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Griechenland: Die Wahrheit über die griechische Staatsverschuldung

Im Jahre 2010 war das Problem in Griechenland nicht die griechische öffentliche Verschuldung, sondern die Lage der griechischen und der damit verbundenen deutschen und französischen Privatbanken. Dies bestätigt der 1. Bericht der Wahrheitskommission über die griechische Staatsverschuldung.
von Eric Toussaint
Das grundlegende Problem auf welches die EZB, die EU-Kommission, der IWF, die französische und deutsche Regierung eine Antwort geben wollten, war nicht jenes der öffentlichen Staatsverschuldung Griechenlands, sondern das Problem das die deutschen und französischen Banken mit den griechischen Privatbanken hatten.

Wie kam es dazu?

2001, als Griechenland zur Eurozone kam, überschütteten deutsche und französische Banken die griechischen Banken mit privaten Konsumkrediten, die zur Spekulationsblase führten. Griechische Privatbanken vergaben 7 Mal mehr Kredite an die Haushalte als vorher; 4 Mal soviel an die Privatfirmen; aber jene Gelder, die an den griechischen Staat flossen, stiegen nur um 20%.
Zwischen 2001 und 2009 wollten die französischen und deutschen Banken ihr Geld absolut dorthin verleihen, da dies aufgrund der höheren Zinserträge viel profitabler war, als in Deutschland oder Frankreich selber.
Ende 2008 (2007 brach Subprimekrise in den USA aus) standen die griechischen Banken vor der Pleite; ebenso wie die irländischen, die belgischen, die isländischen usw. und dies bedrohte indirekt wiederum die griechischen Banken und wenn diese Pleite gingen, so zögen sie die deutschen und französischen mit in den Abgrund.
Ende 2008 rettete aus diesem Grund die Regierung von Karamanlis [griechischer Ministerpräsident der konservativen Nea Dimokratia von 2004 bis 2009] ihre Banken mit einem Bankenrettungsplan von 25 Mrd. Euro. Davon gingen 3,5 Mrd. an die griechischen Banken und der Großteil wurde als Bankengarantie eingesetzt.
Dieser staatliche Rettungsplan der Privatbanken machte den Finanzmärkten Angst, da der griechische Staat die Risiken der Privatbanken übernahm und in Schwierigkeiten kommen würde. Die internationalen Banken erhöhten im Januar 2009 die Zinssätze gegenüber Griechenland. Im Laufe des Jahres 2009 hatte sich die Lage der griechischen Banken nicht gebessert.
Die griechische Wirtschaft schlitterte in eine Rezession. Die stark verschuldeten privaten Haushalte und Firmen konnten nicht mehr zurückzahlen, was die Spekulationsblase, mit folgenschweren internationalen Auswirkungen zum Platzen zu bringen drohte, wobei sich gleichzeitig in den anderen EU-Ländern eine Bankenkrise ausbreitete.
Die griechischen Privatbanken erhöhten den Druck auf die Regierung Karamanlis nach den Wahlen im Oktober 2009 und nach dem Sieg von Papandreou [griechischer Ministerpräsident der sozialdemokratischen PASOK von 2009 bis 2011] auf diesen, um einen neuen Bankenrettungsplan für ihre Banken zu erreichen. Man verbreitete die „Information“, dass die deutschen und französischen Banken wegen der griechischen Staatsverschuldung in Schwierigkeiten seien. In Wirklichkeit bestanden 55% der Kredite gegenüber den griechischen Privatbanken.

Die Täuschung der Öffentlichkeit

Darin waren vor allem drei französische Großbanken; die BNP; Paribas, und die Société Générale und in Deutschland die Commerzbank und einige andere (siehe Seite 17 des Berichts) involviert.
Sie taten sich mit Sarkozy, Merkel, der Regierung Papandreou und Dominik Strauß Kahn vom IWF zusammen, um unter dem Vorwand, Griechenland zu Hilfe zu kommen, einen Hilfsplan für die Banken einzurichten.
Sie gaben vor, die öffentlichen griechischen Banken zu retten, da sie das internationale Bankensystem bedrohen würden. In Wirklichkeit waren es die Privatbanken, die alles bedrohten.
Papandreou hat mit Hilfe von Eurostat [Statistikamt der EU] und der EU-Kommission Ende 2009 Anfang 2010 eine Fälschung der öffentlichen griechischen Staatsdaten vorgenommen, um der internationalen Öffentlichkeit erklären zu können, dass im neuen Staatsdefizit die Neuverschuldung bei 14% liege (laut Maastricht-Kriterien darf die Neuverschuldung maximal 3% betragen). All dies, um einen neuen Rettungsplan auf Schiene bringen und um das Memorandum vorbereiten zu können.
Dieser sogenannte „Hilfsplan für Griechenland“ war in Wirklichkeit ein Hilfsplan für deutsche, französische und einige andere Banken in der Eurozone und um die griechischen Privatbanken zu retten. Letztere sollten rekapitalisiert werden, um die Kredite und Zinsen gegenüber den oben genannten Banken zurückzahlen zu können.

  1. Schlussfolgerung: Die griechische Krise von 2010 war nicht eine öffentliche griechische Staatsfinanzkrise, sondern eine private Bankenkrise der deutschen und französischen Banken, die vor der Explosion stand.

Diese Täuschung wurde durchgeführt, weil es nicht mehr möglich war, der Öffentlichkeit die Wahrheit zu verkaufen, da 2008 schon einmal die Privatbanken von den Staaten gerettet worden waren.

  1. Schlussfolgerung: Sicherlich lag das griechische Staatsdefizit Ende 2009 Anfang 2010 bei 100% des BIP und man musste es radikal reduzieren. Der IWF, die EZB und EU-Kommission haben jedoch beschlossen nicht das Defizit zu reduzieren, sondern Griechenland nur weiter zu verschulden, um die Privatbanken bedienen zu können.

Der Grund, die Staatsschulden Griechenlands nicht zu reduzieren war, Zeit zu gewinnen – etwa eineinhalb Jahre – damit die deutschen und französischen Privatbanken ihre griechischen Anleihen loswerden konnten.

  1. Schlussfolgerung: Wie wurde das Memorandum [2010; seither gab es noch zwei weitere] erarbeitet und zu welchem Zweck? Einerseits zum Schutz der Interessen der Privatbanken und andererseits, um Griechenland strukturelle, neoliberale extrem brutale Maßnahmen aufzuerlegen (Löhne runter, Pensionen reduzieren; maximale Privatisierungen einzufordern etc.).

Griechenland sollte das Modell einer neoliberalen Gesellschaft werden wie im Jahr 1973 Chile unter der Militär-Diktatur von Pinochet als Labor gedient hat, um den Neoliberalismus für ein Maximum der Länder vorzubereiten.

Geheimdokumente des IWF

Im Geheimdokument der IWF-Vorstandssitzung vom 25. März 2010 (zwei Monate vor dem Memorandum im Mai 2010) wird genau angeführt, dass der IWF in Griechenland diese neoliberalen Maßnahmen durchsetzen wird. (Streichung des 13. und 14. Monatsgehalts; Reduzierung der öffentlichen Ausgaben etc.). Darin steht auch klar, dass dies eine große Unzufriedenheit in der Bevölkerung hervorrufen und zu einer Rezession führen wird und dass die Staatsverschuldung bis 2013 auf 145% steigen wird. Der IWF war sich über die Folgen also schon 2010 ganz klar.
Aus dem 2. Geheimdokument des IWF vom 9. Mai 2010 – als der 38 Mrd. Kredit beschlossen werden sollte – geht klar hervor, dass an die 10 Mitglieder des Direktoriums im IWF (Brasilien, Schweiz, Argentinien, Iran, Russland und China u.a.) entgegneten, dass dieser Plan für Griechenland nicht funktionieren werde. Zudem verletzt dieser Plan sogar die eigenen Regelvorgaben des IWF, da die Verschuldung Griechenlands nicht tragbar war, und somit an Griechenland kein weiterer Kredit vergeben hätte werden dürfen. Sie sagen auch klar, dass mit diesem Plan nicht Griechenland, sondern den deutschen, französischen und den Privatbanken im Allgemeinen geholfen wird.
Bei dieser Sitzung antworteten die IWF Vertretungen von Deutschland, Frankreich und Holland, dass die deutschen, französischen und holländischen Banken ihre griechischen Anleihen nicht verkaufen würden und sie würden die Kredite gegenüber Griechenland aufrechterhalten.
Heute wissen wir, dass diese deutschen, französischen und holländischen Banken sofort nachdem der 38 Mrd.-Kredit vergeben worden war, ihre Anleihen auf dem griechischen Sekundarmarkt verkauft haben.
Das war also eine klare Lüge innerhalb des IWF-Leitungsgremiums, wobei die Regeln übergangen worden waren, wonach man Griechenland aufgrund der Untragbarkeit der Verschuldung nichts mehr leihen hätte dürfen. Dies sind klare Hinweise auf die Illegalität, Illegitimität von Schulden[1] zugunsten weniger ausländischer Privatbankiers gegenüber den Interessen eines ganzen Volkes. Der griechische Vertreter von Papandreou im IWF sagte im Hearing der Wahrheitskommission aus, dass in diesem Moment Jean-Claude Trichet, der damalige EZB Chef gedroht hätte, dass er Griechenland den Geldhahn zudrehen werde, falls Griechenland eine Reduzierung der Staatsschulden verlangen würde. Schon 2010 ist die EZB mit dieser Erpressungskeule, die sich gegen die Interessen eines ganzen Volkes richtet, angefahren. Heute unter Mario Draghi [EZB-Chef] wird sie ebenso verwendet.
All dies geschah auf Seiten der Gläubiger mit der Komplizenschaft von Papandreou. Man muss hinzufügen, dass Papandreou bewusst die griechische Verfassung Artikel 4 und 21 nicht respektiert hat, als das Memorandum beschlossen worden war. (siehe 1. Bericht Seite 45 und 50)

Mitverantwortung der deutschen und französischen Grossindustrie

Es gab natürlich Missstände auch vor 2010 und wir hoffen, sie in einem weiteren Bericht aufzeigen zu können. Bei der Schuldenanhäufung vor 2010 muss man sehen, dass große deutsche Firmen wie Siemens, bzw. französische und deutsche Waffenfirmen in Griechenland, die eine große Korruption und Steuerhinterziehung mit Kapitalflucht betrieben, mitverantwortlich sind. Es gab auch die übermäßigen Ausgaben für die Olympischen Spiele 2004. Zudem gibt es eine ganze Reihe von Dossiers über griechische und deutsche Firmenchefs, die ebenso verantwortlich sind.

Schuldenschnitt 2012 als Farce

Was geschah durch die Privatsektorbeteiligung (PSI, Private Sector Involvement) beim Schuldenschnitt und der Umstrukturierung der Schulden im Jahre 2012? Dieser hat ebenfalls dazu gedient, die Interessen der griechischen. und ausländischen Privatbanken zu vertreten, wobei sie direkt die öffentlichen Pensionsfonds angegriffen haben und das Sozialversicherungssystem zu zerstören begannen. „Die Umstrukturierung der griechischen Schulden wurde am 9.März 2012 durch den Umtausch der Anleihen in neue Anleihen mit Abschlag abgeschlossen“ (siehe 1. Bericht Seite 18, 21 und 22).
Wenn es den PSI 2012 zugunsten der Privatbanken und zu Ungunsten des griechischen Systems der Sozialversicherung nicht gegeben hätte, so gäbe es heute in Griechenland nicht diese Probleme im Sozialversicherungssystem.

Humanitäre Krise als Folge

Ein anderes wichtiges Element des Berichts ist die Entstehung einer humanitären Krise. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung. Zwischen den Bedingungen, die Griechenland von den Gläubigern ab 2010 auferlegt bekommen hat und zwischen den dramatischen Auswirkungen der Auflagen, die zu einer humanitären Krise in Griechenland geführt haben.
Kapitel 6 des Berichts zeigt auf, dass es eine absichtliche, systematische Verletzung der internationalen Verträge bezüglich Menschenrechte gegeben hat. Sie verletzten die menschlichen, wirtschaftlichen, sozialen, zivilen und politischen Rechte der griechischen Staatsbürger*innen. Auch heute sieht man, wie dieser Mechanismus funktioniert: Die Gläubiger diktieren im Detail genau, welche Auflagen die griechischen Behörden und Regierung umsetzen müssen. Diese Gläubiger sind aktive Mitverantwortliche an den Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegenüber der griechischen Bevölkerung.
Daher sind die Schulden des griechischen Volkes Null und Nichtig. Das ist ein Hauptelement, worauf sich die griechische Regierung oder das Parlament stützen können, um die Staatsverschuldung in Frage zu stellen.
Die Kapitel 7/8 und 9 zeigen die rechtlichen Grundlagen auf, wie die Schuldenzahlung ausgesetzt werden kann. Das internationale Recht gibt der griechischen Regierung ausreichende Argumente, um die Schuldenrückzahlung auszusetzen. Der Staat kann sich in „Notlage“ erklären. Daher kann der Staat einseitig die Schulden nicht begleichen, da durch die Fortsetzung der Schuldenzahlung die Bürger*innen nicht mehr ihre fundamentalen Rechte ausüben können. Aufgrund der humanitären Krise und der Notlage, die es in Griechenland wegen der Auflagen gibt, können die griechischen Behörden die Schuldenrückzahlung einstellen.
Dies wurde auch schon gemacht. Hierzu drei internationale Beispiele:
1. Argentinien 2001/2002. Argentinien hat bis 2005 nichts bezahlt und hatte ein Wirtschaftswachstum von 8%; sie haben erst 13 Jahre später den 50 prozentigen Wert ihrer Schulden an den Club von Paris [informelles Gremium, in dem staatliche Gläubiger mit einem in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Schuldnerland zwecks Umschuldungsverhandlungen oder Schuldenerlass zusammentreffen] zurückgezahlt.
2. Ecuador 2008: Hier wurden nur 3o% bezahlt.
3. Island 2008: Die Regierung beschloss, dass die privaten verschuldeten Banken Bankrott gehen sollten. Es wurden die Gläubiger aus Grossbritannien und den Niederlanden nicht bedient. 2013 gab ein Gericht Island Recht, dass ein Staat nicht die Privatbanken zu retten hat.
Der gesamte 1. Bericht der Wahrheitskommission über die griechische Staatsverschuldung erschien im Juni 2015. Zusammenfassung und Übersetzung durch Johann Schögler. Weitere Quellen: YouTube – Eric Toussaint Discours 

[1] Gemäss der klassischen Definition müssen folgende drei Bedingungen erfüllt sein, damit Kredite als illegitime Schulden gelten:

  1. Die Kredite werden ohne Zustimmung der Bevölkerung aufgenommen.
  2. Die Kredite werden nicht im Interesse der Bevölkerung verwendet.
  3. Die Kreditgeber sind sich der Zweckentfremdung der Gelder bewusst.

Allerdings existiert bis heute keine gesetzliche Regelung auf internationaler Ebene betreffend einem Beurteilungs- oder Streichungsverfahren für illegitime Schulden.

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1 Kommentar

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