Donald Trump ist ein Alleinentertainer. Als Staatsmann, der absolut deplatziert scheint, amüsiert er diejenigen, die ihm ideologisch kritisch gegenüberstehen. Und als Rädelsführer, der gesellschaftlichen Ellenbogendarwinismus für Diplomatie hält, nährt er die Feindbilder derjenigen, die in ihn ihre Hoffnung setzen. Trump ist allerdings nicht des Pudels Kern, er ist der Ausdruck eines strukturellen Problems in der Gesellschaft.
von João Woyzeck (BFS Zürich)
Trump – so stellen ihn zumindest die ihm kritisch gesonnen Medien oft dar – ist eine Witzfigur in seinem ganzen Auftreten und Erscheinungsbild. Seine Anhänger:innen scheinen wiederum entweder blind oder opportunistisch kalkuliert, wenn sie einem notorischen Schwerenöter die Errettung des christlichen Amerikas anvertrauen. In einem Punkt aber fallen sowohl Gegner:innen als auch Anhänger:innen Trumps einmütig zusammen: Trump als illustre Persönlichkeit steht für sie im Zentrum des Geschehens. Ein eingehender Blick auf das Gesellschaftssystem, von dem Trump hervorgebracht wurde, wird zeigen, wie nah einige seiner Gegner:innen und Anhänger:innen wirklich beieinander stehen.
Auch in den USA regiert das Kapital
Als Trump noch während der Wahl zum 46. US-Präsidenten am 3. November 2020 das Wahlergebnis anzweifelte und den Vorwurf des Wahlbetrugs erhob, rieben sich viele Beobachter:innen ungläubig die Augen. Die erste moderne bürgerliche Demokratie der Menschheitsgeschichte hatte vier Jahre zuvor jemanden zum Präsidenten gewählt, der nun die Stimmkraft der amerikanischen Wähler:innenschaft offen nicht anerkannte!
Ein Schock für alle, die sich bei aller Kritik am strukturellen Rassismus, tief eingewoben in die Textur der amerikanischen Gesellschaft, und am Missverhältnis zwischen einem BIP von 20’807,27 Milliarden US-Dollar 2020 und dem fast nicht-existenten Wohlfahrtstaat immer noch nach den USA als Flaggschiff des liberal-kapitalistischen Systems richten. All diese Menschen sind demselben Trugschluss erlegen wie einst Francis Fukuyama als er 1989 postulierte, Demokratie sei die natürliche Herrschaftsform eines liberal-kapitalistischen Systems. Stellt man dies aber zur Disposition, erstaunt es weniger, wie ein Trump mit all den demokratischen Selbstverständlichkeiten bricht.
Lasst uns für die nächsten fünf Minuten, welche dieser Artikel in Anspruch nehmen wird, davon ausgehen, dass die Strukturierung der Gesellschaft aus den gesellschaftlichen Beziehungen erwächst, die nötig sind, damit Menschen überleben können. Sprich gehen wir nur mal für fünf Minuten davon aus, dass die konkrete Staatsform nicht am Anfang steht und der Wirtschaft erst erlaubt, wie diese zu sein hat, sondern umgekehrt.
Wenn der Motor der Gesellschaft die Art zu wirtschaften ist und diese Art zu wirtschaften unter der Fuchtel weniger steht, weil diese nun mal die Stätten des Wirtschaftens persönlich besitzen, kann eine Gesellschaft nur so frei sein, wie es dem Unternehmer:innentum gelegen kommt. Wenn es für die grossen Unternehmen wichtig ist, den sozialen Frieden aufrechtzuerhalten und die Lohnabhängigen an sich zu binden, wird das Wohlfahrtssystem ausgebaut. Die Lohnabhängigenklasse geniesst dann durchaus eine grössere gesellschaftliche Sicherheit, an der sie nicht nur materiell, sondern auch psychologisch gesundet.

Allerdings darf dies nicht mit wirklicher Macht verwechselt werden. Diese liegt dann nämlich weiterhin bei den Unternehmer:innen, die über die Arbeitsstellen bestimmen, von denen so viele für ihr Überleben abhängig sind. Wenn Arbeitsstellen in Billiglohnländer outgesourct werden, merken wir, wer tatsächlich am Hebel der Macht steht. Wenn sich die wirtschaftlichen Umstände verschärfen, und man mit Sparmassnahmen zu aller erst an unserem Sozialsystem ansetzt, merken wir, wie sehr wir hinsichtlich gesellschaftlich-ökonomischer Absicherung doch von der Gutmütigkeit der Unternehmer:innen abhängig sind.
Trump und Biden handeln im Interesse des Bürgertums
In dieses Bild passt auch, dass die Trump-Admin während ihrer vier Jahre Amtszeit dem Wohlfahrtsstaat derart feindlich gegenüberstand. In dieses Bild passt noch vielmehr, wie die Trump-Admin in Zeiten, wo eine Pandemie die amerikanische Gesellschaft nahezu in ihren Kollaps stürzt, in ihrer Feindschaft gegenüber der allgemeinen Gesundheitsversicherung noch über sich hinauswächst. Trump versuchte nicht nur seit 2016 unter dem stockliberalen Vorwand, dass dies als Eingriff des Staates in die Gesellschaft zu weit ginge, den Patient Protection and Affordable Care Act (Obamacare) abzuschaffen.1 Nein, selbst mitten in der Gesundheitskrise durch die Coronapandemie wollte die Trump-Admin nicht von diesem Vorhaben abrücken.
In dieses Bild passt allerdings ebenso, dass sich Biden 2020 während der Vorwahlen zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten gegenüber seinem einzigen ernstzunehmenden Kontrahenten Sanders mit einem Wahlspot durchzusetzen versuchte hatte – und reüssierte –, wo es darum ging, den Ball flach zu halten, nicht zu übertreiben, auf gar keinen Fall unbedingte soziale Grundsicherheit für die gesamte Lohnabhängigenklasse einzufordern, sondern Obamacare als moderate, und will man das Kind beim Namen nennen, neoliberale Lösung beizubehalten. Nicht zu viel, nicht zu wenig:2 «Arbeiter:in, wisse, wo dein Platz ist!»

Mit Biden und Trump standen sich am 3. November 2020 also zwei alte Tattergreise gegenüber, die, so sehr sie sich gegenseitig polemisch auch aufheizen und über einander echauffieren mochten, dennoch beide im Interesse des Unternehmer:innentums handelten. Im Interesse eines Unternehmer:innentums, das mehr Profit aus der Arbeit der Lohnabhängigenklasse einbehalten und weniger davon an die eigentlichen Erzeuger:innen eben dieses Profits in Form von sozialer Absicherung im Krankheits- oder Unfallfall zurückgeben will. Vor diesem Hintergrund muss das Phänomen Trump betrachtet werden!
Trump ist ein Symptom des Systems
Vor diesem Hintergrund muss auch die liberale Demokratie betrachtet werden. Das beweist uns niemand geringeres als Trump, der sich in den Wochen nach seinem Wahlverlust partout weigerte, das Wahlergebnis anzuerkennen, Zeter und Mordio schrie und Wahlbetrug schimpfte. Für Trumps Tweets wurde der #StopTheSteal (auf Dt. Stopp den Diebstahl der Wahl) zur obersten Prämisse seiner gesamten Twitterpersönlichkeit, bis er mit seinem Vorwurf des Wahlbetrugs schliesslich sogar vor Gericht zog.
Und die bürgerlichen Medien, leider auch die Trump kritisch gesonnen, fokussierten sich dabei einmal mehr auf den drolligen und effekthaschenden Dilettantismus, mit dem uns Trump zu unterhalten pflegt. Es wurde zu dem medialen Diskursereignis hochstilisiert, dass Trump am 6. November 2020 seinen führenden Anwalt Rudy Giuliani mitsamt seines Anwält:innentrosses zu einer Pressekonferenz im Four Seasons Hotel einberief, um seinen Vasallen Giuliani verkünden zu lassen, dass er, Trump, den vermeintlichen Wahlbetrug eisern vor Gericht anfechten würde. Da die Medien ein besonderes Augenmerk drauf richteten, wie einer seiner Wahlkampfhelfer:innen wohl versehentlich den falschen Ort gebucht hatte, weswegen Trumps Lakaien kurzfristig auf eine Landschaftsgärtnerei mit Namen Four Seasons Total Landscaping umdisponieren mussten, um im nichtssagenden Gewerbegebiet für Trumps Staatsstreich zu wettern. Mit einer solchen Personalisierung eines Clowns wollte uns erklärt werden, wie der Hase wirklich laufe!

Und selbst wenn die bürgerlichen Medien sachlich bleiben wollten und davon berichteten, wie Trumps Begehren vor den Gerichtshöfen Michigans, Pennsylvanias, Wisconsins, Nevadas, Minnesotas und dem Obersten Gerichthof der USA scheiterte, stand wieder die Person Trumps im Zentrum.
Als am 2. Januar 2021 Trump den Wahlleiter in Georgia telefonisch einschüchterte, indem er gleich einem Schutzgelderpresser durchblicken liess, dass 11’780 Wähler:innenstimmen unterschlagen worden seien und schleunigst wiedergefunden werden sollten, wurde Trump als bösartiger Potentat beschrieben. Daneben rückte auch das staatsmännisch ungelenke und unfreiwillig Komische seines grobschlächtigen Verhaltens wieder in den Mittelpunkt.
Es lässt sich natürlich nicht bestreiten: Trump ist auf jeden Fall ein diplomatieferner Brutalinski und geht, wenn nötig, über Leichen. Nur ihn deswegen derart ins Zentrum zu stellen, erweckt den Anschein, als sei er das eigentliche Problem, der Kapitalismus aber grundsätzlich in Ordnung. Tatsächlich aber ist Trump ein inhärenter Teil dieses Systems. Eines Systems, das unter dem Diktat des Kapitals steht. Trump ist ein Symptom davon, dass sich die Herrschaft des Kapitals verschärft und immer offener als Diktatur des Kapitals zutage tritt. So und nicht anders kann der «Stop the Steal-Protest» (auf Deutsch: Stopp den Diebstahl), der am 6. Januar 2021 vollkommen ausgeartet ist, sinnvoll verortet werden.
Der Sturm auf das Capitol
Am Mittwoch, dem 6. Januar, sollte der Kongress im Capitol Joe Biden nach amerikanischem Bundesrecht offiziell als den 46. US-Präsidenten bestätigen, indem er die versiegelten Elektor:innenstimmen aus den einzelnen amerikanischen Bundesstaaten verliest und auszählt. Eigentlich sollte diese Prozedur heutzutage kaum mehr als ein Zeremoniell darstellen. Doch Trump und seine Entourage wollten diese Gelegenheit nicht ungenutzt lassen und inszenierten ein Konter-Event, um ein (bisher) letztes Mal zu verhindern, dass der gewählte Präsident Biden offiziell als eben solcher anerkannt würde: Mehrere tausend Anhänger:innen Trumps fanden sich daher vor dem Weissen Haus zusammen, um Trumps Rede beizuwohnen, welche die üblichen verschwörungstheoretischen Topoi bediente und darin kulminierte, dass Trump rechtmässig gewonnen habe und ihm die Wahl gestohlen worden sei.
Plötzlich, nach etwa 50 Minuten von Trumps Rede, gerieten einige der Demonstrant:innen in Gang und bewegten sich Richtung Capitol Hill. Sie drangen schliesslich in das Gebäude des Capitols ein und zwangen die Sicherheitskräfte dazu, mit Waffengewalt einzuschreiten.
In den Schlagabtauschen zwischen Sicherheitsbeamt:innen und Trumpanhänger:innen wurden sogar eine Demonstrantin tödlich von einem Schuss getroffen und ein Beamter der United States Capitol Police mit einem Feuerlöscher so schwer am Kopf verletzt, dass er schliesslich verstarb. Gewaltakte, die sich wohlgemerkt in den Gängen des Capitols abspielten! Verstörende Bilder von Politiker:innen, die zu ihrer Sicherheit im Plenarsaal eingeschlossen worden waren und sich zwischen den Stühlen duckten, gingen um die Welt und vermittelten ein Bild der realen Gefahr.

Unter den Demonstrant:innen befanden sich ebenfalls Mitglieder der militanten rechtsradikalen Proud Boys. Ihr Vorsitzender Enrique Tarrio war noch am Montag vor dem Sturm auf das Capitol auf dem Weg nach Washington DC festgenommen und danach unter der Bedingung, des Distrikts Columbia verwiesen zu sein, wieder auf freien Fuss gesetzt worden. Ihm wird vorgeworfen, dafür verantwortlich zu sein, dass nach einem Zusammenstoss zwischen Black Lives Matter- und Proud Boys-Unterstützer:innen am 12. Dezember 2020 durch einige Proud Boys ein Black Lives Matter-Banner von einer Kirche in Washington DC runtergerissen und anschliessend verbrannt worden war. Bei der Festnahme Tarrios konnten zwei Magazine für das Sturmgewehr AR-15 sichergestellt worden.

Der Schock sass verständlich tief, als Trumpanhänger:innen mitsamt rechtsradikaler Elemente ein demokratisch gerechtfertigtes Wahlergebnis derart gewalttätig untergruben. Der Schock sass insbesondere bei all denen tief, denen Jahrzehnte lang eingetrichtert worden war, liberaler Kapitalismus und Autoritarismus würden sich gegenseitig ausschliessen, bildeten als Wortpaar ein Oxymoron.
Die Rechten und Rechtsextremen gefährden das System nicht, sondern stützen es
In den amerikanischen Medien beherrscht gerade ein Thema die Schlagzeilen wie kein anderes. Als am 1. Juni 2020 Black Lives Matter-Demonstrant:innen vor das Weisse Haus, nicht unweit vom Capitol, gezogen waren, lautete die Antwort noch staatlich sanktionierte Gewalt. 5’000 Uniformierte, gespeist aus Bundesbehörden und der Nationalgarde! waren aufgerückt. Tränengas war eingesetzt worden. Insgesamt hatte sich in 23 Bundesstaaten gezeigt, dass die US-Regierung zur Nationalgarde gegen die eigene Bevölkerung greift, wenn es sich um Black Lives Matter-Protestierende handelt.
Als aber dieses Jahr am 6. Januar Trump-Anhänger:innen das Capitol stürmten, just zur Zeit, da die demokratische Wahl der obersten Exekutive bestätigt werden sollte, wurden die Sicherheitskräfte vollkommen überrumpelt und zeigten abgesehen von der Überraschung nach allen agitierenden Aufrufen Trumps und seiner Schergen der letzten Monate, das Wahlergebnis unter keinen Umständen anzuerkennen, ein beinahe professionelles Verhalten: es wurde keine übermässige Gewalt gegen Bürger:innen angewendet oder Journalist:innen an ihrer Arbeit behindert (im Vergleich zu 148 Fällen von Angriffen auf Medienschaffende oder Behinderung der Berichterstattung während Black Lives Matter-Demonstrationen allein zwischen dem 26. Mai und dem 2. Juni 2020).
Im Gegensatz zur Stürmung des Capitols mit dem klaren Ziel, die demokratischen Wahlergebnisse zu konterkarieren, hatten sich die Black Lives Matter-Demonstrant:innen vor dem weissen Haus aber friedvoll verhalten und keinerlei Anzeichen der Eskalation geboten. Dieser zweigesichtige Umgang durch die amerikanischen Sicherheitsbehörden braucht aber nicht zu verwundern, weil er System hat. Denn Trump kam nicht etwa von aussen, um mit den demokratischen Gepflogenheiten des liberalen Kapitalismus zu brechen, sondern ist eine logische Konsequenz der kapitalistischen Gesellschaft. Er ist das Antlitz eines Kapitalismus, der die Herrschaft des Kapitals offener macht.
Mit dem 1. Juni und dem 6. Januar lieferte die Trump-Admin auch den Präzedenzfall für den systemischen Charakter rassistischer Diskriminierung im Kapitalismus. Wir wurden Zeuge, wie der Staat genau anders reagiert und eben nicht wegschaut, wenn es sich nicht um Rechtsradikale, sondern um die Lohnabhängigenklasse handelt, die sich dafür einsetzt, dass Schwarze Leben endlich auch gleich viel zählen. Die Trump-Admin hat dem liberalen Kapitalismus so seinen rührend-sentimentalen Schleier der Gleichheit vor dem Gesetz abgerissen und den bürgerlichen Staat auf die hässliche Fratze des Kapitals zurückführt: divide et impera! Damit soll mitnichten eine altertümlich und reduktionistische Rassismustheorie vom Dachboden der Vergangenheit geholt werden, die Rassismus lediglich als gesellschaftliche Erscheinungsform der Klassenspaltung erklärt. Gleichzeitig darf aber nicht vergessen werden, dass die USA eine Vergangenheit der systemeingebundenen Unterdrückung von BIPOCs aufzeigen. Es muss endlich als bezeichnend anerkannt werden, dass sich gerade der immer offener als Gewalt des Kapitals in Erscheinung tretende Kapitalismus mit Rechtsradikalen fraternisiert.
Was ist unsere Alternative?
Tatsächlich dürfen die Ansammlung an antidemokratischen Aktionen, die sich seit Trumps Wahlniederlage häuften und immer mehr zuspitzen, und die Gruppe Menschen, welche Trump damit gerade anspricht und mobilisieren kann, nicht als systemfremde Krankheit missverstanden werden.Auch die rechtsradikalen Gruppen, mit denen Trump liebäugelt, sind kein Fremdkörper im Kapitalismus. Trump ist Symptom der wachsenden Tendenz zur offenen Klassengewalt durch das Kapital, während Biden eher für eine Linie der Klassenaussöhnung und der verhüllten Ausbeutung steht. Hinter beidem aber steht das Kapital, das Unternehmer:innentum.
In einer Gesellschaft, die vom Profit der besitzenden Kapitalist:innenklasse abhängig ist, wird die Lohnabhängigenklasse entweder durch ein softes Ausbeutungsverhältnis eingebunden, mit höheren Löhnen und (oft unzureichender) gesellschaftlicher Sicherheit beschwichtigt, ja appeased! Letztlich aber wird sie davon abgehalten, sich zu holen, was ihres ist, da sie es erst erschaffen hat. Oder aber sie wird offen unterdrückt, um ihren Platz als Lohnsklav:innenklasse im Dienste des Unternehmer:innentums nicht zu vergessen.
Wir müssen uns von der Illusion verabschieden, dass unsere Rechte zur Mitbestimmung in der liberalen Demokratie sicher seien. Eine wirkliche Lösung, damit einhergehend eine wirkliche Demokratie, die nicht von der Gutmütigkeit einer kleinen Herrscher:innenklasse abhängig ist, bietet nur eine Gesellschaft, wo die Arbeiter:innen als Erschaffer:innen und Erhalter:innen des materiellen und gesellschaftlichen Reichtums besagten Reichtum, also unsere Gesellschaft, auch direkt selbstverwalten können. Deswegen lautet das Gegenmittel gegen Trump nicht, eine:n andere:n Kapitalist:in zu wählen,3 sondern als arbeitende Körperschaft unmittelbar selbst Politik und Wirtschaft zu bestimmen und zu lenken.

Was ist die Bewegung für den Sozialismus?
Quellenangaben
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Beauchamp, Z., Mason, J., Landay, J. (2021, 06.01.). How a “March for Trump” rally led to clashes at the Capitol. A Trump rally devolved into a breach of the Capitol building itself. In: Vox, abrufbar auf: https://www.vox.com. [09.01.2021].
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Fussnoten
[1] Im März 2017 wollte die Trump-Administration den Patient Protection and Affordable Care Act (Obamacare) durch mehrere Gesetzesentwürfe ersetzen. Der erste Schritt wäre ein unter dem Namen American Health Care Act laufender Gesetzentwurf gewesen, der faktisch die Verpflichtung zur Sozialversicherung seitens der amerikanischen Bürger:innen sowie die Umverteilung der Kosten durch Subvention seitens der Steuermittel in Händen der Regierung aufgehoben hätte, womit schätzungsweise 14 Mio. Menschen ihre Versicherung verlören. Nach massiven Druck aus dem Kongress, teils auch durch Republikaner (wobei eher aus taktischen Erwägungen), schwächte die Trump-Administration ihr Vorgehen ab, um es schleichender durchzuboxen, etwa über die Wiedereinführung einer Tarifdiskriminierung von Patient:innen, die bereits an Vorerkrankungen leiden.
Auch hier stiess Trump-Administration wieder auf Widerhall, ebenfalls von einigen Republikaner:innen. Schlussendlich intervenierte Trump 2017 per Dekret und ermöglichte Versicherungen, Patient:innen ohne Vorerkrankungen oder erhöhtem Erkrankungsrisiko auf ein Jahr befristete niedrigere Policen zu verkaufen und unterminierte so die Kosten von Obamacare (müssen gewisse Standards erfüllen, was halt kostet). Durch eine Kopplung von einem Haushaltsgesetz mit der individuellen Versicherungspflicht hob eine republikanische Mehrheit im Kongress 2018 die Verbindlichkeit des Versichertseins für 2019 de facto auf. Seit 2018 äussert die Trump-Administration ihr Intention, die Versicherungspflicht für Unternehmer:innen mit mehr als 30 Angestellten abzuschaffen. In: Wikipedia: Patient Protection and Affordable Care Act. Abrufbar auf: https://de.wikipedia.org/ (2020).
[2] Biden wehrt sich gegen eine universelle Versicherung in Form einer einheitlichen Staatskasse (im Falle der USA also Medicare for All), weil er die dazu benötigten Kosten von 35 Trio. als zu hoch ansieht. Er argumentiert damit, dass besagte Kosten dann auf die Besteuerung der Mittelklasse abgewälzt würden. In: Simmons-Duffin, S.: Comparing Biden’s And Trump’s Different Visions For Health Care. Abrufbar auf: https://www.npr.org (2020).
Der Patient and affordable Care Act (Obamacare), den Biden reinstallieren möchte, ist im Endeffekt ein neoliberaler Typ von Versicherung:
- Obamacare bietet ihre Leistungen oft über private oder zumindest zu grossen Teilen privat geführte Unternehmen (oft Tochternuntehmen multinationaler Versicherungsunternehmen), die profitorientiert funktionieren, an. Unter Obamacare heissen diese Accountable Care Organizations (AOS).
- Innerhalb Obamacare arbeiten unter dem bezeichnenden Namen Marketplaces auch Privatunternehmen, die Privatversicherungen mit staatlichen Fördermitteln anbieten.
- Öffentliche Krankenhäuser konkurrieren mit Privatkrankenhäusern, die obendrein ebenfalls mit staatlichen Fördermitteln bezuschusst werden, um Patient:innen, die durch Obamacare unterstützt werden.
- Die Versicherungsdienstleistungen gliedern sich unter Obamacare in stufenweise hierarchisierte Leistungspakte (tiered benefits packages). D.h. es gibt basale Dienstleistungen, die in einer Grundversicherung inbegriffen sind, und kostenpflichtige Zusatzleistungen. Durch die Restrukturierung der Dienstleistungen unter Obamacare wurden bestimmte Dienstleistungen, welche zuvor für ärmere Bevölkerungssegmente kostenfrei waren, mit Versicherungsprämien oder einem Selbstbehalt verknüpft.
- Die Verwaltung der äusserst komplexen Kapitalströme ist sehr kostspielig. Sie stellen um die 25% der Gesamtkosten. Da diese Kosten nicht direkt zu Versicherungsdienstleistungen an Patient:innen beitragen, werden sie auch von den Verantwortlichen Obamacares als «Waste» bezeichnet. In: Waitzkin, H., Hellander, I.: Obamacare. The Neoliberal Model Comes Home to Roost in the United States—If We Let It. Abrufbar auf: https://monthlyreview.org (2016).
[3] Der bürgerliche Staat beweist uns gerade, dass er Mitbestimmungsrechte nicht auf Dauer garantieren kann. Er bewies jedoch schon davor, dass er nicht auf eine umfängliche basisdemokratische Verwaltung, sondern im Bestfall auf das gesetzlich normierte Abtreten der eigenen Souveränität (freies Mandat) an Freunde des Kapitals ausgelegt ist. Beides, weil sein Sinn und Zweck schlussendlich in der Vermehrung des Profits des einzelnen liegt. Deswegen bieten die bürgerlichen Organe der Willensbildung auch keine lukrative Strategie für das Erreichen einer besseren Gesellschaft.
Der strikt revolutionäre Deutungsrahmen darf allerdings auch nicht missverstanden werden. Auf keinen Fall dürfen wir untätig ausharren, bis irgendwann die soziale Revolution ausbricht. Das genaue Gegenteil ist der Fall:
- Wir müssen uns fragen, warum ein Teil der amerikanischen Lohnabhängigenklasse den Autoritarismus, den Trump verkörpert, als derart attraktiv empfindet, dass sie jemandem hinterherfolgt, der so offensichtlich ihren eigenen Klasseninteressen zuwiderhandelt. Wir müssen uns daher auch fragen, wo wir diese Leute vielleicht einmal abholen könnten.
- Wir dürfen auch nicht tatenlos dabeistehen, während unsere Sozialversicherungen ausgehöhlt werden. Natürlich ist der Kampf um eine angenehmere Ausbeutung kein Ziel, das Zukunft hat. Denn wir können die Tendenz des Kapitals, uns weniger übrigzulassen, um mehr auf die Seite des Profits zu schieben, nur überwinden, wenn wir die Gesellschaft von Grund auf neu gliedern. Dazu muss die Lohnabhängigenklasse zu ihrem eigenen Herrn werden! Dennoch, nur eine gesunde Klasse ist eine für den Kampf erstarkte Klasse. Materielle Bedürfnisse der gesellschaftlichen Sicherheit müssen ernstgenommen und verfochten werden.
- Aber eine der vielleicht vielversprechendsten Anknüpfungspunkte mit einer wahrhaft revolutionären Perspektive bieten uns wohl selbstorganisierte Basiskollektive. Menschen, die sich aus ihren materiellen Bedürfnissen heraus (sinnvolle und selbstbestimmte Arbeit, genügend Einkommen, ökonomische Sicherheit, allgemeine Bildungsnähe, Antirassismus, Feminismus und eine lebenswerte Zukunft) und im Widerstand gegen einen bürgerlichen Staat, der sie offensichtlich systematisch damit allein gelassen hat, selbst und von Unten organisieren, verkörpern auf eine embryonale Weise echte Arbeiter:innendemokratie. Aktive Unterstützung (nicht kaderhafte Anführung) solcher Basiskollektive im Hier und Jetzt lohnt sich!