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Eine feministische Kritik am 3-Säulen-Modell

Das Wichtigste in Kürze

  • Die bestehende Ungleichheit in den Rentenbeiträgen hat eine geschlechtsspezifische Dimension: Im Schnitt liegt die Altersrente von Frauen um ca. 33% tiefer als die von Männern. 
  • Die sexistische Diskriminierung in der Altersvorsorge wird besonders in den Rentenbeiträgen der zweiten Säule deutlich: 2021 konnten weniger als die Hälfte der Frauen eine Altersrente aus der zweiten Säule beziehen, die zudem im Schnitt deutlich tiefer ausfällt als die von Männern. 
  • Durch die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern, der Feminisierung von Branchen mit niedrigeren Löhnen und der häufigeren Teilzeitbeschäftigung von Frauen, fehlt vielen Frauen eine Rente in der zweiten Säule. Die dadurch bedingte erhöhte Altersarmut bei Frauen kann existenzbedrohend sein und zudem bestehende Abhängigkeitsverhältnisse verstärken. 
  • Die zweite Säule, die auf dem unsolidarischen Selbstfinanzierungsprinzip beruht, verstärkt bestehende materielle Ungleichheiten und kann keine Perspektive für eine solidarische, sichere und faire Altersvorsorge für alle sein. 
  • Die BVG-Reform sieht lediglich ein oberflächliches Feilen an den Berechnungswerten der Rentenbeiträge vor und lässt die ungerechten Finanzierungs- und Verteilungsmechanismen unberührt. 

Ungleichheiten in der Altersvorsorge sind nicht nur eine Frage der Klasse, sondern haben auch eine geschlechtsspezifische Dimension. So liegt die Altersrente von Frauen[1] im Durchschnitt um ca. 33% tiefer als die von Männern. Besonders benachteiligt sind Frauen bei der Rente aus der zweiten Säule. Im Jahr 2021 konnten weniger als die Hälfte der Frauen eine Altersrente aus der zweiten Säule beziehen, die zudem im Schnitt deutlich tiefer ausfällt als die von Männern.[2] Da die Rentenbeiträge der der zweiten Säule von der Einkommenshöhe und bezahlten Erwerbsdauer abhängen, verstärkt sie die materielle Ungleichheit zwischen den Geschlechtern besonders.

Gründe für geschlechterspezifische Diskriminierung

Die Gründe für die viel geringeren Renten der Frauen liegen in der patriarchal bedingten ungleichen Verteilung der Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern, der Feminisierung von Branchen mit niedrigeren Löhnen und der häufigeren Teilzeitbeschäftigung von Frauen. In der bürgerlichen Kleinfamilie sind es mehrheitlich Frauen, die unbezahlte Sorge- und Betreuungsarbeit leisten müssen. Mit der Geburt und dem Grossziehen eines Kindes geht häufig ein Lohnarbeitsausfall oder eine Reduzierung dieses Pensums von Frauen einher, die trotz der geleisteten Care-Arbeit eine Lücke in der beruflichen Vorsorge hinterlässt. Die häufige Doppelbelastung von Frauen durch Lohn- und Sorge-Arbeit wird zusätzlich durch das Fehlen staatlicher und bezahlbarer Betreuungsangebote verstärkt. In der AHV gibt es jedoch Erziehungs- und Betreuungsgutschriften für die geleistete Care-Arbeit. Dieser Entschädigungsmechanismen wirkt der sexistischen Diskriminierung entgegen, weshalb es in der Altersvorsorge der 1. Säule kaum eine Ungleichheit zwischen den Geschlechtern gibt. 

Niedrige Löhne – niedrige Renten 

Auch die Sphäre der Lohnarbeit ist von einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung geprägt. Frauen erhalten einen tieferen Lohn für die gleichwertige Arbeit und sind häufiger in Niedriglohnsektoren und Teilzeitpensen beschäftigt. Aufgrund der Eintrittsschwelle in die obligatorische berufliche Vorsorge (BV) ab einem Einkommen von 22`000.- pro Jahr und dem Koordinationsabzug, der vom Jahreslohn abgezogen wird und den versicherten Lohnanteil der 2. Säule bestimmt, fallen viele Menschen aus dem gesetzlichen Obligatorium der BV heraus. Dies betrifft am stärksten Teilzeitbeschäftigte und zu niedrigen Löhnen arbeitende Frauen und Migrant:innen. 

BVG-Reform kürzt Renten

Die zur Abstimmung kommende BVG-Reform sieht hierfür nur minimale Veränderungen vor, indem lediglich an den Zahlen, die die Grundlage der Berechnungen der Rentenbeiträge darstellen, gefeilt wird: Die Eintrittsschwelle zur BVG wird neu auf ein Einkommen von 19`000.- pro Jahr gesenkt und anstelle eines fixen Koordinationsabzug, sieht die Reform eine prozentuale Lösung von 20% des Jahreslohns vor. Die zugrunde liegenden ungerechten Finanzierungs- und Verteilungsmechanismen bleiben dadurch jedoch unangetastet. Die höheren Lohnabzüge mit der vorgesehenen Senkung des Umwandlungssatzes bedeuten eine de facto gekürzte Rente! Da die zweite Säule auf dem Prinzip der Selbstfinanzierung beruht, werden bestehende soziale Ungleichheitsverhältnisse und Diskriminierungen verstärkt, anstelle einer solidarischen, sicheren und fairen Rente für alle!

Deshalb bekämpfen wir die Pensionskassen und plädieren für eine solidarische Alternative, die nicht in fossile Energien investiert, die keine Ausbeutung des globalen Südens vorantreibt, die nicht die Mieten in die Höhe treibt. Wir wollen eine (schrittweise) Auflösung der zweiten und dritten Säule bei gleichzeitigem Ausbau der ersten Säule zu einer Volkspension, die einer progressiven Wohnpolitik nicht im Weg steht und allen ein würdiges Leben im Alter garantiert. Ein erster Schritt dazu kann die 13. AHV sein.


[1] Die Verwendung der Wörter “Frauen” und “Männer” in diesem Text ist auf das binäre System von Statistiken zurückzuführen. Sie widerspiegeln jedoch nicht die Sicht der Autor:innen. 

[2] Bundesamt für Statistik – Pension gap: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/wirtschaftliche-soziale-situation-bevoelkerung/gleichstellung-frau-mann/einkommen/pension-gap.html [18.12.2023]

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