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Frankreich: Weder Le Pen, noch Macron

Das Resultat des ersten Wahlgangs der französischen Präsidentschaftswahlen ist keine Überraschung. Vielmehr ist es Ausdruck einer tiefen politischen Krise in Frankreich. Der “unabhängige”, neoliberale Emmaunel Macron erreichte 24 Prozent der Stimmen. Zweiplatzierte mit 21,3 Prozent war Marine Le Pen, die Kandidatin des rechtsextremen Front National. Dass es für die Linke im zweiten Wahlgang niemanden zu wählen gibt, zeigt sich nicht nur daran, dass die französische Börse den Wahlausgang ausgiebig gefeiert hatte. Es gibt viele andere Gründe, warum die Linke im zweiten Wahlgang weder Le Pen, noch Macron wählen soll. Wir veröffentlichen hier die Erklärung von Philippe Poutou, Kandidat der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA), die er am Abend des 23. April 2017 publizierte. (Red.)
Von Philippe Poutou; aus poutou2017.org
Wir bedanken uns natürlich zuerst bei allen Wählerinnen und Wählern, die für uns gestimmt haben. Mit ihrer Wahl wollten sie die Ablehnung eines Systems zum Ausdruck bringen, dessen Berufspoliti­ker*innen in vielen Fällen korrupt sind und dafür sorgen, dass die Macht in diesem Land weiterhin von den Kapitalisten und Bankern ausgeübt wird. Sie wollten bekräftigen, dass eine wirkliche Ver­änderung nur mit Mobilisierungen von unten kommen kann und im Bruch mit diesem System.
Dieser Wahlkampf hat gezeigt, wie tief der Abgrund geworden ist zwischen der Bevölkerung und einem politischen System, das uns nicht repräsentiert und grundlegend nichts mit unseren Lebens­bedingungen im Sinn hat und , schlimmer noch, diese Jahr für Jahr verschlechtert. All diese Politi­ker*innen repräsentieren immer weniger Wähler*innen, das gilt ganz besonders für die ärmeren Stadtviertel.
Das Neue bei diesem ersten Wahlgang war der Absturz von Kandidat*nnen der [sozialdemokrati­schen] Parti Socialiste und der [konservativen] Republicains. Es ist Ausdruck einer tiefen politischen Krise, dass die beiden Parteien, die das Land seit 60 Jahren regiert haben, von der politischen Bühne gefegt worden sind. Dass Marine Le Pen und Emmanuel Macron einander im zweiten Wahlgang gegenüberstehen, ist jedoch keine gute Nachricht und noch weniger ein Bruch mit dem, was wir seit Jahrzehnten erleiden.
Der Front National (FN) gibt sich als eine Partei außerhalb des Systems und als eine Partei aus, die für die Arbeiter*innen eintritt. Dabei ist sie genau so eine pro-kapitalistische Partei wie die anderen, die ebenso an den Fleischtöpfen sitzt wie die anderen, die niemals gegen Entlassungen und andere Ma­chen­schaften der Bosse kämpft, die die Reichen schützt und gegen die Ausgebeuteten vorgeht. Zudem ist diese Partei eine große Gefahr, denn mit ihrem Rassismus schürt sie den Hass gegen die eingewan­der­ten Bevölkerungsteile und alle Menschen mit Migrationshintergrund und betreibt die Spaltung der Lohnabhängigen und Erwerbslosen mit dem Ziel, von den wirklich Verantwortlichen für Erwerbs­lo­sigkeit und Elend abzulenken.
Der andere Kandidat wird also Emmanuel Macron sein, der ist in mehrfacher Hinsicht ein Betrüger: Er ist kein neuer Kandidat jenseits des Systems, sondern ein Auswurf der Banken und von François Hollande und genauso verantwortlich wie er für die Politik, die wir seit fünf Jahren zu ertragen hatten. Und er „verspricht“ uns auch noch, die unsoziale Sparpolitik und die soziale Ungleichheit noch zu verstärken.
Der Stimmenanteil von Le Pen und die politische Krise zeigen, wie dringend wir unsere Angelegen­heiten in die eigenen Hände nehmen und uns mobilisieren sollten. Sehr viel mehr noch als 2002 brau­chen wir in den nächsten Tagen nicht eine „republikanische Front“, sondern unbedingt eine breite Mobilisierung gegen der Front National und die neoliberale Politik, vor allem der Jugend. Wir müssen in den Betrieben und Stadtvierteln kämpfen, ohne das Ergebnis des zweiten Wahlgangs abzuwarten.
Am Sonntag, den 7. Mai, werden viele Macron wählen, um einen Wahlsieg der FN zu verhindern. Wir verstehen den Willen, eine tödliche Gefahr abzuwehren, die jedwedem sozialen Fortschritt und allen demokratischen Rechten droht, ganz besonders den Einwander*innen und den Menschen mit Migra­tions­hintergrund, wenn Marine Le Pen an die Macht kommen würde. Wir wollen aber daran erinnern, dass es genau die unsoziale Sparpolitik und die undemokratische Sicherheitspolitik sind, vor allem, wenn sie von der vorgeblichen Regierungslinken verantwortet wird, die für den Aufstieg der FN und seiner üblen Ideologie verantwortlich zeichnen. Macron ist kein Schutzwall gegen die FN, und um diese Gefahr dauerhaft zurückzudrängen, gibt es keine andere Möglichkeit, als wieder auf die Straßen zu gehen – gegen die extreme Rechte, aber auch gegen alle die, wie auch Macron selbst unsoziale Maßnahmen durchgesetzt haben und weiter durchsetzen wollen. Die Mitglieder der NPA werden sich an den Demonstrationen gegen die FN beteiligen.
Allen denjenigen, die sich geweigert haben, zur Wahl zu gehen, oder die mit der Vorstellung, dass dieser für einen Bruch mit dem System steht, Mélenchon gewählt haben oder die für Lutte Ouvrière (LO, Arbeiterkampf) gestimmt haben, möchten wir an diesem Abend sagen, dass wir jetzt mehr denn je eine neue politische Kraft brauchen, die uns repräsentiert: eine Partei, die für unsere Interessen einsteht, ein Werkzeug für unsere täglichen Kämpfe, um mit dem kapitalistischen System Schluss zu machen, um das Vorhaben einer von Ausbeutung und allen Formen der Unterdrückung befreiten Ge­sellschaft voranzubringen.
In den kommenden Wochen werden wir zuerst am 1. Mai auf der Straße sein, um internationale Soli­darität zu bezeugen in einer Zeit, in der Frankreich neokoloniale Militärinterventionen durchführt und der Schlächter Assad weiterhin den Tod sät, aber auch um unsere demokratischen Freiheiten und so­zia­len Rechte zu verteidigen. Darüber hinaus will die NPA in den Städten und ärmeren Stadtvierteln, in den Betrieben, in den Mobilisierungen, in der täglichen Aktion die Kampagne fortführen, die ich zusammen mit meinen Genoss*innen die letzten Monate geführt habe. Denn am Abend dieses ersten Wahlgangs gehört die Zukunft nach wie vor dem Protest und der Auflehnung gegen dieses System – toutes et tous ensemble, alle gemeinsam!
Paris, 23. April 2017. Aus dem Französischen übersetzt von Manuel Kellner.

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