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Am Rande Vermerkt: Vor dem Corona-Virus sind alle gleich – oder eben nicht

Was sich derzeit an den europäischen Grenzen abspielt könnte ein dramatisches Theaterstück sein – wäre es nicht die traurige Realität. 

Erdogans Regime führt einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Kurd*innen in der Türkei sowie Syrien und setzet gleichzeitig unheimlich viel Ressourcen ein, um – das bis anhin von der durch die Türkei unterstützte «Free Syrian Army» kontrollierten – Idlib gegen die Rückeroberungszüge des Assad-Regimes zu verteidigen. Doch diese Kriege finanzieren sich nicht von selber und Kritik kann sich Erdogan gerade auch nicht leisten. Deshalb versucht Erdogan die EU zu erpressen und kündigt faktisch den Flüchtlingsdeal zwischen der Türkei und der EU auf. Dieser Deal beinhaltet, dass die Türkei gegen Geld der EU Flüchtlinge auf Staatsgebiet aufnimmt. Die gibt also dem diktatorischen Regime Erdogans Geld, damit dieser Geflüchtete Menschen von der EU fernhält. Nun braucht aber Erdogan mehr Geld und Unterstützung für seine Kriege und öffnete vor zwei Wochen die türkische Grenze Richtung Griechenland. Doch die Grenze auf griechischer Seite ist noch immer zu und es zeigte sich, dass der EU auch keine Mittel zu kritisch sind, um Geflüchtete Menschen von der Festung Europa abzuhalten. An der Grenze wurde auf Geflüchtete sowohl mit Tränengas geschossen als auch auf See gezielt Gummiboote behindert und am Landgang gehindert. Die griechische Regierung setzte das Asylrecht aus und überliess die Grenze Neonazis und rechtsextremen aus ganz Europa. Gleichzeitig ging der Plan Erdogans aufzugehen: Zum EU-Türkei-Deal meinte Angela Merkel diese Woche, es sei nun an der Zeit, diesen auf «eine neue Stufe» überzuführen. Und die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, die «gute Konstruktion mit geteilter Verantwortung» solle nun erneuert werden. Die EU gibt der Türkei also Geld für weitere Kriege, während diejenigen Menschen, die bereits davor flüchten mussten, an den Grenzen sterben lassen. 

Falls es Asylsuchende Menschen schaffen, griechische Inseln oder Festland zu erreichen, werden sie in Lager gesteckt, mit der Absicht, sie dann möglichst bald wieder abschieben zu können. Die Situation in diesen Lagern – beispielsweise im Lager Moria auf Lesbos –ist gelinde gesagt miserabel. Die Menschen haben nicht genug Essen, keine ausreichenden Sanitäranlagen, viel zu wenig Platz und keinerlei Rechte. Diese Situation ist zu jedem Zeitpunkt absolut bekämpfenswert. Es ist eine Situation, die den Menschen ihre Würde abspricht und auf dem rassistischen Gedankengut der Festung Europa baut. Seit Beginn dieses Jahres kommt noch eine weitere Komponente hinzu: eine Pandemie, die schon unzählige Tote und tausende von Erkrankten gefordert hat. Das wirkungsvollste gegen diese Pandemie ist zurzeit Distanz zu anderen Menschen zu wahren und sich regelmässig die Hände gründlich zu waschen/desinfizieren. Das ist in einem Camp wie Moria unmöglich: es gibt in Teilen dieses Camps eine einzige Wasserstelle für über 1000 Menschen, ganze Familien teilen sich ein Zelt, in dem sie gemeinsam kochen, essen, schlafen. Es ist offensichtlich, dass diese individuellen Massnahmen – die momentan in den betroffenen Industriestaaten hochgehalten werden – unmöglich umzusetzen sind. Das heisst aber: sobald Covid-19 in diesen Lagern ankommt, wird es unaufhaltbar sein und für Menschen deren Immunsystem aufgrund der vielen Strapazen auf der Flucht geschwächt ist heisst diese schwere Erkrankung bis Tod. Während in Staaten wie der Schweiz das Gesundheitssystem aufgrund jahrelanger neoliberaler Sparpolitik schon am Anschlag ist, können erkrankte Asylsuchende in den Camps kaum auf gesundheitliche Versorgung zählen. 

Die Schlussfolgerung müsste sein, diese Menschen, schnellstmöglich aus diesen Lagern herauszuholen, sie aufzunehmen und Sicherheit sowie Gesundheit sicherzustellen. Doch was macht die Schweiz, sowie so ziemlich alle Staaten in der Festung Europa? Sie schliessen die Grenzen. 

Bundesrätin Karin Keller Suter (KKS) erklärte an der Pressekonferenz am Freitag 12.02.2020 schon einmal, dass es für geflüchtete Personen an den Grenzen keine Ausnahmen gebe – diese also auch für Asylsuchende Menschen geschlossen ist. Es bestünde keine absolute Notwendigkeit der Einreise. Zuvor schickte sie noch voraus, dass Asylsuchende «Personengruppen wie andere auch» seien. Menschen, auf die an der europäischen Aussengrenze geschossen wird und deren Leben als Erpressung verspielt wird, zu antworten, sie müssen sich weiterhin miserablen Zuständen, Angriffen von Nazis und Hunger gefallen lassen, weil sie eben Personengruppen wie andere auch seien ist brutaler Zynismus und komplette Scheisse! KKS wiederholte diese Aussage an der Pressekonferenz am 16.03.2020 auch noch. Des weiteren scheinen auch die Rechte von Asylsuchenden und Migrant*innen, die momentan schon in der Schweiz sind, egal zu sein. Die Antira-Wochenschau vom 16.03 schreibt: Beratungsstellen haben ihre Beratungsangebote stark reduziert oder ausgesetzt. Der Rechtsschutz in den Bundesasylcamps wird folgen. Gratisanwält*innen fallen aus oder erkranken während eines laufenden Mandats und können es nicht korrekt beenden. Asylsuchende können sich deshalb nicht oder nur alleine gegen allfällig negative Asylentscheide wehren. KKS und ihre Behörden nehmen somit das Risiko in Kauf, die „Rechtsweggarantie“ für Geflüchtete nicht mehr zu gewährleisten. So viel zur derzeit hoch gelobten und geforderten Corona-Solidarität.

Wir lehnen die weitere de facto-Aushöhlung des Asylrechts in Europa und an seinen «Aussengrenzen» entschieden ab. Wir fordern, dass alle Länder des Schengenraumes gemäss ihren Kapazitäten und finanziellen Ressourcen geflüchtete Menschen unverzüglich aufnehmen und ihre (medizinische) Grundversorgung garantieren. Anstatt Menschen in Lagern ausharren zu lassen, müssen wir als Linke für die Wiedereinführung eines Rechts auf Asyl kämpfen, dass diesen Namen auch verdient hat.

von Sarah Friedli

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1 Kommentar

  1. Monica Goerre

    Danke für diesen Beitrag. Ich habe einen diesbezüglichen Brief am 29.2. an jedeN Bu.rätIn geschickt. Ich sehe bei eurem Artikel nicht,
    wie wir die Forderungen nachdrücklich machen können, so dass sie SOFORT umgesetzt werden. Ich sehe auch eine mögliche Gefahr bei zu viel Öffentlichkeit, dass die Gegenkräfte sich massiv und verhindernd einschalten könnten. Wie also klug vorgehen???

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