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Die Klimakatastrophe ist schon da, oder: die reale Chance, dass die Menscheit aufhört zu existieren

Wenn wir den öffentlichen Debatten rund um den Klimawandel zuhören, dann kommt trotz Klimastreik und unzähligen wissenschaftlichen Warnungen selten das Gefühl auf, als würden die allermeisten Menschen davon ausgehen, dass die drohende Klimakatastrophe tatsächlich direkt ihr Leben beeinflussen wird. Ein Bericht, den das australische Parlament in Auftrag gegeben hat, macht allerdings deutlich: Wenn nicht schleunigst etwas unternommen wird, werden fast alle jetzt lebenden Menschen mit den brutalen Konsequenzen der sich rasant erwärmenden Welt zu kämpfen haben.

von Matthias Kern (BFS Zürich)

Am 30. Mai 2019 hat das australische Think Tank „Break Through“ einen Bericht zu den zu erwartenden Konsequenzen des Klimawandels veröffentlicht. Das australische Parlament hat diesen Bericht 2018 in Auftrag gegeben, um die zu erwartenden kurz- bis mittelfristigen gesellschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels einschätzen zu können. Das Online-Magazin Vice fasst das Resultat der Untersuchung wie folgt zusammen: Es gibt eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die menschliche Zivilisation bis 2050 zu einem Ende kommen wird.

Keine übertriebene Feststellung

Wer jetzt denkt, dass dies nur die reisserische Schlussfolgerung eines für spektakuläre Artikel bekannten Online-Journals sei, liegt leider falsch, auch wenn ein einzelner Satz natürlich nicht den gesamten Bericht vollständig wiedergeben kann. Die zitierte Studie richtet sich gegen den klassischen Ansatz in den Klimamodellen, der mit statistischen Wahrscheinlichkeitsverteilungen arbeitet. All diese setzen eine ziemlich klassische Wahrscheinlichkeitsverteilung (Normalverteilung) voraus, wonach extreme Ereignisse sehr unwahrscheinlich sind. Diese Normalverteilung ist aber überhaupt nicht gegeben. Deshalb die Forderung der Autoren des Berichts, von «probabilities» zu «possibilities» überzugehen und auch diese «high-end-risks», also die Spitzen (oder eben die «tails») der Wahrscheinlichkeitsverteilung ernst zu nehmen. 

Deshalb lautet der von Vice im Titel angeführte Satz im Bericht auch folgendermassen: «In high-end scenarios, the scale of destruction is beyond our capacity to model, with a high likelihood of human civilisation coming to an end.» Der erste Teil des Satzes ist dabei zentral, weil es um den Aufruf geht, die Tatsache in Betracht zu ziehen, dass extreme Ereignisse viel wahrscheinlicher sind, als es eine statistische Normalverteilung darstellen würde. WENN also ein solches Ereignis eintritt, DANN ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die Zivilisation endet. 

Auch wer jetzt glaubt, dass der Bericht von ideologisch vereinnahmten Klimaaktivist*innen verfasst worden sei, liegt leider ebenfalls falsch. Für die Studie zeichnen der ehemalige Vorsitzende des Verbandes der australischen Kohleindustrie sowie der ehemalige Chef der australischen Streitkräfte Admiral Chris Barrie verantwortlich. Beide Personen haben ihr Leben lang in Funktionen gearbeitet, die normalerweise nicht mit hysterischen Klimastreikenden besetzt werden.

Wichtig ist zudem anzumerken, in welchem Zusammenhang der Bericht geschrieben wurde. Er steht im Kontext einer längeren Reihe von staatlich in Auftrag gegebenen Berichten, welche die Risiken des Klimawandels für die «nationale Sicherheit» ermitteln sollen.

Das Bild, das die Studie zeichnet, ist dafür umso düsterer. Fabian Lehr fasst die Ergebnisse wie folgt zusammen:

„Laut diesem Bericht wird bis 2050 der Lebensraum von etwa drei Milliarden Menschen mehr oder weniger unbewohnbar werden und diese gezwungen sein, sich in Massenwanderungen in die noch verbliebenen bewohnbaren Regionen der Erde zu flüchten oder zugrundezugehen. Krieg um Wasser und die noch klimatisch erträglichen Territorien wird bis dahin wohl zum permanenten Normalzustand werden, zahlreiche Staaten werden untergehen, Großstaaten wie die USA und China vom Zerbrechen bedroht sein. Verheerende Hitzewellen mit zahllosen Toten und Hungersnöte durch dürrebedingte Ernteausfälle werden auch in den noch relativ begünstigten Gebieten zu normalen Erscheinungen werden. Und damit ist es noch nicht zu Ende. Wir müssen mit einer Erwärmung um 3 Grad bis 2050 rechnen (2,4 Grad direkt durch menschliche Emissionen, weitere 0,6 Grad durch dadurch ausgelöste natürliche Verstärkereffekte) – die zahlreiche Kipppunkte aktiviert, durch die die Erwärmung sich selbst verstärkt und automatisch immer weiter voranschreitet, selbst wenn wir dann überhaupt keine zusätzlichen Emissionen mehr verursachen würden. Und wohlgemerkt: Dieses Szenario mit zig Millionen Todesopfern und dem Zusammenbruch der internationalen Ordnung würde unter der Prämisse eintreten, dass uns von 2030-2050 eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 80% gelingt. Was angesichts der quasi völligen Gleichgültigkeit der bürgerlichen Politik ggü. dem Thema ziemlich unwahrscheinlich scheint. Sollte diese Annahme zu optimistisch sein, müssen wir mit dem Ende der Zivilisation innerhalb von ein paar Generationen rechnen. Es ist vielleicht das erste mal, dass ein in staatlichem Auftrag erstellter Bericht zum Klimawandel offen und ohne jede rhetorische Bemäntelung ausspricht, dass wir bei Fortführung unseres jetzigen Wirtschaftssystems mit dem Ende der menschlichen Zivilisation in recht naher Zukunft als gut möglicher Option rechnen müssen.“1

Der Bericht schliesst mit der Feststellung: “Even for 2° C of warming, more than a billion people may need to relocate and in high-end-scenarios, the scale of destruction is beyond our capacity to model, with a high likelihood of human civilization coming to an end.” 

Sogar bei 2° C Erwärmung werden immer noch mehr als eine Milliarde Menschen ihre Heimat verlassen müssen und in den Szenarien mit noch höherer Erwärmung ist die Zerstörung so gross, dass wir keinen Umgang mit ihr mehr finden und die menschliche Zivilisation zu einem Ende kommt.

Sich überlegen, was das bedeutet

Was diese Studie also zum Ausdruck bringt, ist mehr als erschreckend: Die Klimakatastrophe betrifft nicht die Menschheit in möglicherweise zwei oder drei Generationen. Während in einigen Regionen die Folgen der Umweltkatastrophe bereits deutlich spürbar sind, wird auch der restliche Teil der heute lebenden Generationen in einigen Jahren die Klimakatastrophen an der eigenen Haut erfahren. Vorausgesetzt, es passiert nicht schleunigst etwas.

Uns bleibt eine äusserst knapp bemessene Zeit von vielleicht 10 Jahren, um einen radikalen Wandel in der Art und Weise wie wir produzieren und leben herbeizuführen. Wir haben ein Jahrzehnt, um unsere CO2-Emissionen auf Null zu reduzieren. Bis in die 2030er Jahre bleibt uns noch, danach wird es – auch aufgrund von Tipping Points – zu spät sein und wir würden in eine Phase der Menschheit eintreten, die von Hunger, Krieg um Wasserreserven und der Zerstörung ganzer Lebensräume geprägt sein wird. Und dies wiederum heisst:

«Wenn sich die Prognosen dieses Berichts bewahrheiten, werden heute geborene Kinder mit Anfang 30 in einer Welt des Mangels, des Hungers, der Gewalt und des Krieges leben – und wenn das worst case-Szenario eintritt, dürfte ziemlich unwahrscheinlich sein, dass sie eine Chance haben, alt zu werden und könnten sie eine der letzten Generationen von Menschen überhaupt sein.“2

System change statt climate change!

Angesichts dieser extrem bedrohlichen Szenarien und der schier unmöglich scheinenden Chance, daran noch etwas ändern zu können, besteht die Gefahr, dass wir in Apathie und Handlungsunfähigkeit verfallen – während grosse Teile der Herrschenden einfach weiterhin so tun, als gäbe es die riesigen Probleme und Bedrohungen rund um die fortschreitende Klimakatastrophe nicht.

Doch wenn die 2030er Jahre als Schwelle gelten, so tun sie das eben auch in beide Richtungen: Wenn wir es bis dahin schaffen, die Emissionen massivst zu reduzieren, stehen die Chancen gut, dass wir die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen zumindest in einem Rahmen halten können, in dem die Menschheit weiterhin überleben kann.

Dazu sind aber fundamentale Umwälzungen in der Wirtschaftsweise notwendig. Statt dem Profit einiger Weniger, muss endlich das Wohlergehen und die Interessen Aller im Zentrum stehen. Das bedeutet: System Change. Einen «grünen Kapitalismus» wird es nicht geben.

Die Klimabewegung wird durch diesen Bericht noch weiter gefordert sein. Denn alles spricht dafür, dass die Zeit des Abwartens nun endgültig vorbei sein muss. Es geht nicht mehr darum, an die «Politik» zu appellieren, oder zu hoffen, dass sich in den nationalen Gesetzgebungen etwas verändert – in 5 oder 10 Jahren. Was wir brauchen, ist eine breite Klimabewegung, die unmissverständlich und durch ihre Aktionen klar macht: Weg von der fossilen Energie, weg vom Profit einiger weniger – und hin zu einem System, das die Produktion und den Konsum demokratisch planbar macht und alles daran setzt, die Klimakatastrophe auf ein so geringes Mass wie möglich zu beschränken.

Organisieren wir uns, schliessen wir uns zusammen – an den Schulen, Arbeitsplätzen, auf der Strasse. Sorgen wir mit direkten Aktionen, Demonstrationen und grösstmöglichem Druck dafür, dass sie uns nicht mehr länger unserer Lebensgrundlage berauben.

Möglichkeiten, sich an den ökologischen Kämpfen zu beteiligen, gibt es viele. So nimmt die Bewegung für den Sozialismus – BFS beispielsweise am 21. Juni 2019 am internationalen Klimastreik in Aachen teil. Wenn du an einer Teilnahme interessiert bist, melde dich entweder bei uns unter info@bfs-zh.ch oder buche dein Ticket direkt auf https://climatestrike.ch/ac2106/


[1]Facebook-Post des österreichischen Marxisten Fabian Lehr. https://www.facebook.com/fabian.lehr.3/posts/10217036610741691

[2]Facebook-Post des österreichischen Marxisten Fabian Lehr. https://www.facebook.com/fabian.lehr.3/posts/10217036610741691

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1 Kommentar

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