Als Richi Wolff vor fünf Jahren überraschend in den Stadtrat gewählt wurde, nahmen SP und Grüne den neuen Magistraten der Alternativen Liste (AL) als Konkurrenz wahr. Um dem früheren linken Aktivisten Steine in den Weg zu legen, wurde er gegen seinen Willen ins Sicherheitsdepartement eingeteilt und war seither Polizeivorsteher. Ein Jahr später nach den Gesamterneuerungswahlen hätte Wolff die Chance gehabt den Posten zu wechseln, behielt die Polizei aber aus freiem Willen. Nun wurde ihm das Departement zwangsweise wieder abgenommen.
Zwangsversetzt aufgrund eines einzelnen besetzten Hauses
SP und Grüne, welche den Stadtrat dominieren, begründeten Wolffs Zwangsversetzung damit, dass man ihn wegen des sogenannten Dossiers Koch Areal aus der Schusslinie nehmen wolle. 2016 wurde Wolff das Dossier entzogen und Daniel Leupi zugeteilt, weil aufgedeckt wurde, dass Wolffs Söhne auf dem Koch Areal verkehren oder sogar wohnen.
Es ist skurril, dass Personalentscheide in der Regierung der grössten Schweizer Stadt aufgrund einzelner Liegenschaften getroffen werden. Beim Thema Koch-Areal machte die Rechte 2016 aus der sprichwörtlichen Mücke einen Elefanten. Hätte Rot-Grün einen Funken Solidarität für die Besetzer*innen übrig, würde das neue, absolute Mehr in Stad- und Gemeinderat dazu genutzt, um das Thema von der Agenda zu streichen. Das Koch ist einer der letzten autonomen Freiräume auf Stadtgebiet und gehört gefälligst in Ruhe gelassen! Aber wir sind es uns ja gewohnt unsere Freiräume selbst zu verteidigen und werden es auch weiterhin tun.
Zudem war das Argument mit Wolffs Söhnen absurd. Die halbe Stadt war schon mal an einer Party auf dem Koch, vielleicht auch die Kinder anderer Stadträte. Wen, ausser den SVP-Berufs-Wutbürger Mauro Tuena, kümmerts? Als gäbe es in Zürich nicht dringendere Probleme wie Wohnungsnot, zu wenige Kita-Plätze oder beispielsweise Racial Profiling durch die Polizei.
Strategie der linken Polizeiführung
Interessant am Phänomen Wolff ist: Es hat schon länger System, die Stadtpolizei mit linken Vorsteher*innen zu versehen. Alle Polizeivorsteher*innen in Zürich seit den 1990ern waren Rot oder Grün. Der Sozialdemokrat Robert Neukomm hatte die Räumung des Platzspitzes 1992 zu verantworten. Unter dem Grünen Daniel Leupi gab es am 1. Mai 2011 den grössten Polizeikessel, den diese Stadt je gesehen hat. 542 Personen wurden festgenommen, nur weil sie auf dem Helvetiaplatz standen. Diese Tradition wird nun mit der Grünen Karin Rykart fortgesetzt.
Gäbe es eine FDP-Führung, wären Unmut und Protest gegen die Polizeipraxis in Zürich viel wahrscheinlicher. Aber so denkt ein weiter Teil der links angehauchten, Hipster-Kreis-3/4/5-Wähler*innenbasis von AL, SP und den Grünen, dass es ja nicht so schlimm sein kann. Schliesslich sitzt da ja „eine*r von uns“.
„Ich ha d’Lüt gern becho.“
Richi Wolff machte nach der Pressekonferenz im Stadthaus, wo seine Zwangsversetzung kommuniziert wurde, gegenüber den Medien einen gelassenen Eindruck. Es sei nicht nach seinem Willen gewesen, doch es sei OK für ihn. Als er gefragt wurde, weshalb er gerne Polizeivorsteher geblieben wäre, war sein einziges Argument, er habe die Leute im Sicherheitsdepartement gerne bekommen.
Einerseits machte es ihn sympathisch, da er sich bei den Angestellten bedankte. Andererseits: Was für eine Flasche! Wolff konnte nicht einmal inhaltlich argumentieren, weshalb er gerne geblieben wäre. Hat die Polizei ihn damals in den Kellern der Urania-Wache eigentlich einer Gehirnwäsche unterzogen? Oder woher kommt das Stockholmsyndrom dieses Mannes, der bis kurz vor seiner Wahl in den Stadtrat noch in besetzten Häusern über Gentrifizierung referierte?
Es ist ja schön, dass es Wolff gut zu gehen scheint. Doch hat der abtretende Sicherheitsvorsteher sich die letzten fünf Jahre ein einziges mal überlegt, wie es den Leuten geht, die täglich rassistische Polizeikontrollen erleben, von der Stadtpolizei festgenommen und später ausgeschafft werden oder ganz einfach Stress mit der stadteigenen, testosterongeladenen Rambo-Truppe haben?
Wenn man die Repression dieses Staates mit seiner abscheulichen Migrationspolitik oder seinem rigorosen Vorgehen gegen Demos oder Fussballfans zu spüren kriegt, dann ist es herzlich egal, ob an der Spitze des Polizeiapparats ein linker Sunny-Boy oder eine SVP-Rampensau steht. Mehr Bullen auf Fahrrädern bedeutet nur, dass sie uns noch effizienter jagen können. Mehr Second@s im Polizeicorps machen ebenfalls keinen Unterschied. Es sind persönliche Einstellung und Polizeiausbildung, die diese Leute zu Arschlöchern machen. Ob die Eltern aus Zagreb oder Wohlen stammen, ist da herzlich egal.
Es scheint als hätte Wolff diese Widersprüche fünf Jahre lang ausgeblendet. Hätte er ein bisschen Rückgrat gehabt, hätte er sich von Anfang an geweigert, die Führung der Polizei zu übernehmen. Wolff wäre mit seiner gelassenen Art gut als Mediator oder Sozialpädagoge vorstellbar. Aber er soll bitte damit aufhören durch seine Art, die oft diskriminierende Politik von Zürichs Stadtrat zu legitimieren.
Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!
Wer war mit dabei? Die Grüne Partei!
Und Wer bringt uns in die Kiste? Die Alternative Liste!
Von Theo Vanzetti
Die kurze Form, der eher flüchtige Charakter und die zeitliche Nähe, die allesamt diese Artikelserie ausmachen, führen dazu, dass die hier geäusserten Einschätzungen vorübergehend sein können und nicht zwangsläufig mit den Ansichten unserer Organisation übereinstimmen müssen. Die Autor*innen und die verwendeten Quellen sind deshalb jeweils gekennzeichnet. Textvorschläge sind jederzeit herzlich willkommen.