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USA: Perspektiven von BlackLivesMatter unter Trump

In den letzten Jahren war die BlackLivesMatter-Bewegung in den USA auch in Europa und den hiesigen Medien immer wieder ein Thema. Seit dem Amtsantritt von Donal Trump gerieten plötzlich andere soziale Bewegungen, wie diejenigen der Frauen rund um den Women’s March am 21. Januar 2017, in den Fokus. Wir haben deshalb Khury Petersen Smith, Aktivist von BlackLivesMatter und der International Socialist Organization (ISO) aus Bosten, unter anderem gefragt, wie es überhaupt zu Trumps Wahl kommen konnte, wie es aktuell um die BlackLivesMatter-Bewegung steht und welche Perspektiven sie unter Trumps Präsidentschaft hat. Khury Petersen Smith wird zudem am 1. Mai 2017 in Zürich an einer Veranstaltung der BFS und des 1. Mai-Komitees teilnehmen. (Red.)
BFS: Die Wahl eines frauenfeindlichen Rassisten zum Präsidenten der USA verheisst nichts Gutes. Wie war das möglich? Und welche Rahmenbedingungen hat die Verwaltung unter Barack Obama geschaffen, die zur Wahl von Donald Trump geführt haben?
Khury Petersen Smith: Gleich zu Beginn möchte ich richtigstellen, dass Trump nicht wirklich zum Präsidenten gewählt wurde. Denn obwohl er die Volkswahl verloren und nur die Minderheit der Stimmen hinter sich versammelt hatte, wurde Trump vom antidemokratischen System des “Electoral College”, das noch aus der Zeit der Sklaverei stammt, zum Präsidenten gemacht. Die Tatsache, dass ein offener Fanatiker Präsident werden kann, ist tatsächlich schockierend. Auf der einen Seite muss Trumps Wahl vor ihrem historischen Hintergrund betrachtet werden, der albtraumhaften Geschichte des Landes. Es ist keine Premiere, dass das “Land of the free”, wie sich die USA gerne selbst darstellen, von bekennenden weissen Rassisten regiert wird. Dass ein Mann, der öffentlich mit seinen sexuellen Übergriffen an Frauen prahlt, trotzdem zum Präsidenten gewählt werden kann, ist stossend und hat unzählige Menschen empört. Vor allem enthüllt dies die unterdrückende Machtstruktur der Politik in den USA. Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Gewalt gegen Frauen und Homophobie werden als Probleme von Individuen wahrgenommen, die in deren Umwissenheit wurzeln. Dass ein Vertreter mit einer derart aggressiven politischen Haltung ins höchste Amt des Landes aufsteigen konnte, beweist, dass die Grundlage der Unterdrückung institutionalisert ist. Und diese Institutionen haben Trumps Aufstieg ermöglicht.

Khury Petersen Smith
Doch Rassismus, Sexismus, Islamophobie und Unterdrückung verschiedener Art sind keine Neuheiten in den USA. Die Erklärung steht noch aus, wie jemand, der diese Strukturen so offen vertritt, Präsident des Landes werden konnte – vor allem als Nachfolger des ersten schwarzen Präsidenten. Erklärungen gibt es viele, doch es muss betont werden, dass Trump eine Elite vertritt, die mit drastischen Mitteln den internationalen Machtverlust der USA eindämmen oder gar umkehren will.
Er führt das Argument ins Feld, dass die wohltätige Rolle der USA als Supermacht – der Aufbau und die Überwachung der Globalisierung der Wirtschaft, der Vorsitz in der Weltpolitik und die ständigen Militärpatrouillen rund um den Globus – auf Kosten des eigenen Landes geht. In seiner Forderung nach Rückkehr zu einem nationaleren Fokus der US-Politik bedient sich Trump eines alten rechten Mythos’: Die USA setzen ihre Ressourcen dafür ein, “anderen Ländern zu helfen” und “vernachlässigen sich selbst” dabei. Daher rührt der Slogan: “America first”. Trump spielt auch auf nationaler Ebene die neoliberale Karte: Privatisierung des Service Public, Deregulierung von Konzernen, Bekämpfung der Gewerkschaften und Senkung der Steuern für die Reichen. Seit über vierzig Jahren ist diese Politik verantwortlich für das Elend der amerikanischen Arbeiter*innenklasse. In dem er mit dem Finger auf Muslime, Latinas und Migrant*innen zeigt, wird Trump dieses Elend verstärken. Trumps Regierung hat also mit den rechtskonservativen Regierungen rund um die Welt vieles gemeinsam. Trump bedient sich einem offenen Fanatismus’, um Unterstützungprogramme für Frauen, Gelder für Behinderte, Arme und andere der verletzlichsten Mitglieder der Gesellschaft zu streichen oder zu kürzen. Obwohl die herrschende Klasse in den USA Trumps Fanatismus und sein verstörendes Verhalten auf Twitter und in der Öffentlichkeit missbilligt, kommt er ihnen als Rammbock gelegen, der eine Agenda zu einer noch stärkeren Ungleichheit durchdrückt. Doch muss am Ende auch auf eine gewisse Kontinuität zwischen Obama und Trump hingewiesen werden. Obama hat mehr Immigrant*innen ausgeschafft als irgendein Präsident vor ihm. Die USA haben während seiner Amtszeit mindestens sieben Länder bombadiert und Trump belegte fünf davon mit seinem Migrant*innenbann.
Die “Black Lives Matter”-Bewegung (BLM) ist eine Inspiration für viele Aktivistinnen, die weltweit gegen Rassismus, Sexismus und den Aufstieg der Rechtskonservativen kämpfen. Kannst Du uns etwas zur Bewegung sagen und dazu, was sich seit der Wahl von Donald Trump verändert hat?
Es ist heute schwer vorstellbar, aber während der meisten Jahre unter Obama, war die öffentliche Wahrnehmung zu Rassismus in den USA, dass wir in einer “post-rassischen” Gesellschaft leben würden. Der Aufstand in Ferguson als Folge der Ermordung von Michael Brown durch Polizisten im Jahr 2014 setzte dem Traum ein Ende. BLM zeigte auf, dass die hemmungslose Polizeigewalt gegen Schwarze die Speerspitze einer anhaltend rassistischen Gesellschaft ist. Diese Feststellung veränderte die öffentliche Diskussion über Rassismus tiefgreifend.
Diese ideologische Wende in der amerikanischen Gesellschaft ist das grösste Verdienst der Bewegung. Sie konnte Menschen im ganzen Land auf die Strasse bringen, um in militanten Aktionen auf den Rassismus gegen Schwarze aufmerksam zu machen. Die Wirkung von BLM überstieg ihren Organisationsgrad bei Weitem. Deshalb gelang es nicht, den Widerstand zu verstärken und – trotz der drohenden Repression durch den Staat – mehr Menschen zu mobilisieren. Wie andere Bewegungen hat auch BLM unter den Wahlen gelitten, weil Kraft aus dem Widerstand von der Demokratischen Partei aufgesogen wurde. Seit den lokalen Aufständen von Charlotte und Tulsa im Sptember 2016, als Folge von Polizeimorden an Schwarzen, konnte die BLM nicht mehr in grösserem Masse mobiliseren. Doch die Wirkung der Bewegung ist klar spürbar. Der Solidaritätsslogan “Black Lives Matter” ist sehr populär unter Progressiven und Linken. Die “Black Lives Matter”-Transparente, die von den Kirchen hängen, gehören in den Städten landesweit zum Strassenbild.
BLM hat auch die massiven Proteste gegen Trump massgeblich geprägt, Protest als politischen Ausdruck legitimiert und die Frage nach Unterdrückung in den USA früher wie heute wieder aufgeworfen. Die Sprechchöre von BLM gehören zu den meistgehörten der Anti-Trump-Proteste.
Seit der Wahl von Trump nehmen die sozialen Proteste sichtbar zu. Was hat dieser Widerstand für Perspektiven?
Die Proteste sind überwältigend und haben eine echte Chance. Es ist die grösste und breiteste Mobilisierung seit den 1970ern. Seit Ende der 1990er Jahre gab es zahlreiche Protestbewegungen: Gegen die Unantastbarkeit der Konzerne, den Einmarsch im Irak, für die Rechte der Immigrantinnen, gegen sexuelle Gewalt, für die gleichgeschlechtliche Ehe und natürlich Occupy 2011 und BLM ab 2014. Die aktuellen Proteste sind zwar von den früheren geprägt, zeigen aber auch eigene Züge. Sie konnten zum Beispiel unzählige Menschen bewegen, die zuvor noch nie protestiert hatten.
Darüber hinaus hat die Kandidatur von Bernie Sanders für viele eine Perspektive in Richtung Sozialismus gezeichnet. Die Unzufriedenheit mit der zutiefst ungleichen, gewalttätigen und nicht nachhaltigen Gesellschaft lässt sich in der gegenwärtigen Protestwelle spüren. Wir bauen zur Zeit Organisationen auf, die den Widerstand tragen können – und die Sozialist*innen sprechen ein Publikum an, das an Grösse alles, was wir in den vergangenen Jahrzehnten gesehen haben, bei Weitem übersteigt.
Übersetzung durch Sven Wilms.

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