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Eine radikal antikapitalistische Opposition im Tessiner Parlament

Die Tessiner Sektion der Bewegung für den Sozialismus (BFS/MPS) hat bei den Kantonsratswahlen am 7. April 2019 mit 2,4% Wähler*innenanteil drei Sitze gewonnen. Das Wahlresultat ist im schweizerischen Kontext überraschend. Es ist in erster Linie auf die konsequente Oppositionspolitik und das Aufdecken von Korruptionsskandalen, in die alle etablierten Tessiner Parteien involviert waren, durch den bisherigen BFS-Kantonsrat Matteo Pronzini zurückzuführen. (Red.)

von BFS Tessin; aus mps-ti.ch

Die Bewegung für den Sozialismus (BFS/MPS) hat die Ergebnisse der Kantonswahlen mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, bei denen die Liste der BFS-POP[1]-Unabhängige die Zahl der Sitze im Kantonsparlament verdreifacht hat. Dies ist umso erfreulicher, weil der bisherige Kantonsrat Matteo Pronzini von zwei Frauen flankiert wird (Angelica Lepori und Simona Arigoni), die vor allem in der Frauen*streik- und der Klimabewegung aktiv sind. Auch im Hinblick der Parteistimmzettel (die unserer Meinung nach das einzige Kriterium für die Bestimmung der politischen Machtverhältnisse zwischen den Parteien sind) stellen wir fest, dass wir von den 1863 Stimmen zugunsten der Liste der BFS-PC (Partito Comunista[2]) im Jahr 2015 auf insgesamt 3596 Stimmen angewachsen sind und damit mehr als die doppelte Anzahl Stimmen erreicht haben.

2. Unsere Liste hat ihre Kampagne auf die Notwendigkeit ausgerichtet, eine Politik der Opposition gegen die Regierung [bestehend aus Lega, FDP, CVP und SP] aufzubauen, indem wir immer wieder diejenigen Themen hervorgehoben haben, zu denen wir einen radikal anderen Standpunkt vertreten als die Regierung und diejenigen Parteien, die das Handeln der Exekutive unterstützt haben. In Bezug auf die Stimmen für das Kantonsparlament, stellen wir fest, dass alle Regierungsparteien teils massiv Stimmen verloren haben: Die Tessiner Lega hat 6558 Stimmen verloren (das entspricht einem Verlust von 23,8% im Vergleich zu 2015), die FDP 3307 (Verlust: 11,06%), die CVP 2116 (Verlust: 10,33%) und die SP 1001 (Verlust: 6,16%). Das sind unbestreitbare Tatsachen.

3. Unsere Liste zeigt signifikante Ergebnisse sowohl insgesamt als auch in den wichtigen Zentren des Kantons. Ausgehend von der Annahme, dass unser bisheriges Ergebnis aus dem Jahr 2015 (welches durch eine Listenverbindung mit der PC erreicht wurde) gleichmäßig zwischen BFS und PC verteilt werden kann (je 736 Stimmen plus 391 Stimmen, die wir auch im Jahr 2015 von der POP-Liste erhalten haben), war unser Ausgangspunkt dieses Jahr 1127 Stimmen (736+391). Bei den aktuellen Wahlen 2019 erreichten wir 2440 Stimmen, was einer Steigerung von 1313 und einem Zuwachs von 116,5% entspricht.

In vielen wichtigen Zentren des Kantons nähert sich unsere Liste den 3% der abgegebenen Stimmen oder überschreitet diese sogar: Bellinzona, Locarno, Ascona, Balerna, Chiasso, Massagno, Capriasca, Biasca, Arbedo-Castione usw. Es ist das erste Mal seit Jahren, dass eine Liste der radikalen Linken in diesen Orten mehr als 1% erreicht.

4. Die von unserer Liste BFS-POP-Unabhängige entwickelte Kampagne war nahe an den Interessen der arbeitenden Bevölkerung. Wir organisierten eine Reihe von regionalen Versammlungen (insgesamt etwa zwanzig), um mit denjenigen Menschen in Kontakt zu treten und zu diskutieren, die uns in den letzten Jahren bei unseren Kampagnen zu verschiedenen Themen aktiv unterstützt haben: von der Mobilisierung gegen die neue Spitalplanung und den damit verbundenen Privatisierungsversuchen bis hin zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping; von der Verteidigung von Arbeitsplätzen in den SBB-Werkstätten in Bellinzona bis zur Denunziation inakzeptabler Situationen im sozialen Bereich (Altersheime, Haushaltshilfen usw.); gegen den illegalen Spesenbezug und die illegale Aufbesserung der Rentenleistungen durch die Regierungsmitglieder; gegen die unsoziale Steuerpolitik, die mit sogenannten «sozialen Versprechen» verknüpft und durchgesetzt wurde, von denen mehr als ein Jahr später überhaupt nichts zu sehen ist.

5. Das Wahlergebnis ändert nichts, wie einige naiv – oder dumm – glauben, an den grundlegenden Machtverhältnissen zwischen den sozialen Klassen. Wir wissen, wie strikt die Grenzen einer parlamentarischen Beteiligung sind. Aber wir sind uns bewusst, dass diese Bühne nützlich sein kann, um unseren Standpunkt darzulegen, um den sozialen Mobilisierungen ein Echo zu verschaffen und um die Regierungspolitik und alle Parteien, die sie unterstützen, mit Nachdruck anzuprangern.

Wir waren und sind keine „konstruktive“ oder „verantwortungsbewusste“ Opposition; wir werden eine radikal antikapitalistische Opposition sein, die sich vor allem mit sozialen Mobilisierungen befassen wird.

In den kommenden Monaten sehen wir uns mit mehreren sozialen Kämpfen konfrontiert: von der Klimabewegung, die sich gegen die klimatischen Folgen des auf fossilen Brennstoffen basierenden Kapitalismus wehrt, über die Frauen*streikkampagne bis hin zur Verteidigung der Arbeitsplätze in den SBB-Werkstätten in Bellinzona, über deren Zukunft in der jetzigen Form am 19. Mai 2019 abgestimmt wird; also am selben Datum, an dem wir auch über die unsoziale und sexistische Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) auf Bundesebene abstimmen werden. All diese Kämpfe haben für uns oberste Priorität.

Übersetzung und leichte Überarbeitung durch die Redaktion.


[1] Partito operaio e popolare (POP) ist die Tessiner Sektion der Partei der Arbeit (PdA).
[2] Neostalinistische Abspaltung der POP.

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