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Schweiz: Eine Übersicht über das Schweizer Asylwesen

Um die Zustände im Asylwesen kritisieren und ändern zu können, ist es notwendig zu wissen, wie dieses System funktioniert. Der folgende Text versucht Aspekte des Asylwesens zu beschreiben, welche von den Medien ignoriert werden und soll ein Beitrag gegen die faktenfremde rechte Hetze darstellen. (Red.)

von BFS Zürich

Die Ankunft (Bundesebene)

Ein*e Geflüchtete*r kann quasi nur „illegal“ in die Schweiz einreisen. Nur wenige schaffen es ein gültiges Einreisevisum für die Schweiz zu erhalten. Die Schweiz erteilt nur Reichen eine Einreisemöglichkeit, da die finanzielle Unabhängigkeit für ein Einreisevisum bewiesen werden muss. Für ein Besuchervisum wird zudem ein Beweis benötigt, dass die beantragende Person spätestens nach drei Monaten in das Herkunftsland zurückkehrt. Ein humanitäres Visum für die Einreise in die Schweiz ist fast unmöglich zu erhalten, denn es muss eine unmittelbare Gefährdung an Leib und Leben, zum Beispiel die Gefahr von Folter oder Ermordung, vorliegen. Nach einem Aufenthalt in einem Drittstaat gehen die Behörden in der Regel davon aus, dass keine Gefährdung mehr besteht, nachdem das Ursprungsland verlassen wurde.
Bei der Einreise findet eine willkürliche Schikane gegen die Geflüchteten statt, da der Umgang mit neu eingereisten Asylsuchenden von Kanton zu Kanton unterschiedlich ist: Kommt eine geflüchtete Person in eine Polizeikontrolle, bevor sie den Antrag auf Asyl gestellt hat, erhält sie beispielsweise in den Kantonen Aargau oder Graubünden eine Strafanzeige wegen illegaler Einreise. Diese Strafanzeige verursacht Kosten von mehreren Tausend Franken in Form von Busse und Bearbeitungsgebühren. Da diese Kosten für Geflüchtete ohne Unterstützung ihres sozialen Netzes nicht bezahlbar sind, ist ein Eintrag im Beitreibungsregister praktisch garantiert.
Ein*e Geflüchtete*r kann an der Grenze, auf einem Polizeiposten oder in einem der sechs Empfangszentren ein Asylgesuch stellen. Die Empfangszentren sind vom Bund betrieben und befinden sich in der Nähe der Grenzen: Basel, Chiasso, Vallorbe, Kreuzlingen, Altstätten (St. Gallen) und am Flughafen Zürich.
Diese Lager bringen eine hohe Konzentration Geflüchteter mit sich; hunderte werden auf engem Raum untergebracht. Der Ausgang ist beschränkt, die „Tagesstruktur“ durch Weckaktionen und Mahlzeiten fix vorgegeben. In einigen Zentren dürfen die Schlafzimmer während dem Tag nicht betreten werden. Nur für einen Teil der Geflüchteten besteht die Möglichkeit in einem Beschäftigungsprogramm mitzumachen.
Neben den sechs offiziellen Empfangszentren werden vom Bund weitere Bundeszentren zur Entlastung der vollen Empfangszentren betrieben. In den letzten Jahren haben sie zahlenmässig zugenommen, da möglichst viele Asylfälle auf Bundesebene bearbeitet werden sollen. Im momentanen Gesetz können Geflüchtete maximal 90 Tage in einem Bundeszentrum bleiben. In früheren Jahren wurden die Geflüchteten schon nach Tagen oder wenigen Wochen auf die Kantone verteilt. Damit aber möglichst viele Asylsuchende bereits ausgeschafft werden, bevor sie in die Kantone kommen, werden die 90 Tage immer mehr genutzt. Daher braucht es auch mehr Bundeszentren. Bei einem Aufenthalt von mehr als drei Monaten besteht für Kinder unter 16 Schulpflicht. In den Empfangszentren besteht kein normaler Zugang zur Schule, was die Verlängerung der Aufenthaltszeit in den Empfangszentren erschwert. Die aktuelle Asylgesetzrevision sieht einige Änderungen in diesem Bereich vor, damit Geflüchtete neuerdings 100 bzw. 140 Tage in den Bundeszentren festgehalten werden können.
Die meisten Ausschaffungen während dem Aufenthalt in den Bundeszentren betreffen die 48-Stündler und die Dublinfälle (siehe Artikel zum Dublinsystem). Die 48-Stunden-Verfahren wurden für Roma aus dem Balkan und Georgier*innen eingeführt, deren Anrecht auf Asyl als minimal bemessen wird. Die systematische Diskriminierung, die rechte Hetze und die brutalen Übergriffe gegenüber Roma in Ländern wie Ungarn, sind nach Schweizer Asylgesetz nicht Grund genug, Asyl zu erhalten. Die Georgier*innen gelten höchstens als Wirtschaftsflüchtlinge; meist werden sie aber flächendeckend als kriminelle Bande behandelt. Deshalb werden Geflüchtete dieser zwei Volksgruppen innert zwei Tagen ausgeschafft. In dieser kurzen Zeit ist eine individuelle Abklärung der Fluchtgründe schlicht unmöglich.
Weitere Ausschaffungen während dem Aufenthalt in den vom Bund betriebenen Bundeszentren betreffen Personen aus sogenannten Safe-Countries. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) definiert, welche Länder gemäss ihm generell als sicher gelten und bezeichnen so zum Beispiel Tunesien und Nigeria als solche Safe-Countries. Mit beiden Ländern hat die Schweiz Rückkehrabkommen. Die dortigen Regierungen unterstützen die Schweiz bei den Ausschaffungen und erhalten im Gegenzug finanzielle Unterstützung. Es gibt aber auch als Safe-Countries definierte Länder, mit denen die Schweizer Regierung kein Abkommen hat.
Geflüchtete von diesen Staaten können bei einem abgewiesenen Asylgesuch nicht ausgeschafft werden. Zwei Länderbeispiele hierfür sind Algerien und Nepal. Die betroffenen Geflüchteten können also in der Schweiz bleiben, haben aber keine gültige Aufenthaltsbewilligung und können so jederzeit von der Polizei verhaftet werden und bis zu zwei Jahre (im Normalfall zirka drei Monate) im Gefängnis verbringen. Danach werden sie wieder freigelassen, um weiterhin in den Strukturen der Nothilfe zu bleiben. Dies kann jahrelang so weitergehen. Einige bleiben Jahrzehnte in der Schweiz ohne legale Aufenthaltsbewilligung, aber auch ohne ausgeschafft zu werden.

Zuweisung in einen Kanton

Nach dem Aufenthalt in den Bundeslagern werden die Asylsuchenden, die nicht bereits ausgeschafft wurden, den Kantonen nach Zufallsprinzip zugewiesen. Sprachkenntnisse der Asylsuchenden werden hierbei ignoriert, höchstens der Wohnort von Familienangehörigen, die bereits in der Schweiz sind, wird berücksichtigt. Jeder Kanton hat eine andere Handhabung bezüglich der Verwaltung der Asylsuchenden. In jedem Kanton herrschen auch unterschiedliche gesetzliche Vorgaben. So besteht schweizweit ein dreimonatiges Arbeitsverbot für Asylsuchende, welches aber in vielen Kantonen länger dauert. In Zürich besteht das Arbeitsverbot beispielsweise während sechs Monaten. So ist es wenig erstaunlich, dass die Beschäftigungsquote von Asylsuchenden nur bei 1,3% liegt. Dieses Arbeitsverbot soll angeblich die Arbeitsstellen der Inländer schützen, was aber im Widerspruch zur Entwicklung steht, dass das Beschäftigungsangebot für Geflüchtete in den letzten Jahren massiv ausgebaut wurde, in welchen sie Arbeit für ein symbolisches Gehalt von wenigen Franken verrichten.
Die meisten Kantone haben ein System von Durchgangszentren oder Durchgangsheimen, wo die Geflüchteten während einigen Monaten untergebracht werden. Früher galt das Konzept des Durchgangszentrums als Ort der Orientierungsphase: Erweiterte Betreuung und Unterstützung im Alltag, bevor die Personen in die Gemeinden transferiert wurden. Diese Zentren unterscheiden sich in der Grösse sehr. Sie reichen von Bunkern mit Massenschlag für hunderte Personen, über ehemalige Hotels für 20-30 Personen bis zu Containersiedlungen oder wohnungsartigen Zentren.
Heutzutage dienen die kantonalen Durchgangszentren immer mehr der reinen Verwaltung der Geflüchteten, bis für sie ein Patz in einer Gemeinde gefunden wird. Weil immer weniger Personal pro Asylsuchenden angestellt wird und um Lohnkosten zu sparen, weniger ausgebildete Arbeiter*innen angestellt werden, reichen weder die Kapazitäten, noch die Kenntnisse für eine angemessene Betreuung. So hat der Aufenthalt in einem kantonalen Zentrum nichts mehr mit einer Orientierungsphase zu tun, sondern ist nur dazu da eine Unterkunft in einer Gemeinde zu organisieren.

Angebliche Integration in den Gemeinden

Die Begründung des Kantons Zürich für eine möglichst rasche Transferierung in die Gemeinden ist, dass sich diese am besten zur Integration der Geflüchteten eignen. Die Möglichkeiten sich in einer Gemeinde zu integrieren, variieren aber enorm.In einigen Gemeinden erhalten Asylsuchende eine relativ anständige Unterkunft in einer Wohnung. In anderen Gemeinden hingegen müssen die Geflüchteten unterirdisch hausen (siehe auch Artikel Stop Bunker). Oft müssen Geflüchtete zu dritt oder zu viert ein kleines Zimmer über Monate oder gar Jahre hinweg teilen.
Jede Gemeinde hat grossen Spielraum, was für ein Bildungszugang angeboten wird. Behördliche Willkür ist hierbei weit verbreitet. Ironischerweise sind es oft die Gemeinden, die polemisch Deutschkenntnisse verlangen, welche den Zugang zu Deutschunterricht quasi verunmöglichen. Einige Gemeinden setzen anstelle eines Bildungsangebots auf «Sozialeinsätze», beispielsweise Reinigungsarbeiten. Andere verlangen, dass die Geflüchteten arbeiten. Dies verunmöglicht ihnen aber Aus- und Weiterbildungen zu besuchen, welche den Geflüchteten überhaupt erst erlauben würden, ihre Ausbildung des Herkunftslandes in der Schweiz anerkennen zu lassen. Eine Arbeit kann somit meist nur in den Niedriglohnsektoren wie der Gastronomie oder der Reinigung gefunden werden.  Dies wird von der Regelung verstärkt, dass ein Unternehmer beweisen muss, dass er für die Stelle, die er einer Person ohne Asylentscheid anbietet, niemanden findet, der einen besser gestellten Aufenthaltsstatus hat.
Viele Geflüchtete verbleiben selbst nach einem positiven Asylentscheid in solch prekären Beschäftigungsstrukturen. Diese sollen angeblich eine Integration in den Schweizer Arbeitsmarkt ermöglichen, stellen aber oft eine langfristige Arbeit zu niedrigsten Löhnen von einigen hundert Franken im Monat dar. So wird strukturell erschwert aus der Sozialhilfeabhängigkeit auszubrechen.

Finanzielle Unterstützung von Asylsuchenden

Die finanzielle Unterstützung sieht auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene unterschiedlich aus. Sie variiert auch stark zwischen den einzelnen Kantonen und Gemeinden. Die Angebote in den einzelnen Unterkunft sind deshalb komplett verschieden. So erhalten Asylsuchende in vielen neuen Zentren, wo das Kochen bereits organisiert ist, kein Essensgeld. Im Kanton Zürich erhalten die Geflüchteten normalerweise 3.- pro Tag Taschengeld, 1.- Kleidergeld und 9.- Essensgeld. Ohne Essensgeld bleibt also kaum etwas übrig zur eigenständigen Einteilung. Hinzu kommt, dass sowohl das Kochen als Beschäftigung wegfällt, als auch die Selbstbestimmung darüber, was gegessen wird.
Für abgewiesene Asylsuchende ist die finanzielle Unterstützung deutlich tiefer: Sie erhalten im Kanton Zürich drei Mal in der Woche 20.- ausgezahlt. Grundsätzlich wird nur das Taschengeld gestrichen, aber da für den Sonntag kein Geld ausgezahlt wird, erhält eine Einzelperson anstatt 390.- nur 260.- im Monat.
In den Schweizer Parlamenten wird zudem diskutiert, ob flächendeckend anstelle des Geldes nur noch Gutscheine verteilt werden sollen. Dies würde die Einkaufsmöglichkeit von Nahrungsmitteln beispielsweise auf die Migros reduzieren, wo einerseits nicht alle Esswaren vorhanden sind, welche die Geflüchteten konsumieren wollen und andererseits die Esswaren teurer sind, als in einem Aldi, Lidl oder kleineren Läden.

Die verschiedenen Aufenthaltsbewilligungen und Asylrechtliche Begriffe

Status N

Ab dem Einreichen des Asylgesuchs bis zum Entscheid erhält ein Asylsuchender die Aufenthaltsbewilligung N. Dieser Ausweis ist aber nicht identitätsbestätigend. Es  können also beispielsweise keine Familienangehörigen in einem (Ausschaffungs-)Gefängnis besucht werden, da dafür ein Identitätsnachweis erforderlich ist. Die Dauer bis zu einem Asylentscheid ist sehr variabel. Beispielsweise werden Gesuche von Roma aus dem Balkan meist innerhalb von 48 Stunden abgehandelt. Es kann sich aber auch um ein jahrelanges Warten handeln; es gibt Fälle mit weit über fünf Jahre langer Wartezeit. Dies ist der Vorwand der aktuellen Asylgesetzrevision, welche auf eine Beschleunigung der Asylverfahren zielt, wobei die Beschleunigung insbesondere auf die negativen Entscheide ausgerichtet ist.

Aufenthaltsbewilligung B

Wird einer Person politisches Asyl zugesprochen, erhält sie eine Aufenthaltsbewilligung B. Dies erlaubt meist einen besseren Zugang zu Integrationsprogrammen (so wie intensivere Deutschkurse oder Beschäftigungsprogramme), und eine eigenständige Wohnungssuche (wenn auch mit beschränktem Budget). Im Normalfall ist die Aufenthaltsbewilligung B dauerhaft, doch sie kann auch wieder entzogen werden, bei:

  • Verstössen gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder deren Gefährdung.
  • Einer Verurteilung zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe.
  • Falschaussagen im Bewilligungsverfahren oder Verschweigen von wesentlichen Tatsachen.
  • Sozialhilfeabhängigkeit oder der Sozialhilfeabhängigkeit einer Person, für die sie zu sorgen hat.

Insbesondere der Aspekt der Sozialhilfeabhängigkeit zeigt die perfide Logik auf: Für Asylsuchende wird es strukturell erschwert sozialhilfeunabhängig zu werden, aber wenn sie dann an diesen strukturellen Hürden scheitern, dann werden sie kriminalisiert und erfahren eine noch stärkere Unterdrückung. Wieder sind diejenigen, welche am stärksten die absolute Integration verlangen, auch dafür verantwortlich, dass Integration erschwert wird. 2014 wurde 176 Personen die Aufenthaltsbewilligung B widerrufen. Mit der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative der SVP werden diese Zahlen voraussichtlich massiv steigen.

Aufenthaltsbewilligung F

Die Aufenthaltsbewilligung F entspricht einer vorläufigen Aufnahme. Im asylrechtlichen Sinn ist ein F eigentlich eine Ablehnung des Asylantrags, wobei wegen Unmöglichkeit der Ausschaffung dieselbe nicht vollzogen wird (wegen Krieg, Foltergefahr, etc. oder Unzumutbarkeit einer Rückführung aus beispielsweise gesundheitlichen Gründen). Der Grossteil bleibt ihr Leben lang in der Schweiz, hat aber in den ersten fünf Jahren ihres Aufenthalts nur beschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Aus- bzw. Weiterbildungen sowie stark eingeschränkte Möglichkeiten des Familiennachzugs und grössere Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche. Nach diesen fünf Jahren ist ein Antrag auf eine B-Bewilligung möglich, aber nur für finanziell unabhängige Personen.
Zurzeit wird auf Bundesebene darüber diskutiert, ob der Status F aufgehoben werden soll. Ein Problem hierbei ist, dass in den aktuellen Kräfteverhältnissen eine Abschaffung der vorläufigen Aufnahme nicht dazu führen würde, dass die Betroffenen alle ein B erhalten werden, sondern befürchtet werden muss, dass ein grosser Teil deswegen einen negativen Asylentscheid erhalten würde.

Aufenthaltsbewilligung C

Die Aufenthaltsbewilligung C entspricht einer Niederlassungsbewilligung. Umwandlung von B auf C ist bei Sozialhilfeunabhängigkeit und einer gewissen Aufenthaltsdauer möglich. Aber sogar das C kann entzogen werden. Die Gründe hierfür sind ähnlich wie bei der Bewilligung B, wobei ein „schwerwiegender“ Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung nötig ist, oder aber die Person dauerhaft und in erheblichem Mass auf Sozialhilfe angewiesen ist.
Je nach Gemeinde dauert es unterschiedlich lange, bis man einen Antrag auf die Schweizer Staatsbürgerschaft stellen kann. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt ein demokratisches Mitspracherecht im Schweizer System verwehrt, auch wenn es insbesondere in der Westschweiz vereinzelte Gemeinden gibt, wo ein Mitspracherecht auf Gemeindeebene nach einer gewissen Aufenthaltsdauer möglich ist.

NEE (Nichteintretensentscheid)

Ein Nichteintretensentscheid heisst, dass das Asylgesuch gar nicht bearbeitet wird. Die Begründung ist meist ein Dublinfall (siehe Artikel zu Dublin), oder Unglaubwürdigkeit bei den Befragungen (siehe auch für diese Problematik den Artikel „Frauen auf der Flucht“)). Es gelten bei NEE starke rechtliche Einschränkungen, beispielweise hat man nur 5 Tage Rekursfrist gegenüber den 30 Tagen bei einem normalen Negativentscheid oder vorläufiger Aufnahme. Ein Rekurs hat zudem keine aufschiebende Wirkung auf den Vollzug einer Ausschaffung oder den Vollzug einer Umplatzierung in eine Notunterkunft. Geflüchtete können bereits im Ausschaffungsgefängnis sein, bevor die Rekursfrist vorbei ist. Die folgenden Zahlen vom Jahr 2012 zeigen auf, bei wie vielen Personen gar nicht erst auf den Asylantrag eingegangen wird: Fast 14‘000 NEE gegenüber 3400 Negativentscheiden, 1500 vorläufigen Aufnahmen und 2500 positiven Entscheiden.

Nothilfe

Alle Personen, welche einen negativen Asylentscheid oder NEE erhalten, haben nur noch Anrecht auf Nothilfe. Die Nothilfe ist eine stark reduzierte Form der Sozialhilfe: Separate Unterkünfte, weniger Geld, Zugang zu den Gesundheitsstrukturen nur in Notfällen. Abgewiesene Asylsuchende erleben diverse Formen von Schikane. So mussten beispielsweise im Kanton Zürich bis vor kurzem einige abgewiesene Asylsuchende alle 7 Tage die Notunterkunft wechseln. Diese 7-Täger sollten offiziell «mobilisiert» werden. Gemeint ist damit, auszureisen oder unterzutauchen, um so als Sans-Papiers weiterzuleben. Heute werden abgewiesenen Asylsuchenden sogenannte Eingrenzungen erteilt, die das Verlassen der Gemeinde, in welcher sich die Notunterkunft befindet, untersagt.
Nach einem langen Aufenthalt in den Nothilfestrukturen, kann ein sogenanntes Härtefallgesuch eingereicht werden. Durch das Vorweisen einer guten Integration mit Sprachkenntnissen und Arbeit in der Schweiz kann via Härtefallgesuch eine Aufenthaltsbewilligung B erwirkt werden. Diese Bedingungen sind extrem widersprüchlich, da es den abgewiesenen Asylsuchenden offiziell nicht erlaubt ist, zu arbeiten. Zudem darf auch keine Unterstützung zur Integration geleistet werden. Zuständig für die Bearbeitung der Härtefallgesuche sind die kantonalen Migrationsämter. Die Handhabung ist in allen Kantonen unterschiedlich.

Willkür im Asylwesen

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine ständige Reduktion der Autonomie von Geflüchteten stattfindet. Sie dürfen weder bei der Wohnungssuche, noch bei den Freizeitbeschäftigungen, dem Schulbesuch und der Arbeitssuche mitbestimmen. Manchmal dürfen sie nicht einmal ihr Essen selbständig wählen. Ihr Leben ist komplett abhängig von der Wohngemeinde und der Unterstützung, die sie von dieser Gemeinde erwarten können. Die «illegale» Einreise ist je nach zugeteiltem Kanton ein Strafbestand, und das Dublinsystem verursacht Willkür auf europäischer Ebene.
Auch die Befragungen der Asylsuchenden durch das SEM verläuft willkürlich und unkoordiniert, da extreme Unterschiede in der Bearbeitung der Asylgesuche zu beobachten sind. Bei den verschiedenen Angestellten des SEM oder auch den jeweiligen Übersetzer*innen stehen die Chancen auf Asyl anders.
Wir sind überzeugt, dass das Asylsystem grundsätzlich nicht frei von Willkür funktionieren kann. Es gibt weder «faire» Verfahren, noch klare Trennlinien zwischen «echten» und «falschen» Asylsuchenden. Worin sollte denn ein «legitimer Grund» zur Flucht bestehen? Auf der Flucht setzen sich alle Geflüchteten enormen Gefahren aus. Deshalb halten wir die Einteilung in echte und falsche Geflüchtete für ein spalterisches Mittel, welches einerseits die Solidarität minimal halten, und andererseits die Geflüchteten profitabel im Arbeitsmarkt einsetzen soll. Dagegen fordern wir eine angemessene Unterstützung aller Geflüchteten.
Wegen der aufgezeigten, strukturellen Widersprüchlichkeit des (Schweizer) Asylsystems erkennen wir auf lange Sicht keine Perspektive darin das Schweizer Asylsystem zu reformieren. Es sollen alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft willkommen sein. Wir setzen uns dafür ein, dass die konkrete Situation für alle Unterdrückten und Ausgebeuteten unserer Gesellschaft verbessert wird. Gemeinsam und solidarisch müssen mehr Rechte für alle erkämpft werden!
Text aus der Broschüre der BFS Zürich “Die Schweiz, das Asylwesen und der Rechtsrutsch – kritische Analysen aus linker Perspektive”.

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1 Kommentar

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