Der US-Präsident Donald Trump stösst weltweit zurecht auf breite Kritik und Widerstand. Sein Vorgehen und seine politischen Inhalte werden auch von vielen Politiker*innen in Europa kritisiert. Wer Trumps Politik und seine Forderungen allerdings genauer betrachtet und mit der Stossrichtung vieler europäischen Politiker*innen vergleicht, entdeckt schnell die absurde Scheinheiligkeit, welche hinter dieser Kritik steckt. Sei es Trumps geplanter Mauerbau oder seine Forderung nach Steuererleichterungen für die Reichsten und Unternehmen, seine frauenfeindlichen Äusserungen oder seine homophobe Grundhaltung, all diese Elemente finden wir auch in der europäischen und der Schweizer Politik nur allzu oft. Deshalb haben wir entschieden, einige Schweizer Politiker*innen bewusst provokativ zu «vertrumpen». Denn Trumps gibt’s auch hier. Und es ist unsere Aufgaben, die Schweizer Trumps zu bekämpfen! Es geht uns dabei nicht darum, in den Chor der personalisierten Kritik an Trump einzustimmen, und diese auf einzelne Exponenten der Schweizer Politik auszuweiten. Vielmehr wollen wir damit aufzeigen, dass die Elemente von rassistischer Ausgrenzung, Sexismus und neoliberaler Steuer- und Sparpolitik, wie sie in Trumps Agenda in extremer Weise zu Tage treten, allesamt die kapitalistische Herrschaftsordnung als solche charakterisieren. Sie können und müssen deshalb überall bekämpft werden.
von BFS Zürich/BFS Jugend Zürich
Mario Fehr (SP-Regierungsrat in Zürich)
Die Mauer zwischen den USA und Mexiko ist eine tragische Farce. Auch wenn sie nichts grundsätzlich Neues darstellt, da verstärkte Grenzzäune bereits existieren, so ist es doch ein weiterer Schritt zur Verschärfung der Repression gegenüber Migrant*innen in den USA. Nur ist eine Kritik am amerikanischen Mauerbau komplett absurd, wenn die Repressalien des europäischen Migrationsregimes gleichzeitig beschönigt werden. Was ist denn genau anders? Vielleicht der perfide Aspekt, dass Mexiko selber dafür bezahlen soll. Aber das Massengrab an der EU Aussengrenze existiert und wird von all jenen legitimiert, die weiterhin daran festhalten, dass das Boot voll sei und eben nicht alle kommen können.
In Zürich ist der SP-Regrierungsrat Mario Fehr ein grosser Vertreter dieser Argumentationslinie. «Wer nicht bleiben darf, soll schnell wieder gehen.» Er besteht darauf, dass Asyl eben nur denen zugestanden werden soll, die «echte Flüchtlinge» seien. Diese absurde Einteilung in «echte» und «falsche» Flüchtlinge, dient hier vor allem dazu, die politische Praxis Fehrs zu legitimieren. Den «falschen Flüchtlingen» macht sie das Leben zur Hölle. Seine Politik zielt auf die Schikane und Zermürbung der abgewiesenen Asylsuchenden, die er auf Gemeinde- oder Bezirksgebiet eingrenzt und zu zwei Präsenzkontrollen und der Übernachtung in den Notunterkünften verdonnert, wenn sie einen Anspruch auf die ohnehin schon viel zu tief angesetzte Nothilfe erheben wollen. Also, wenn wir die Mauerpolitik der Trump-Administration verurteilen, so müssen wir auch die Ein- und Ausgrenzungen, welche der Zürcher SP-Regierungsrat vorantreibt, verurteilen. Solidarisieren wir uns mit dem Widerstand gegen Trump, bekämpfen wir aber auch Mario Fehr und seine fremdenfeindliche Politik! Auch Fehr sperrt Geflüchtete aus!
Ueli Maurer (SVP-Bundesrat)
Trumps ökonomische Agenda beinhaltet zahlreiche Elemente eines intensivierten Neoliberalismus. Dies äussert sich nicht zuletzt in seiner Steuerpolitik. So beinhaltet Trumps «Tax Plan» eine massive Umverteilung von unten nach oben. Wie das Tax Policy Center vorrechnet, würden die Reichsten 1% massiv von den angekündigten Veränderungen profitieren und insgesamt 47% der Steuererleichterungen in Anspruch nehmen. Die 0.1 % Reichsten dürfen im Durchschnitt mit 1.3 Millionen Dollar Steuererleichterungen pro Jahr rechnen. Auf der anderen Seite der Einkommensskala würden rund 26 Millionen Menschen unter höheren Abgaben zu leiden haben. Disproportional betroffen sind Alleinerziehende und die Black- und Hispanic communities. Zusätzlich dazu will Trump die ohnehin schon extrem tiefen Unternehmenssteuern mehr als halbieren. Die rund 10 Billionen Dollar an Steuerausfällen, die gemäss dem Tax Policy Center aufgrund dieser Steuerpolitik zu erwarten sind, sollen – wenig überraschend – durch Kürzungen von öffentlichen Ausgaben und Privatisierungen finanziert werden, wovon wieder alle von der öffentlichen Infrastruktur abhängigen Lohnabhängigen betroffen sind.
Auch in der Schweiz wird eine Steuerpolitik betrieben, die die Profitinteressen der Grossunternehmen ins Zentrum stellt. Das letzte Beispiel: Die unter Regie von Finanzminister Ueli Maurer ausgearbeitete Unternehmensteuerreform III (USR III), mit welcher die Bürgerlichen massive Steuersenkungen für Unternehmen durchsetzen wollten. Die Vorlage wurde allerdings von der stimmberechtigen Bevölkerung am 12. Februar 2017 abgelehnt. Der schweizerische Gewerkschaftsbund rechnete aus, dass die USR Steuerausfälle in der Höhe von jährlich 4 Milliarden Franken bedeutet hätte. Steuerausfälle in Milliardenhöhe führen in einer bürgerlich dominierten Gesellschaft unweigerlich zu Sozialabbau. Der Service Public ist grundsätzlich ein Bestandteil unseres Soziallohns. Die Kosten der Steuererleichterungen für die Unternehmen werden also auf die Lohnabhängigen abgewälzt. Um diese unsoziale Steuerpolitik durchzusetzen schreckte Maurer auch nicht davor zurück zu versuchen, die Bevölkerung hinters Licht zu führen, in dem er sich weigerte, die erwarteten Einnahmeausfälle seiner Steuerreform zu beziffern. Schon die Unternehmensteuerreform II wurde von den Bürgerlichen an der Urne mittels falschen Zahlen durchgeboxt: Rudolf Merz sagte damals höchstens 900 Millionen Franken Steuerausfälle voraus. Schlussendlich waren es fast 20mal mehr. Die Unternehmenssteuer III mag an der Urne vorerst gescheitert sein. Die Bürgerlichen werden aber weiterhin versuchen, eine neoliberale Steuerpolitik à la Trump durchzusetzen. Dagegen müssen wir uns wappnen!
Andrea Geissbühler (SVP-Nationalrätin)
Donald Trump schockiert mit seinen extrem frauenfeindlichen Aussagen und Taten. Stolz äusserte er in einem Video 2005, wie er mehrmals versucht hatte eine Frau zu besteigen. Schrecklicherweise war dies bei weitem nicht die einzige sexuelle Belästigung, die Trump glorifizierte. Er fuhr fort, inwiefern sein Berühmtheitsstatus ihm erlaube, Frauen zwischen die Beine zu greifen, wann immer er wolle. Und zum Schluss beteuerte er, dass dies Frauen ja wollen und eh zulassen, da Männer mit ihnen machen können, was sie wollen. Da kommt uns das Kotzen gleich mehrfach! In Trumps Augen sind Frauen, unselbstständige Objekte, über die Männer verfügen können. Die Empörung gegenüber Trumps sexistischer und frauenfeindlicher Politik schlug hohe Wellen, was die weltweit organisierten Women’s Marches zeigten und zeigen.
Trump als Ausnahmefall zu sehen, den es alleine zu bekämpfen gilt, wäre jedoch falsch. Das lautstarke Ablehnen von Trumps Sexismus und sexualisierter Gewalt, scheint den Fokus auf die «Anderen» zu lenken und überdeckt die «Vergewaltigungskultur», die auch in der Schweiz vorherrschend ist. So erlauben sich SVP-Politiker*innen wie Andrea Geissbühler Aussagen, dass Frauen mitschuldig an Vergewaltigungen seien, wenn sie fremde Männer nach dem Ausgang mit nach Hause nehmen.
Die Vergewaltigungskultur (engl. Rape culture) zeigt sich jedoch nicht nur in Aussagen solcher Politiker*innen, sondern ist tief verwurzelt in unserer Gesellschaft. Zu finden ist sie unter anderem in Werbungen, die Produkte mittels sexualisierter Gewalt vermarkten, wenn zum Beispiel ein paar Levis-Jeans einer Frau von 5 Männern vom Leib gerissen werden. Aber auch in den konstruierten Geschlechterrollen, die Männer als Täter und Frauen als Opfer darstellen; in den Ratschlägen, dass Frauen sich nicht betrinken und sich nicht zu provokativ kleiden sollen; und schliesslich im geringen Anteil an Verurteilungen von Vergewaltigungsanzeigen. (Mehr unter https://sozialismus.ch/artikel/2017/feminismus-rape-culture-bekaempfen/)
Es reicht! Sexualisierter Gewalt und der Verharmlosung sexualisierter Gewalt, egal ob sie von Trump, Geissbühler oder sonst jemandem kommt, ist endgültig ein Ende zu setzen. Keine betroffene Person von sexualisierter Gewalt trägt in irgendeiner Weise Schuld daran! Stehen wir ein für das Recht auf Selbstbestimmung hinsichtlich Körper, Geschlecht, sexueller Orientierung, Verhalten und Aussehen.
Roger Köppel (SVP-Nationalrat)
Dank Donald Trump machte ein Schlagwort die Runde in der Weltpresse, das so schnell nicht wieder verschwinden wird: Fake News. Trumps eigen- und teils märchenartige Interpretation seiner gesellschaftlichen Umwelt, welche er täglich auf Twitter mit der Weltbevölkerung teilt, löste eine breite Diskussion über den Wahrheitsgehalt rechter Hetze (und deren reale Auswirkungen) sowie über die Verantwortung von «seriösen» Medien(-konzernen) aus. Es wurde öffentlich darüber debattiert, ob die teils völlig offensichtlichen Lügen und Erfindungen, die Trump verbreitete, bewusste Propaganda sind oder doch eher von seinem beschränkten Intellekt – insbesondere was die internationale politische Situation anbelangt – herrühren. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür war Trumps Erfindung eines Terrorattentats in Schweden Mitte Februar 2017.
In der Schweiz übernimmt diese Arbeit unter anderem die rechtskonservative «Weltwoche» und ihre Chefredaktor Roger Köppel. Der SVP-Nationalrat ist nicht nur dafür bekannt, eine hetzerische, fremdenfeindliche Wochenzeitung zu produzieren, sondern auch für seinen lockeren Umgang mit gesellschaftlichen Tatsachen und politischen Fakten.
Das Jonglieren mit «alternativen Fakten» ist umso gefährlicher, da die Weltwoche als «massentaugliche, seriöse Theoriezeitschrift der SVP» massgeblich zur Verbreitung der politischen Stossrichtung und der neokonservativen Ideologie der SVP beiträgt. Die wöchentlichen Stories über angebliche albanische Messerstecher oder arbeitslose Ausländer, die auf Staatskosten in die Ferien gehen, sind zwar stets übertrieben, verdreht oder erfunden, doch finden sie ihr Echo in Stammkneipen oder in den hohlen Räumen rechter Gehirne. Diese Stories, egal ob sie von Trump oder Köppel stammen, sind ein wesentlicher Bestandteil der alltäglichen rechten Hetze und gehören von uns aufgedeckt, widerlegt und bekämpft.
Toni Bortoluzzi (ex SVP-Nationalrat)
Die gelegentlichen Versuche des Präsidenten Trumps sich als LGBT-freundlich (Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender) darzustellen, sind äusserst fragwürdig. Er inszeniert sich als weisser Beschützer nicht-heterosexueller Menschen und verwendet dies um seine rassistische Politik zu legitimieren, indem er andere «Kulturen» als allesamt homophob darstellt. Seit seiner Ernennung bewies er aber, wie wenig ihm an den Rechten von LGBT-Personen liegt. Er füllte sein Kabinett mit einem Haufen Politiker*innen, welche für ihre aggressive anti-LGBT-Einstellung bekannt sind.
Als Beispiel hierfür sei der Vize-Präsident Mike Pence genannt, welcher sich unter anderem dafür einsetzte, dass Geschäfte mit Berufung auf Religionsfreiheit homosexuelle Menschen nicht bedienen müssen oder dass LGBT-Schutzgesetze abgebaut werden. Des Weiteren ist er für seine positiv Einstellung zur Reorientierungstherapie (Aberziehung von Homosexualität) bekannt. Andere Mitglieder*innen in Trumps Kabinett kämpfen gegen die in einigen Staaten eingeführte Homo-Ehe. Dass sich ein Aufstieg solch homophober und rassistischer Politiker*innen auch unmittelbar in der Gesellschaft bemerkbar macht, zeigte der drastische Anstieg an Hassverbrechen gegen People-of-Colour und nicht-heterosexuelle Menschen nach der Wahl von Trump.
Dennoch genügt es nicht den Blick nur auf die amerikanischen Exponenten dieser neoliberalen, neokonservativen Ideologie zu werfen, sondern auch ihre Pendants in der Schweiz müssen gesehen werden. Ein Politiker, welcher die neoliberale Wirtschaftsideologie, die Fremdenfeindlichkeit und das konservative Menschen- und Familienbild von Trump teilt, ist der ex SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi. Wie auch Trump, bezeichnet er alle nicht-heterosexuellen oder nicht-cis-geschlechtlichen Menschen[1], als widernatürlich. Solche Aussagen sind nicht leere Platituden, sondern spiegeln sich auch in den politischen Forderungen der SVP wieder. So unterstützten sie im Herbst 2016 die Initiative zum «Schutz der Ehe». Diese Initiative versuchte die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau im Gesetz fest zu halten und somit Bestrebungen für die Öffnung der Ehe massiv zu erschweren. Damit wollten sie homosexuelle Menschen von den Privilegien der Ehe, wie Adoptionsrecht oder erleichterter Einbürgerung, auszuschliessen.
Bortoluzzis und auch Trumps Politik ist darauf ausgelegt, die Privilegien von weissen, heterosexuellen, reichen Männern (d.h. Inklusive ihnen selbst) zu sichern und auszubauen. Dies führt immer zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen aller anderen. Um ihnen Gegensteuer zu bieten, müssen wir uns klar für LGBTIQ*-Rechte einsetzen und diesen Kampf gleichzeitig antirassistisch und antikapitalistisch führen.
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[1] Cis-geschlechtliche Menschen können und/oder wollen sich mit dem Geschlecht identifizieren, welches ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Vereinfacht gesagt stimmt ihr biologische Geschlecht mit dem sozialen überein.