiert sind (beispielsweise die Rente mit 63 oder 65 Jahren, kein Mindestlohn und so weiter) und in denen damit praktisch kein ArbeiterInnenschutz existiert. Der Landesmantelvertrag zeigt, dass es auch anders sein könnte.
Zweitens ist die Verteidigung der Frühpensionierung für BauarbeiterInnen ein wichtiger politischer Bezugspunkt für alle Lohnabhängigen in diesem Land. In einem schweizerischen und internationalen Kontext, in dem die Unternehmer um jeden Preis versuchen das allgemeine Rentenalter anzuheben sowie die Renten, allen voran in der zweiten Säule, und somit unsere indirekten Löhne anzugreifen, ist die Verteidigung der erkämpften Errungenschaften auf dem Bau umso wichtiger.
Gegen die Lügen der Unternehmen!
Die Frühpensionierung auf dem Bau ist ein Beweis dafür, dass es eine materielle Möglichkeit gibt, die Arbeit unter menschenwürdigen Bedingungen viel früher einzustellen, als es die Bosse und ihre politischen VertreterInnen gerne hätten. Die Regelung widerspricht dem allgemeinen Dogma der Unternehmer, dass es unmöglich sei, angesichts der alternden Bevölkerung und der Digitalisierung der Wirtschaft, das Rentenalter nicht anzuheben, und dass die Pensionierung mit 67 Jahren schon bald für alle gelten wird.
Trotz allen Schwierigkeiten zeigt der FAR auf dem Bau, dass es möglich ist das derzeitige Renteneintrittsalter deutlich zu senken – sofern denn dafür gekämpft wird. Das Rentenalter 60 ist deshalb ein Beispiel, das es zu verteidigen und vor allem zu wiederholen gilt.
Dieser Text wird an der Demonstration der BauarbeiterInnen in Zürich als Flugblatt in vier Sprachen verteilt.
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