Am 24. September 2018 fand eine Debatte im Nationalrat über eine Vorlage statt, welche den Verfassungsartikel zur Gleichstellung zwischen den Geschlechtern umsetzen soll. Die Debatte darum war eine Farce und zeigt, weshalb Frauen* selbst aktiv werden müssen, um ihre Rechte zu erkämpfen.
von Lisi Kalera (BFS Basel)
Die Vorlage ist bereits sehr schwach: Es sollen alle vier Jahre Lohnanalysen in den Betrieben durchgeführt werden, deren Ergebnisse den Angestellten mitgeteilt werden. Dies gilt jedoch nur für Betriebe mit mehr als 100 Angestellten. Das sind dann nur noch weniger als 1% der Unternehmen in der Schweiz. Dennoch machen diese Unternehmen die Hälfte der Angestellten aus (was für eine starke Machtkonzentration spricht). An einer Lohndiskriminierung ändert dieser Vorschlag jedoch nichts, da keine Sanktionen vorgesehen sind. Obgleich diese Vorlage gegen Lohndiskriminierung bereits im Ständerat auf dieses absolut wirkungslose Format abgeschwächt wurde, findet dennoch eine Debatte dagegen im Nationalrat statt. Patriarchale und unternehmensnahe Vertreter der SVP und FDP wettern lautstark gegen die Vorlage. Eines ihrer Hauptargumente lautet, Lohnanalysen seien zu teuer. Als ob das Unternehmen die Lohnzahlen der eigenen Mitarbeiter nicht kenne und es so schwierig ist, einmal transparent darzustellen, wer wie viel verdient.
Ein zweites Argument, das vom neoliberalen Kredo der Selbstverantwortung geprägt ist: Frauen können doch jetzt schon ihre Lohngleichheit einklagen. Das ist die Frechheit schlechthin! Ohne Lohntransparenz, ohne Vergleichsmöglichkeit, ohne finanziellen Rückhalt sollen Frauen neben dem doppelten Arbeitstag auch noch mal eben eine Klage einreichen, um das zu erhalten, was ihnen von der Verfassung her zusteht und wofür die Untenehmen die Verantwortung tragen! Erinnern wir uns: Keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes ist ein Menschenrecht und steht in der Schweizer Verfassung! Es ist ein Hohn auf die arbeitenden Menschen, wenn die herrschende Klasse, in dem Fall die Nationalrät*innen, in ihrer bequemen und privilegierten Lage meinen, Arbeiter*innen könnten mal eben die Kosten und den Aufwand einer Klage tragen. Als könnten mal eben mit ihrem juristischen Wissen, das sie sich neben Ausbildung, Kinder hüten, 8.5 Stunden Arbeit am Tag, Verwandte unterstützen und der Sorge darum, wie sie die nächste Beitragserhöhung der Krankenkassen finanzieren sollen, angeeignet haben, zum Anwalt laufen und nachfragen, wie sie den Lohnunterschied von durchschnittlich 600CHF pro Monat einklagen könnten. Als hätten sie grad nichts anderes zu tun und auch noch ein paar Tausender für den ersten Anwaltsbrief zu Hause rumliegen.
Das ist eine dermassen arrogante Haltung, die so weit weg von den Sorgen, Bedürfnissen und Interessen der arbeitenden Menschen ist, dass ich mich wundere, wie diese Menschen überhaupt noch in den Spiegel schauen können. Doch die lieben Herren aus der Politik und Wirtschaft würden nicht so ein Fass aufmachen, wenn es nur um Lohngleichheit ginge. Es geht um viel mehr: Es geht hier um die Anerkennung der grösstenteils von den Frauen geleisteten gesellschaftlichen Arbeit. Es geht um die Sichtbarmachung der gesamten unsichtbaren, kostenlos verrichteten Sorgearbeit, die, würden wir sie in Zahlen ausdrücken, eine grössere Summe als das Bruttoinlandprodukt der Schweiz ausmachen würde. Es geht um die gesamte Arbeit, für die die Unternehmen keinen Cent zu zahlen bereit ist und ohne die das kapitalistische Wirtschaftssystem zusammenbrechen würde. Es geht hier um die Machterhaltung patriarchaler und kapitalistischer Herrschaftsstrukturen, um weiterhin auf den Rücken der arbeitenden Frauen Profitmaximierung und Gewinne zu machen. Es geht um die Machtfrage!
Wir werden nicht klein beigeben! Wir haben die Macht: Wenn wir Nein sagen, bleibt die Wirtschaft stehen, funktioniert die Gesellschaft nicht mehr. Diese Macht können und müssen wir nutzen, wenn wir die Gesellschaft nach unseren Vorstellungen gestalten wollen. Ein Streik ist das Mittel dazu. Ein Streik der Hausarbeit, der Sorgearbeit und der Lohnarbeit zeigt der Welt, was wir alles den ganzen Tag machen und nicht gesehen wird. Machen wir unsere Arbeit sichtbar, indem wir zeigen, was passiert, wenn wir uns verweigern.
Auf zum Frauenstreik 2019!
Komm zu den nächsten Vernetzungstreffen in deiner Stadt und bring dich und deine Forderungen ein – Für einen Frauenstreik 2019!