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Zürich: Widerstand gegen die Entrechtung von Migrant*innen

Die Entrechtung von geflüchteten Menschen in der Schweiz schreitet an vielen Fronten voran. Jeden Monat kommt ein neuer Angriff. Einmal auf Bundesebene, einmal auf Kantonsebene, einmal auf Gemeindeebene. In Asylzentren werden die Möglichkeiten der selbstbestimmten Lebensgestaltung durch Handyverbote und Anwesenheitskontrollen immer mehr beschnitten. Der Kanton Zürich kürzt Mittel für Deutschkurse für Geflüchtete, was die Möglichkeiten zu gesellschaftlicher Partizipation und Interaktion für die Betroffenen erheblich beeinträchtigt. Geflüchtete Menschen werden im Schweizer Asylwesen systematisch entrechtet. Dagegen wollen wir uns mit einer Demonstration am 3. Juni 2017 in Zürich wehren. Wir fordern das Recht auf soziale Unterstützung, das Recht auf Bewegungsfreiheit, und das Recht auf einen legalen Aufenthalt für alle!

von Bündnis Wo Unrecht zu Recht wird

Das Recht auf soziale Unterstützung

Die neuste Entrechtung im Kanton Zürich gilt den vorläufig aufgenommenen Geflüchteten mit dem sogenannten F-Ausweis. Ihnen wird von der Kantonsregierung das Recht auf Sozialhilfe abgesprochen, obwohl sich die Zürcher Bevölkerung erst vor kurzem für die Sozialhilfe nach SKOS Richtlinie ausgesprochen hatte. Seit 2011 wurde deshalb die finanzielle Unterstützung von vorläufig Aufgenommenen auf die Sozialhilfe nach SKOS Richtlinie erhöht. Gemäss Zürcher Regierungsrat und dem Kantonsparlament soll dies nun wieder rückgängig gemacht werden, die Betroffenen also keine Sozialhilfe mehr erhalten, sondern nur die um mindestens 20% reduzierte Asylfürsorge.
Seit dem 20. April läuft dagegen ein Referendum. Wir unterstützen das Referendum, da wir nicht einfach hinnehmen wollen, dass Personen mit Aufenthaltsstatus F noch weiter prekarisiert und diskriminiert werden. Vorläufig aufgenommene Menschen bleiben dauerhaft in der Schweiz und sind fester Bestandteil dieser Gesellschaft. Wir fordern einen gleichberechtigten Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen!

Das Recht auf Bewegungsfreiheit

Am stärksten betroffen von der Schweizer Entrechtungspolitik sind die abgewiesenen Asylsuchenden. Im Kanton Zürich wurde deren Lage jüngst durch eine Reihe von neuen Angriffen seitens des Zürcher Sicherheitsdirektors Mario Fehr (SP) weiter verschlimmert. Seit Frühling 2016 werden flächendeckend, Eingrenzungen verfügt. Diese Eingrenzungen schränken die Bewegungsfreiheit der Betroffenen auf das Gemeinde- oder Bezirksgebiet ein. Seit Februar 2017 müssen die Bewohner*innen der Notunterkünfte (NUK) des Kantons auch noch täglich zwei Mal ihre Anwesenheit mit einer Unterschrift bestätigen, damit sie die miserable finanzielle Unterstützung von täglich 8.50 CHF überhaupt erhalten. Diese sogenannte Nothilfe erhält seit März sogar nur, wer tatsächlich in den Notunterkünften übernachtet. In Notunterkünften, welche entweder unterirdische Bunker oder verlotternde Baracken – meist irgendwo im Nirgendwo – sind. Wer bei Bekannten unterkommen kann, um den schlechten Umständen in den Notunterkünften zu entgehen, verliert mit der neuen Regelung den Anspruch auf jegliche finanzielle Unterstützung.
Die Eingrenzungen und die Präsenzkontrollen verunmöglichen jegliche Teilnahme an einem sozialen Leben und machen aus den Gemeinden und Bezirken erweiterte Gefängnisse. Sie schränken auch massiv weitere Grundrechte ein: Die Religionsfreiheit und das Recht seine Religion auszuleben wird für viele unmöglich, da es in den NUK-Gemeinden kaum religiöse Zentren gibt, die nicht christlich sind. Die Versammlungsfreiheit und die Meinungsäusserungsfreiheit kann nur innerhalb der Gemeinde ausgeübt werden. Abgewiesene Asylsuchende werden mitsamt ihrer Stimme in den NUK Gemeinden isoliert. Seien wir also lautstark in unserer Unterstützung der betroffenen Personen und leihen wir ihnen solidarisch auch unsere Stimme!

Frauen*rechte

Die Anträge auf Asyl in der Schweiz sind zu fast einem Drittel von Frauen* gestellt. Geflüchtete Frauen* sind neben der Diskriminierung durch die repressive Migrationspolitik in der Schweiz zusätzlich geschlechtsspezifischen Diskriminierungen ausgesetzt. Verschiedene Berichte und Studien zeigen, dass viele Frauen* auf der Flucht sexueller Gewalt, Belästigung und Ausbeutung zum Opfer fallen. Über 70% der Frauen*, die in der Schweiz Asyl beantragen, geben an, Erfahrungen von Gewalt gemacht zu haben. Terre des Femmes macht beispielsweise auf grosse Missstände in Schweizer Kollektivunterkünften aufmerksam, wo Bedürfnisse von Frauen* nicht beachtet werden. Gewaltbetroffenen Personen fällt es zudem oft sehr schwer, über das Erlebte zu sprechen. Innerhalb des Verfahrens werden Fluchtgründe, die spezifisch auf Frauen* zutreffen, wenig bis nicht berücksichtigt. Den Behörden fehlt oft die nötige Sensibilität für geschlechtsspezifische Traumatisierung und Stigmatisierung.
Wir fordern erstens einen angemessenen Umgang mit Gewalterfahrungen und Traumatisierungen im Verfahren sowie die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Fluchtgründe beim Asylentscheid. Weiter fordern wir, traumatisierte Frauen* nicht in Drittländer zu überstellen, solange eine adäquate psychologische Behandlung dort nicht gewährleistet ist. Vielmehr sollen die entsprechenden Ausnahmeregelungen von Dublin III angewendet werden. Wir fordern drittens verbindliche geschlechtersensible Regelungen betreffend die Betreuung und Unterbringung von Asylsuchenden. Menschen, die mit Geflüchteten zusammenarbeiten, und Betreuende müssen auf geschlechtsspezifische Aspekte geschult werden.

Das Recht auf einen legalen Aufenthalt

Das Beispiel des Kanton Genfs hat vorgezeigt: Die Regularisierung von Sans-Papiers ist möglich. Für uns ist es sogar unabdingbar! Gemäss Schätzungen vom SEM (Staatssekretariat für Migration) leben alleine in Zürich über 28’000 Sans-Papiers. Ohne Aufenthaltsbewilligung ist aber nur ein Leben am Rande der Gesellschaft möglich. Sans-Papiers leben mit der ständigen Angst, bei den Behörden denunziert und ausgeschafft zu werden. Auch gegen Misshandlungen können sie sich kaum wehren, denn bei einer Strafanzeige oder einem Gerichtsverfahren droht ihnen die Verhaftung und Ausschaffung. Dadurch sind sie verstärkt der Ausbeutung und dem Betrug durch Unternehmer_innen oder Vermieter_innen ausgesetzt.
Im April 2017 hat die SPAZ (Sans-Papiers Anlaufstelle Zürich) eine Petition gestartet, welche die Regularisierung von Sans-Papiers fordert. Alle die schon längere Zeit im Kanton Zürich leben und arbeiten, sollen auch eine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Wir unterstützen diese Petition und fordern darüber hinaus die gleichen Rechte für alle und dies geht nur mit einem legalen Aufenthalt! Régularisez tous les Sans-Papiers!
Das Bündnis «Wo Unrecht zu Recht wird» ruft zu einer breiten, farbenfrohen, kreativen und kämpferischen Demo am 3. Juni 2017 in Zürich auf! Solidarisch wollen wir ein lautstarkes Zeichen setzen gegen den andauernden Prozess der Entrechtung von Geflüchteten setzen. Unabhängig von Herkunft oder Aufenthaltsstatus wollen wir als betroffene und sich solidarisierende Menschen gemeinsam gegen den Prozess der Entrechtung kämpfen. Die Bewegung für den Sozialismus ist Mitinitiatorin der Demo.

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