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Ja zur Prämien-Entlastungs-Initiative, Nein zur Kostenbremse-Initiative

Angesichts der explodierenden Krankenkassenprämien ist die Debatte und die politische Mobilisierung für eine umfassende und radikale Alternative zum heutigen Krankenversicherungssystem dringender denn je. Die Volksinitiative „Maximal 10 Prozent des Einkommens für die Krankenkassenprämien (Prämien-Entlastungs-Initiative)“ der SP kann die Lage der Lohnabhängigenklasse lindern, löst aber nicht das grundlegende Problem. Die Kostenbremse-Initiative der Mitte wiederum ist ein Betrug und zielt am zentralen Problem vorbei.

von BFS/MPS

Ja zur Initiative zur Begrenzung der Krankenkassenprämien auf 10% des Einkommens…

Die Bewegung für den Sozialismus (BFS/MPS) unterstützt die Idee eines Krankenversicherungssystems, das wie eine Sozialversicherung durch einen mit der Lohnhöhe ansteigenden Betrag finanziert wird, der zwischen Unternehmen und Lohnabhängigen geteilt wird (wie z.B. die AHV). Eine solche Lösung würde die Leistungen verbessern und die Prämien weit unter die heutigen Werte senken. Denn die aktuellen Prämien funktionieren nach dem Prinzip der Kopf-Prämie und sind unsozial, weil sie keinerlei Rücksicht auf das Einkommen der Versicherten nehmen.

Groben Berechnungen zufolge würde ein Beitrag von rund 8% ausreichen – also 4% zu Lasten der Lohnabhängigen –, um alle Ausgaben zu finanzieren, die im aktuellen System von den Lohnabhängigen getragen werden. Bei diesen Ausgaben geht es nicht nur um die Krankenkassenbeiträge, sondern auch um eine Reihe anderer direkter Zahlungen (Selbstbeteiligung aufgrund der Franchisen, Kostenbeteiligung, Zahnbehandlungen, Beiträge an Altersheime, rezeptfreie Medikamente usw.). Die von den Lohnabhängigen getragenen Kosten machen den grössten Anteil (55 Milliarden Franken) an den gesamten jährlichen Gesundheitsausgaben aus (etwas mehr als 91 Milliarden Franken). Und auch der zweitgrösste Anteil der Rechnung wird von den Lohnabhängigen als Steuerzahler:innen bezahlt (mehr als 30 Milliarden Franken).

Ein realpolitischer Versuch für die Zwischenzeit

Doch bis wir zu einem sozial finanzierten Gesundheitssystem kommen, muss verhindert werden, dass die immer schwerer tragbare Last der Krankenkassenprämien auf den Schultern der Lohnabhängigen noch grösser wird. Solche Massnahmen hätten längst ergriffen werden müssen. Wir denken dabei an gewerkschaftliche Forderungen wie:

  • die Aufnahme des Beitrags an die Krankenkassenprämien in die Gesamtarbeitsverträge (bisher nur in der Uhrenindustrie der Fall)
  • die Integration der Krankenkassenprämien (und ihrer Entwicklung) in den Landesindex der Konsumentenpreise, um die Inflation genauer zu messen und entsprechende Lohnforderungen stellen zu können
  • die Erhöhung der Individuellen Prämienverbilligungen (IPV) in den Kantonen
  • die kantonal finanzierte Prämienbefreiung von Minderjährigen

Es bräuchte eine breite und dauerhafte Mobilisierung

Das sind Forderungen, die zwar schnell umgesetzt werden können, für die es aber eine breite und dauerhafte Mobilisierung der noch intakten Reste der Arbeiter:innenbewegung bräuchte. Es reicht nicht aus, alle drei bis vier Jahre eine Initiative zu lancieren, in den sechs Monaten vor der Abstimmung zu agitieren und sich dann zu beschweren, dass sich die Krankenkassenlobby dank millionenschweren Gegenkampagnen doch wieder durchsetzen konnte.

Die Initiative der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP), die Krankenkassenprämien auf 10% des Einkommens zu begrenzen, entspricht genau dieser Logik. Denn sie löst keines der grundlegenden Probleme, mit denen wir konfrontiert sind. Erstens stellt sie weder die Macht der Krankenkassen noch ihre Logik der Überwälzung der Kosten(-steigerungen) auf die Versicherten in Frage. Das tut sie sogar so wenig, dass einige Führungskräfte grosser Krankenkassen gewisse Sympathien für die Initiative nicht verbergen konnten. Zweitens stellt die Initiative gerade das unsoziale System der Kopfprämien nicht in Frage. Und drittens ermöglicht sie auch keine Fortschritte in Richtung einer einzigen nationalen Krankenkasse.

Und dennoch, im aktuellen Kontext würde diese Initiative für viele Familien, die mehr als 10% ihres Einkommens als Prämie zahlen, zumindest eine Erleichterung bedeuten. Nimmt man nämlich die nationale Grundprämie, so zahlen Familien in 24 von 26 Kantonen (nach Abzug der öffentlichen Zuschüsse) mehr als 10%. Und auch wenn man von der schweizweiten Durchschnittsprämie ausgeht, zahlen in mindestens der Hälfte aller Kantone Familien mehr als 10% ihres Einkommens. Dies ist Grund genug, um mit einem Ja zur Prämien-Entlastungs-Initiative zu stimmen. Die Annahme der Vorlage wäre darüber hinaus ein nützlicher Schritt zur Förderung eines breiteren sozialen Widerstands.

…und Nein zur Kostenbremse-Initiative der Mitte

Die von der Partei Die Mitte lancierte Volksinitiative „Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen (Kostenbremse-Initiative)“ basiert auf der Idee, dass die Gesundheitskosten in der Schweiz überhöht seien und deshalb eingedämmt werden müssten. Darum fordert die Partei mit der Initiative, dass die Gesundheitskosten im Vergleich zu den Löhnen nicht um mehr als 20% steigen dürfen. Wäre dies der Fall, müssten Bund und Kantone kostendämpfend eingreifen.

Die Initiative entspringt dem Denken der Unternehmer:innen und der Krankenkassenlobby – was nicht überraschend ist, da diese mächtige Lobby in der Mittepartei stark vertreten ist. Einerseits ist es den Initiant:innen gleichgültig, dass die Kostensteigerungen weiterhin auf die Schultern der Lohnabhängigen abgewälzt werden. So wird trotz des gefassten Vorsatzes gar kein konkreter Mechanismus vorgeschlagen, um zu verhindern, dass die Prämienlast steigt. Die Kostenbremse-Initiative beschränkt sich faktisch auf die – keineswegs bewiesene – allgemeine Vorstellung, dass die Krankenkassen die Prämien auch nicht anheben würden, wenn nur die Kosten nicht steigen.

Das Grundproblem ist nicht die Höhe der Kosten, sondern deren unsoziale Finanzierung

Zudem bestärkt die Initiative die Vorstellung, dass wir es in der Schweiz mit einer unkontrollierten gesamtgesellschaftlichen „Explosion der Gesundheitskosten“ zu tun hätten. In Wirklichkeit ist dies jedoch keineswegs der Fall. Dabei genügt es hierbei, daran zu erinnern, dass die Gesundheitsausgaben im Jahr 2004 10,1% des BIP betrugen. Im Jahr 2022 waren es 11,7%. Weiter ist diese Quote mit derjenigen unserer Nachbarländer vergleichbar (Deutschland 12,7%, Frankreich 12,1%). Sie ist auch deutlich niedriger ist jene der USA (16,6%), die das teuerste Gesundheitswesen der Welt haben.

Das Grundproblem ist aber nicht die Höhe der Kosten, die in erster Linie Ausdruck des Wohlstands eines Landes ist, sondern deren unsoziale Finanzierung. Auf eine soziale Entlastung zielt die Kostenbremse-Initiative hingegen gerade nicht ab! Sie verhindert also nicht, dass die Kosten des Gesundheitswesens vor allem von Familien und Lohnabhängigen getragen werden, die – wie oben erwähnt – zwei Drittel der Gesamtkosten durch Prämien und Direktzahlungen bezahlen und darüber hinaus einen steuerlichen Beitrag zur Finanzierung des restlichen Drittels leisten, das durch die öffentliche Hand berappt wird.

Leider hat das Parlament praktisch einstimmig einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative angenommen. Auch damit will Druck auf das Gesundheitssystem ausgeübt werden, um die Kosten zu „kontrollieren“. Im aktuellen Kontext bedeutet dies eine systematische Politik des Leistungsabbaus, insbesondere in den Spitälern, aber auch im ambulanten Bereich. Die ersten Folgen davon sehen wir bereits in den Äusserungen einiger Gesundheitspolitiker:innen, die die Schliessung eines Drittels der Krankenhäuser in diesem Land fordern. 

Aus diesen Gründen lehnen wir die Volksinitiative der Mitte zur Eindämmung der Gesundheitskosten ab.

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