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Gewalt an Frauen* ist mehr als physische Gewalt

Seit den Vorfällen in Genf im August 2018, als eine Männergruppe fünf Frauen* spitalreif prügelte, wird in der Schweiz wieder vermehrt über Gewalt an Frauen* diskutiert. Vieles wird dabei verdreht, vieles gar nicht erst thematisiert. Die Attacke in Genf wurde mit den Migrationshintergründen der Täter erklärt. Dabei wird ausser Acht gelassen, dass Gewalt an Frauen* ein globales Problem ist und auch in der Schweiz zur Lebensrealität aller Frauen* gehört. Die physische Gewalt im öffentlichen Raum, wie dies in Genf passiert ist, ist nur deren offensichtlichste Form. Gewalt an Frauen* hat ganz viele Facetten, die oftmals versteckt und nicht direkt erkennbar sind.

von BFS Jugend Zürich

Gewalt hat viele Facetten

Die Höhe der Invalidenrente wird in der Schweiz in zwei Schritten ermittelt, die das Teilzeitpensum der Betroffenen doppelt miteinbeziehen. Diese Berechungsmethode führt dazu, dass Teilzeitangestellte oftmals unter den Mindestinvaliditätsgrad fallen. Teilzeitarbeit ist bei Frauen* massiv weiter verbreitet, als bei Männern. Somit erhalten überdurchschnittlich viele Frauen* keine Invalidenrente, obwohl sie stark in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt und von Sozialleistungen abhängig sind. Das ist strukturelle Gewalt.

Studentinnen der ETH Zürich müssen Semesterkurse abbrechen, weil sie von den Professor*innen beleidigt und schikaniert werden. Sie besuchen gewisse Seminare nicht, weil die Dozenten bekannt dafür sind, dass sie Studentinnen sexuell belästigen. Professoren nutzen ihre Machtposition innerhalb der hierarchisch aufgebauten Hochschule schamlos aus, die ETH vertuscht die Vorfälle, um ihrem Ruf nicht zu schaden und Betroffene schweigen, weil sie eine schlechte Beurteilung ihrer Leistungen befürchten. Das ist Rape Culture. Das ist strukturelle Gewalt.

Reist eine Frau im Kontext eines Familiennachzugs in die Schweiz, wird sie nicht als eigenständige Person, sondern als Anhängsel ihres Mannes eingestuft, auch wenn Frauen* oft ihre eigenen, spezifischen Fluchtgründe haben. Die einzige Gewähr für ihre Aufenthaltsbewilligung ist der Vermerk „Verbleib beim Ehemann“. Diese Bestimmung bedeutet für Migrantinnen, dass sie explizit an ihren Ehemann gebunden sind. In Fällen häuslicher Gewalt hindert dies die Frau ihren gewalttätigen Mann zu verlassen, da sie dadurch ihre Aufenthaltsbewilligung verlieren würde. Das ist strukturelle Gewalt.

Gewalt ist nicht zufällig

Gewalt an Frauen* ist strukturell und sie ist eine inhärente Eigenschaft unseres patriarchalen, kapitalistischen und rassistischen Systems. Die oben genannten Beispiele stehen für eine ganze Reihe struktureller Gewaltmomente, die die Lebensrealität von Frauen* beeinflussen. Die Kontrolle des Körpers und der Sexualität von Frauen* und die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung bilden dabei die Basis der Ausbeutung und Diskriminierung. Auf diese Weise gelten Frauen* nicht nur als Besitztum von Männern, sondern auch als gratis und immer verfügbare Arbeitskräfte im reproduktiven Bereich (Hausarbeit, Erziehung, Sorgearbeit für Kranke und Alte etc.). Da Frauen* bis heute einen Grossteil der Hausarbeit, der Kindererziehung sowie der Pflege anderer Familienangehöriger übernehmen, ist es nur logisch, dass sie häufiger Teilzeit arbeiten und somit die Ersten sind, die von Sparmassnahmen und Prekarisierung getroffen werden.Neben der Teilung in Männer und Frauenarbeit findet eine Hierarchisierung statt, wonach Männerarbeit mehr wert ist als Frauenarbeit. Eine Folge dessen ist, dass Frauen* nicht nur weniger verdienen als Männer, sondern feminisierte Berufe wie die Pflege, Betreuung und Reinigung wenig anerkannt, tief entlohnt und von schlechten Arbeitsbedingungen geprägt sind. Neoliberale Angriffe auf Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen treffen Frauen* besonders hart und bringen sie systematisch in ökonomische Abhängigkeit und dadurch in eine Position der Verletzbarkeit. 

Für einen Frauen*streik 2019!

Wir können also nicht über ein Ende der Gewalt an Frauen* sprechen, ohne die Überwindung des patriarchalen, kapitalistischen und rassistischen Systems zu verlangen. Wir Frauen* wollen einen gesamtgesellschaftlichen Wandel. Wir wollen Revolution! Überall auf der Welt sind in den letzten Jahren feministische Forderungen und Projekte lauter geworden. Die kurdische Frauenbewegung, «Ni una Menos/Ni una di Meno» («Nicht eine weniger») in Argentinien, Brasilien und Italien, die «Women’s Marches» in den USA oder der Black Protest in Polen sind nur einige Beispiele davon. Im Spanischen Staat haben am 8. März 2018 landesweit Frauen* gestreikt und gezeigt, was es heisst, wenn Frauen* sich dafür entscheiden, die bezahlte und unbezahlte Arbeit nicht mehr zu erledigen. Am selben Abend sind sechs Millionen Menschen auf die Strassen gegangen. Wir haben die Macht: Wenn wir Nein sagen, bleibt die Wirtschaft stehen, funktioniert die Gesellschaft nicht mehr. Diese Macht können und müssen wir nutzen, wenn wir die Gesellschaft nach unseren Vorstellungen gestalten wollen. Ein Streik ist das Mittel dazu. Ein Streik der Hausarbeit, der Sorgearbeit und der Lohnarbeit zeigt der Welt, was wir Frauen* alles den ganzen Tag machen und nicht gesehen wird. Machen wir unsere Arbeit sichtbar, indem wir zeigen, was passiert, wenn wir uns verweigern.

Auf zum Frauenstreik 2019!

Komm zu den nächsten Vernetzungstreffen in deiner Stadt und bring dich und deine Forderungen ein – Für einen Frauen*streik 2019!


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