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Bildungsproteste in Zürich: Die Mär der 7 Weisen

Bereits im Vorfeld der gestrigen Proteste gegen den Bildungsabbau in verschiedenen Kantonen der Schweiz unter dem Motto „#keloscht auf Bildungsabbau“ war in verschiedenen bürgerlichen Medien die Rede von einer kleinen Elite, einem verschworenen Kern, der die Proteste angedacht, geplant, organisiert und durchgeführt hätte. Nachfolgend kurz, weshalb das nicht stimmt und eine Verleumdung der Bewegung darstellt.
von BFS Jugend Zürich
Wenige Stunden vor der koordinierten interkantonalen Protestaktion, die in Zürich, Bern, Basel, Genf und Luzern zu Demonstrationen führen sollte, schrieb das News-Portal watson: 7 Schüler wirbeln die Schweiz auf . Diese 7 Schüler*innen hätten den Protest ins Leben gerufen und über Whatsapp die Vorbereitungen durchgeführt. Die NZZ titelte kurz darauf: Der Whatsapp-Protest. Und das Vice-Magazine setzte dem Hype um die 7 Super-Polit-Jugendlichen dann noch einen drauf und chattete gleich mit allen zusammen – natürlich über Whatsapp – und veröffentlichte die Screenshots als Artikel. Ganz abgesehen davon, dass die verschiedenen Medienhäuser voneinander abschreiben wo es nur geht und das Veröffentlichen von Handy-Screenshots sogar in Twitter- und Newsticker-Zeiten irgendwie nicht recht als journalistische Leistung gelten kann, gibt es ein grosses Problem mit dem Narrativ, das hier aufgemacht wird: es ist schlicht und einfach falsch.
Dass hier keine politische Revolution von 7 Jugendlichen mit Jungparteien-Ausweisen und Smartphones angezettelt wurde, gibt beispielsweise Timothy Oesch vom ZSO mehr oder weniger unumwunden selbst zu, wenn er auf die Vice-Frage, ob er denn seit den  Bildungs-Demonstrationen im Februar 2017 in Zürich bereits Rückmeldungen bekommen habe, antwortet: „Die demos sind nid vo eus gsi. Aber es isch richtig, in züri isch demonstriert worde.“

Ja, in Zürich wurde demonstriert. Es wurden eine Schule und das Bellevue besetzt. Es gab eine Protestaktion auf dem Paradeplatz und mehrere Demonstrationen durch das Stadtzentrum. Und dies ist nur mal die Bilanz aus dem Jahr 2017. Im Jahr 2016 gab es den Tag der Bildung, die von Studierenden und Schüler*innen getragene Demonstration „Kämpfen für Bildung“, es gab den kantonalen Aktionstag gegen Sparmassnahmen im September und dazwischen vor allem eines: viele Sitzungen, viele Gespräche, viel Organisatorisches zu erledigen. Die Proteste am 5. April 2017 kamen nicht aus dem Nichts. Sie reihen sich ein in eine mittlerweile beträchtliche Tradition des Protests gegen das Sparpaket namens Leistungsüberprüfung 16 im Kanton Zürich.
Übrigens, was der Mediensprecher des ZSO glatt zu erwähnen vergass: Von der Besetzung des Schulhauses Stadelhofen im Februar 2017 hat man sich pronto distanziert. Nicht etwa weil der ZSO unter Druck stand, das zu tun. Sondern aus einem absurden bürokratischen Kalkül heraus, dass man so „glaubwürdiger“ sei. Vielleicht spielte dort auch bereits die Angst mit, Schüler*innen könnten sich unabhängig von bestehenden Strukturen und nicht unter der Kontrolle eines Dachverbandes selbständig zur Wehr setzen.

Und auch der 5. April wurde nicht über Whatsapp organisiert und auch nicht von 7 Weisen. So schön das auch wäre, wenn es so funktionieren würde. Stattdessen haben Schüler*innen Reden geschrieben, Transparente gemalt, Musikanlagen organisiert, Flyer geschrieben, gedruckt, verteilt. Sie haben mit ihren Mitschüler*innen gesprochen und diese versucht zu motivieren, an der Demonstration teilzunehmen. Sie haben teilweise in Kauf genommen, unentschuldigte Absenzen zu erhalten. Und sie haben kollektive Erfahrungen gemacht, die kaum ersetzbar sind.
Manch eine*r dieser so genannten 7 Weisen wird nun wohl schon gebannt auf gewisse Posten in den Parteien und sonstigen Organisationen schielen. Die Publicity rund um den 5. April wird für sie sicherlich hilfreich sein. Doch wenn die Sieben dann in ein paar Jahren vielleicht selbst verantwortlich sind für das eine oder andere Sparprogramm, das noch kommen wird, sollten sie an eines denken: Es braucht sie nicht, um wütend zu sein auf Sparmassnahmen und sich einen kollektiven Ausdruck für diese Wut zu suchen, den Protest zu organisieren und auf die Strasse zu tragen. So wie sie bislang in den Interviews mit keinem Wort erwähnen, dass da hunderte Menschen hinter dem Gelingen der Proteste stehen, wissen sie das nämlich bislang scheinbar noch nicht.

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