Die Entrechtung von Menschen ohne Schweizer Pass schreitet an allen Fronten voran – auf geographischer, monetärer und rechtlicher Ebene. Bereits in sechs Zürcher Gemeinden dürfen abgewiesene Asylsuchende das Gebiet ihrer Gemeinde nicht mehr verlassen: Sie werden eingegrenzt. Ausländer*innen mit F-Ausweis werden von der Sozialhilfe des Kantons Zürich ausgeschlossen: Sie werden ausgegrenzt. Asylsuchende in den Schweizer Bundeszentren leben unter einem strikten Ausgangsregime: Sie werden eingeschlossen. Gegen diese fortschreitende Entrechtung von Geflüchteten setzen wir uns zur Wehr. An injury to one is an injury to all!
von BFS Zürich und BFS Jugend Zürich
Weltweite Entrechtung von Geflüchteten
Die Entrechtung von Geflüchteten ist weltweit zu einem zentralen Element der Migrationspolitik geworden. Nicht nur in der Schweiz, sondern überall. Unter Trump spitzt sich die Migrationspolitik in den USA weiter zu. Mauerbau, Visumsbeschränkung, Ausschaffungen. Alles Angriffe gegen Geflüchtete, die bereits unter Obama losgetreten wurden, aber jetzt ein neues, beängstigendes Ausmass annehmen.
Australien hatte als erstes Land damit begonnen im grossen Stil Geflüchtete ausserhalb der Landesgrenzen auf verschiedenen pazifischen Inseln zu internieren. Auch Europa setzt immer mehr darauf – durch Abkommen mit dem türkischen Autokraten Erdogan oder mit lybischen Warlords –, dass die Migration von Geflüchteten bereits ausserhalb der europäischen Grenzen kontrolliert wird. So werden globale Machtgefälle schamlos ausgenutzt, um ausserhalb der Grenzen dieser sogenannt demokratischen „Rechtsstaaten“ eine Politik der totalen Entrechtung durchzusetzen, ohne dafür geradestehen zu müssen.
Aber auch in Europa werden jedes Jahr über 600’000 Geflüchtete eingeschlossen und eingesperrt. In den „Hotspots“ in Griechenland werden Neuangekommene nach einer lebensgefährlichen Überfahrt (die sie nur antreten müssen, weil legale Fluchtrouten vollends fehlen) auf den Inseln festgehalten. Die Weiterreise wird ihnen verweht. In Ungarn werden Geflüchtete in isolierten Containerlagern von Stacheldraht umzingelt und gefangen gehalten. In England dürfen Geflüchtete die Camps nicht verlassen, bis der Asylentscheid gefallen ist, und müssen in den privatisierten, profitorientierten Internierungslagern – unter Bedingungen schamloser Ausbeutung – Arbeit verrichten, um ihr eigenes Gefängnis in Betrieb zu halten. Gleichzeitig baut die britische Regierung in Jamaica Gefängnisse, um Ausschaffungen zu vereinfachen. Das System „Fortress Europe“ und seine Pendants in anderen Weltteilen grenzt Menschen ein und aus, wo es nur möglich ist.
Die Entrechtung hat System
Denn jede Eingrenzung ist auch eine Ausgrenzung. Ausgrenzung aus minimalen Grundrechten, die allen Menschen zustehen. Ausgrenzung aus einem Kollektiv, das sich wehren könnte.
Grenzen teilen gegen aussen, teilen ein in «wir» und «sie». Sie teilen auch gegen innen: Sie trennen in jene, die Arbeitsverträge eingehen können (und somit grundsätzliche Rechte in Anspruch nehmen können) und die anderen, denen selbst dies verwehrt bleibt, weshalb sie ihren Lebensunterhalt illegalisiert bestreiten müssen. Diese Migrationspolitik, die Menschen verschiedene Aufenthaltstatus und damit verschiedene Rechte zuschreibt, sie nach Belieben illegalisiert, entrechtet und einsperrt, ist ein struktureller Bestandteil der kapitalistischen Globalisierung, in welcher Kapitalflüsse ungehindert und global zirkulieren, die Bewegungsfreiheit der Menschen allerdings immer den Bedürfnissen der Wirtschaft untergeordnet wird.
Auch die Schweizer Wirtschaft benötigt sie sehr wohl, die billigen Arbeitskräfte: in der Landwirtschaft, im Gastgewerbe, auf dem Bau. Die Folge: illegalisierte Arbeit für einzelne und Lohndumping für alle. Die Trennung in «wir» und «sie» ist eine Massnahme, welche die Kategorisierung von Arbeiter*innen weiter zementiert und den Betroffenen jede Möglichkeit sich zu wehren erschwert. Die Perspektive eines gemeinsamen Kampfes für die Rechte von uns allen wird so versperrt.
Rechte Hetze stoppen!
Diese Trennung wird mit rechter Hetze gegen Ausländer*innen und Geflüchtete vorangetrieben. Die SVP hat es mit ihren Angstkampagnen in den letzten zwei Jahrzehnten geschafft ganze Gesellschaftsschichten nach rechts zu bewegen. Aber davon profitiert nicht nur die SVP aufgrund der besseren Wahlergebnisse. Rechte Sündenbock-Rhetorik täuscht gleichzeitig über reale soziale Ungleichheiten und über Angriffe auf die Arbeits- und Lebensbedingungen von uns allen hinweg. Vor diesem Hintergrund versuchen die Vertreter*innen der Profitinteressen der Wirtschaft uns Lohnabhängige gegeneinander auszuspielen, um gleichzeitig Sozialabbau gegen uns alle und Steuererleichterungen für die Reichen durchzusetzen.
Die Sozialdemokratie und der Rest der institutionalisierten Linken haben sich, mit diesen Entwicklungen konfrontiert, völlig in die Defensive drängen lassen. Sozialabbau und rassistische Migrationspolitik werden auch von SP-Regierungs- und Bundesrät*innen durchgesetzt, mit der Argumentation des kleineren Übels: Wenn man nicht selbst Kompromisse umsetze, werde die Rechte einen noch grösseren Angriff starten, lautet ihre Logik. Die SP wird so selber zur Umsetzerin von rassistischer und unsozialer Verschärfungspolitik und kann diese sogar als progressiv verkaufen.
Sie fahren üble rassistische Angriffe auf die Lebensbedingungen migrantischer Menschen. Sie kürzen bei Bildung, ÖV, Gesundheit und der Sozialhilfe. Diese Angriffe treffen jeweils einzelne Teile der Gesellschaft. Gemeint jedoch sind wir alle!
Wir wollen das kleinere Übel nicht akzeptieren. Wir wehren uns gegen diese Angriffe auf unsere Rechte, egal ob sie von der SP oder SVP kommen.
Wir lassen uns nicht spalten. Wir sind solidarisch. Wir kämpfen weiter!
Dieser Text wird als Flyer an der Demo gegen die Entrechtung von Migrant*innen am 3. Juni 2017 in Zürich verteilt.