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Zwischen Imperialismen, ukrainischem Widerstand und linker Solidarität: Ein Plädoyer für eine solidarische und geschichtsbewusste Linke

Gestern jährte sich der völkerrechtswidrige Einfall des Kreml-Regimes in die Ukraine. Die ukrainische Bevölkerung ist weiterhin dem Einmarsch der Russischen Föderation ausgesetzt. Aber die Gemengelage, in der sich der ukrainische Widerstand wiederfindet, ist komplexer als nur der Selbstverteidigungskampf gegen die russische Invasion. Gleichzeitig steht er auch dem Imperialismus des westlichen Kapitals gegenüber. Und als wäre es nicht genug, zwischen zwei imperialistischen Blöcken zerrieben zu werden, diskreditiert ein Teil der Bewegungen, denen spezifisch etwas am Kampf für Selbstbestimmung und am Kampf gegen das Kapital liegt, den ukrainischen Widerstand und mahnt zu einer Passivität, die de facto dazu führen würde, von Russland überrannt zu werden. Dieser Artikel bemüht sich, aufzuzeigen, an welchen diversen Fronten der ukrainische Widerstand kämpft, wie diese miteinander verknüpft und strategisch sinnvoll zu hierarchisieren sind. Letztlich soll die Analyse ein Plädoyer für einen Antiimperialismus von Unten sein, der eine spezifisch linke Solidarität mit dem ukrainischen Widerstand ermöglicht.

von João Woyzeck (BFS Zürich)

[das Kapitel “An der Front wider die russische Invasion” wurde am 6.08.2023 ergänzt; Anm. d. Red]

An der Front wider die russische Invasion

Gibt es einen russischen Imperialismus?

Eine Front, an der die ukrainische Lohnabhängigenklasse (als signifikanter Teil der ukrainischen Bevölkerung) kämpft, ist diejenige gegen die russische Invasion. Eigentlich könnte nur schon damit ausser Frage stehen, dass Russlands Beziehung zur Ukraine eine imperialistische ist. Der Kreml selbst nennt die Aufhebung der nationalen Eigenständigkeit der Ukraine als Kriegsziel und die russische Armee greift dazu ganz akut die territoriale Integrität der Ukraine an. 

Am Samstag, 4. März 2023 findet eine nationale Demo gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine statt. Die Bewegung für den Sozialismus (BFS/MPS) unterstützt die Demo und ruft zusammen mit solidaritéS zu einem antikapitalistischen Block auf.

Ironischerweise herrscht gerade innerhalb der politischen Linken Ungewissheit über den Charakter Russlands. Ironisch deshalb, weil gerade die politische Linke ein ausgeprägtes antiimperialistisches Selbstverständnis hat und sich bewusst auf die Seite der Opfer des Imperialismus stellt. Und doch, bereits unmittelbar nach dem Einfall Russlands in die Ukraine im Februar 2022 mussten grosse Teile der Linken erst einmal prüfen, ob oder inwiefern es sich bei der Invasion um (russischen) Imperialismus handle. In gewissen Kreisen – wir nennen sie folgend aufgrund ihres Blockdenkens Campist:innen – wurde erstaunlicherweise der westliche Imperialismus als der eigentliche Aggressor identifiziert. Bis zu einem gewissen Grad scheint die Ungewissheit über Russlands Einstufung als imperialistisch alle marxistischen und anarchistischen Kreise  –  mich eingeschlossen – ergriffen zu haben.

Dem klassischen Blockdenken, das für eine Seite (Westen oder Osten) undifferenziert oder zumindest einseitig Partei ergreift, hatte ich schon immer skeptisch gegenübergestanden. Doch war auch mein Blick auf seine Art völlig auf die geopolitische Ebene und die beiden imperialistischen Blocks fokussiert. Mein erster Reflex war es halt, sowohl den US-amerikanisch dominierten westlichen Imperialismus, der Russland bedrängt, als auch den russischen Imperialismus, der Ost- und Ostmitteleuropa bedrängt (sowie in Afrika, im Nahen Osten und Lateinamerika Diktator:innen stützt), gleichermassen anzuprangern. Die Benennung und Kritik der beiden Blocks als imperialistisch für sich wäre ja noch kein Problem. Zumal es just die Realität wäre. Das grosse Problem kam dadurch, dass der russische Einfall faktisch nur auf der Ebene der Grossmächte und derjenigen der geopolitischen Interaktion dieser beiden Grossmächte reflektiert und analysiert wurde. Sprich, reflexartig war meine erste Reaktion darauf, dass das erste Mal seit dem zweiten Weltkrieg eine derartig eklatante Invasion eines anderen Staates stattgefunden hatte, festzuhalten, sowohl Russland als auch die USA seien Imperialisten. Was in dieser Gleichung fehlte, war der Bezug auf die konkrete historische Situation. Dass ging soweit, dass die erlebte Realität der Ukrainer:innen zur Nebensache in den ersten Flyerentwürfen wurde. Der Angriff wurde schlicht nicht von der angegriffenen Bevölkerung (oder überhaupt von der Basis der Gesellschaft) her gedacht.

Bald aber führten interne Diskussionen innerhalb der BFS/ MPS (später auch mit ukrainischen Genoss:innen des Sozialnyj Ruch oder russischen Genoss:innen der RSD und der russischen Sektion der Sozialistischen Alternative) zu einem Reflexionsprozess, der mir und meinen Genoss:innen diesen frappanten Widerspruch innerhalb unseres Denkens bewusst machte: Wie kam es, dass die angegriffene Bevölkerung keine Rolle (als Objekt unserer Analyse und agierendes Subjekt der historischen Situation) beim Angriff auf sie spielte. Gerade bei uns! Denjenigen, die sich soziale Gerechtigkeit für die arbeitenden Menschen an der Basis der Gesellschaft auf die Fahne geschrieben hatten? 

Von dieser Erkenntnis ausgehend, musste mir dann das einseitig für Russland Partei ergreifende Blockdenken durch die campistischen Teile der Linken noch stärker aufstossen. All die einseitigen Skandierungen gegen den Westen als dem eigentlichen oder tatsächlichen imperialistischen Aggressor zwangen mir eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Hilferding’sch-Lenin’schen Imperialismusbegriff ab, der in marxistischen Kreisen allgemein prägend ist. Denn warum sollte es auch im Fall der durch Russland spätestens seit 2004 (wieder) destabilisierten, von politischer Unterwanderung und Einflussnahme geplagten und schliesslich hybrid wie klassisch militärisch angegriffenen Ukraine ausgerechnet der Westen sein, der primär als Imperialist abgewehrt werden muss? Mehr noch, warum sollte das territorial-expansive Russland in Ostmittel- und Osteuropa, am schwarzen Meer und im Kaukasus irgendeine Solidarität erfahren? Also zückte auch ich Lenins «Imperialismus als jüngste Etappe des Kapitalismus», um zu klären, ob es sich beim Einfall Russlands um Imperialismus im eigentlichen Sinne handelt. 

Dabei wurde rasch klar, die gegenwärtige russische Wirtschaftsform passt nicht so richtig in das enge Korsett der fünf Lenin’schen Merkmale des Imperialismus, wie Lenin sie in seinem Werk nennt.[1] Denn die gegenwärtige russische Wirtschaftsform exportiert kaum Kapital und stützt sich stattdessen stark auf dem Export von Rohstoffen ab. Ersteres bedeutet auch, das russische Kapital hat kaum Anteil am transnationalen Kapital. Ausserdem ist Russlands Expansion in die Ukraine (und in andere Staaten der ehemaligen sowjetischen Republiken) keine primäre Erschliessung/ Schaffung neuer Absatzmärkte (natürlich findet eine gewisse Integration fremder Märkte und Arbeitskraft statt) durch das russische Kapital und – selbst wenn ein vereinfachter Zugang zu Rohstoffen integral für Russlands Ausdehnungspolitik ist –, sondern hat vor allem zum Ziel, die militärisch-politische Position zu stärken, die ehemalige Einflusssphäre zu restaurieren. Bis hierher und auf den ersten Blick erweckt das alles tatsächlich den Eindruck, im Falle Russlands könne von keinem eigentlichen Imperialismus gesprochen werden. Wenn nun den USA als Land der globalisierenden transnationalen Grossunternehmen auch der negative Nimbus als der eigentlichen grossimperialistischen Grossmacht anhaftet, scheint es durchaus nachvollziehbar, dass die Illegalität und das Grauen von Russlands Invasion für manche verblasst. Russland könne dann praktisch nicht der erstinstanzliche Aggressor sein, der Imperialist stehe ja in jemand anderes Land.

Diese Deutungsweise spielt sicher bei nicht wenigen Linken eine Rolle. Dem widerspricht allerdings, dass Lenin den Imperialismusbegriff weit vielschichtiger gebraucht hat und seine Schrift «Imperialismus als jüngste Etappe des Kapitalismus» keine Definition des Imperialismus an sich beabsichtigte, sondern eine vermeintliche Hochphase des Kapitalismus zum Gegenstand hatte, in welcher der Imperialismus neue Wesenszüge und Ausmasse annehmen würde und ein zentraler Aspekt der kapitalistischen Entwicklung sein würde.

Wenn Lenin von Imperialismus sprach, meinte er also ‘in gewisser Weise’ zwei verschiedene Sachen: Einerseits beschrieb er grundsätzlich koloniale oder imperialistische Ausdehnung, die Nationalstaaten schon immer hatten – im Mittelalter, während des Merkantilismus oder in der liberalen Phase des Kapitalismus. Dieser kolonialistische Imperialismus lässt sich als Landgrab-Imperialismus beschreiben, weil er durch militärische Eroberungen politische und wirtschaftliche Einflusszonen erweiterte. Dass Russland imperialistisch war, stand für Lenin also ausser Frage. So meinte Lenin 1916 selbst, dass «Rußland […] den Weltrekord in der Unterdrückung der Nationen auf der Grundlage eines beispiellos brutalen, mittelalterlichen, wirtschaftlich rückständigen, militärisch-bürokratischen Imperialismus geschlagen hat.»[2] Russland war für Lenin gar eine der fünf imperialistischen Grossmächte, die den Ersten Weltkrieg mittrugen.

Andererseits sah Lenin mit der fortschreitenden Monopolisierung und Finanzialisierung des Kapitals aber auch ein neues Stadium des Kapitalismus angebrochen – für ihn die Hochphase des Kapitalismus. Das Kapital würde die nationale Begrenzung der Volkswirtschaft, in der es fusste, durchbrechen und transnational werden. Die Expansion würde fortan vor allem in Gestalt des Exports von Kapital zur Gründung oder Integration neuer Absatzmärkte in das eigene. Wertschöpfungssystem geschehen. 

Doch wie lässt sich Lenins zwei-dimensionaler Imperialismusbegriff auf das heutige Russland anwenden (lässt er sich überhaupt noch unangepasst auf die heutige Zeit anwenden)? Da die nationalen Kapitalist:innen Russlands aufgrund historischer Eigenheiten nicht in signifikanter Weise Teil des transnational konstituierten Monopol- und/ oder Finanzkapitals sind (Hauptaktionär:innen der meisten global agierenden Assets sind russische Kapitaleigner:innen oder gar der russische Staat) und abgesehen von Rohstoffexporten wenig zum voranschreitenden Globalisierungsprozess beitragen, muss Russland vielmehr als Imperialmacht im Sinne eines kolonialistischen Imperialismus beschrieben werden, wie er typisch für einen Freihandelskapitalismus oder für quasi-merkantilistische Volkswirtschaften (Regierung erklärt gewisse Sektoren, die das Land oder die Regierung stärken, zu strategischen Sektoren; wird zum Hauptaktionär, dieser Grosskonzerne im entsprechenden Sektor; lenkt diese via befreundete Oligarch:innen und macht Milliarden) ist. Das rückt Russland tatsächlich näher ans zaristische Russland als etwa an die USA oder China. Aber Russland bleibt nichts desto trotz, gerade nach Lenins Auffassung, ganz klar imperialistisch. Man könnte saloppe sagen eine primitivere Form von Imperialismus, die nicht den globalen Kapitalismus in eine Wirtschaftsordnung führt, wo multinationale Konzerne sich zunehmend von nationalen Volkswirtschaften entkoppeln oder sich diese Untertan machen, sondern fremde Bevölkerungen durch brutalste physische Gewalt in ihre Einflusssphäre bringt, um sie durch offene Unterdrückung in ihrer Einflusssphäre zu halten.

Aber macht es aus einer sozialistischen Perspektive und Motivation Sinn, den sozusagen primitiveren Imperialismus gegen den Fortgschrittenen zu unterstützen? Macht es Sinn, Russland als vermeintliches Bollwerk gegen einen ‘Marktfundamentalismus’ oder den ‘Globalismus’ zu unterstützen? Unterm Strich sind beide Wirtschaftssysteme kapitalistisch und marktbasierte Ausbeutungsverhältnisse…

Die Position und Strategie der Campst:innen Vorgehen erinnert ein wenig an die Strömungskämpfe der SPD vor und während des Ersten Weltkriegs. Die sogenannten Sozialimperialist:innen sahen den Imperialismus nicht nur wie Rosa Luxemburg als zwangsläufige Konsequenz der inneren Funktionsweise des Kapitalismus, sondern im Gegensatz zu ihr auch als die nächste produktive Etappe der kapitalistischen Entwicklung, weswegen sie den Imperialismus unterstützten, um die Produktivität zu fördern und die Produktivkräfte zu entwickeln. Gleichzeitig sahen die sogenannten Sozialutopist:innen den Imperialismus wiederum nicht als zwangsläufige Entwicklungstendenz des Kapitalismus und wollten mit dem nicht-industriellen Unternehmer:innentum, das ihrer Ansicht nach nicht von einer imperialistischen Produktionsweise profitieren würde, einen Schulterschluss wagen, um den Imperialismus zu verhindern. Der marxistische Theoretiker und sozialistische Revolutionär Anton Pannekoek bemerkte dies 1913 sehr hellsichtig und bezog eine dritte Position. Pannekoek verwehrte sich als historischer Materialist, der den subjektiven Faktor gemeinsam mit dem objektiven Faktor (materiellen Umstände) gleichermassen berücksichtigte, gegen eine mechanistische Deutungsweise des Welt. Pannekoek lehnte die Auffassung ab, dass der Kapitalismus zwangsläufig imperialistisch werden müsse. Er hielt den Kapitalismus nämlich für flexibel in der Bewältigung seiner inhärenten Krisen. Anders ausgedrückt, der Imperialismus war keine notwendige Gegenbewegung, um den Kollaps des Systems zu verhindern, sondern die Entscheidung eines Teils der Kapitalist:innenklasse, des Industriekapitals. Das einte ihn mit den Sozialutopist:innen. Gleichzeitig, und das unterschied ihn wiederum von den Sozialutopist:innen, trat Pannekoek entschieden gegen einen Schulterschluss mit dem nicht-industriellen Bürger:innentum ein. Erstens, weil der Imperialismus – ganz gleich wie zwangsläufig oder auch nicht – nun bereits seinen Lauf genommen hatte und die nicht-industriellen Kapitalist:innen mit ihren materiellen Interessen eingebunden hatte. Zweitens, weil Pannekoek die expansive Ausdehnung des Kapitals nicht für spezifisch imperialistisch hielt, sondern für eine grundlegend kapitalische Tendenz seit Anbeginn des Kapitalismus. Innerkapitalistisch – und das ist hier der springende Punkt – war für das Proletariat also nichts Nutzvolles zu holen, nur die Konsolidierung des Systems. Deswegen sah Pannekoek keinen Sinn im Bündnis mit einem oppositionellen Teil der Bourgeoisie gegen die hegemonialen Fraktionen der Bourgeoisie, sondern mahnte zur Organisierung des Proletariats als Klasse für sich. Und genau hier fühl ich mich etwas an die heutigen Campist:innen erinnert.

Die Solidarisierung mit dem einem kapitalistischen Block, um einen quasi-merkantilistischen Kapitalismus gegen den transnationalen Marktliberalismus zu unterstützen, macht genau so wenig Sinn wie den westlichen Block zu unterstützen, weil man den Lauf der Geschichte Richtung Endphase des Kapitalismus pushen will. Eine genuine Klassenposition kann hingegen nur eine Eigenständige sein. Selbst bei vorrübergehenden Interessenüberschneidungen darf niemals Partei für einen kapitalistischen Block ergriffen werden, darf ein kapitalistischer Block niemals mehr als ein vorrübergehendes Mittel zum Zweck, d.h. nie ein Bündnispartner sein.

Imperialismus bei der Wurzel packen – von den Betroffenen her denken

Doch wie findet sich eine wirkliche Klassenposition? Dazu muss man sich zunächst einmal bewusst machen, dass das Ziel – und das darf nie vergessen werden – allen sozialistischen Aktivismus die Überwindung des Kapitalismus ist. Imperialistische Tendenzen müssen also entsprechend als Auswirkungen des zugrundeliegenden Produktionsmodus angegangen werden. Ausgangspunkt müssen die durch den Produktionsmodus ausgebeuteten und unterdrückten Bevölkerungen sein, nicht dessen Nutzniesser:innen.

Bestandsaufnahme

Man kann zunächst einmal beschreiben, auf welche Weise die campistische Linke Partei ergreift für den Imperialisten Russland: Die campistische Linke – teils offen wie die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) oder die DKP-nahe Junge Welt und teils als Implikatur versteckt in ambivalenten Aussagen wie bei Sahra Wagenknecht und den infamen 13 in der Noch-Bundestagsfraktion der LINKE – sieht Russland als vermeintliches Bollwerk gegen den globalen Neoliberalismus oder eine neoliberale Globalisierung.

Doch wie kommt es, dass sich ein Teil der Linken mit einem Block der bürgerlichen Klasse solidarisiert? Dieser Auffassung liegt die Tatsache zugrunde, dass die USA und ihre Alliierten gegenwärtig der hegemoniale imperialistische Block sind. Davon ausgehend, oder aufgrund mangelnder progressiver Alternativen auf dem internationalen Niveau, müsse man sich auf die Seite oppositioneller kapitalistischer Eliten innerhalb des globalen Kapitalismus stellen, die zum Zwischenglied zu einer tatsächlich progressiven Bewegung mit globaler Durchschlagkraft werden könnten. Mitunter geht die campistische Linke dabei sogar soweit, Russland in seinem ‘Selbstverteidigungsreflex’ gegen die Abwertung nationaler Entitäten – seien dies Firmen, die russische Volkswirtschaft oder die russische Nation als solche – durch transnationale Akteure offen zu unterstützen.

Und ganz gleich, ob die campistische Linke das so beabsichtigt oder nicht, faktisch verteidigt sie somit nichts Geringeres als einen primitiveren Imperialismus gegenüber einem Imperialismus des transnationalen Oligopol-Kapitals, das immer mehr Gebiete in sein unterdrückendes Wertschöpfungssystem absorbiert. Hierzu passt natürlich die Auffassung von Russland als Opfer des Imperialismus.

Den Schulterschluss mit einem imperialistischen Kapitals als progressives Zweckbündnis misszuverstehen, hat im Denken der campistischer Linken System. So unterstützte die campistische Linke bspw. seit 2015 das Assad-Regime gegen die syrische Demokratiebewegung, weil es sich gegen den westlichen Imperialismus und die US-Hegemonie richtete. Und gegenwärtig relativiert die campistische Linke das islamistische Mullah-Regime in deren antifeministischen und tödlichen Unterdrückungskurs gegen eine umfassende emanzipatorische Bevölkerungsbewegung, weil die iranische Regierung primär als Gegner des US-Imperialismus aufgefasst wird.

Diese strategische Position integrieren Campist:innen dann kohärent in ihre linksgeprägte Weltsicht, indem sie lokale soziale Kämpfe und Demokratiebewegungen, die den regionalen antiwestlichen Machteliten gegenüberstehen, diskreditieren. Im Fall der syrischen Opposition diffamier(t)en sie diese etwa als homogen islamistisch und im Fall des arabischen Frühlings in Syrien etwa als von den USA orchestrierter Versuch, ‘unabhängige’ Regionalmächte wie das Assad-Regime zu destabilisieren und stürzen. 

Dem liegt die Prämisse zugrunde, die Welt bestünde aus zwei Blöcken (oder liesse sich zumindest im praktischen Kampf auf solche reduzieren), welche man jeweils in nur Gut und nur Böse einteilen könne. Diese Auffassung von einer geopolitischen Binarität wird von der Auffassung begleitet, dass das Innenleben der (beiden) Blöcke entweder monolithisch sei, der geopolitische inter-imperialistische Kampf übergeordnet sei oder die inländischen sozialen Bewegungen gegen das anti-westliche Regime westliche Agent:innen seien. Konkret für Syrien heisst das am Ende des Tages aber einfach, Assad wird zum Erretter der Syrer:innen vor dem westlichen bzw. transnationalen Imperialismus, der sich durch die Absorption fremder Gebiete in sein unterdrückendes Wertschöpfungssystem global ausbreitet. 

Wir werden im Folgende klären, warum die Einschätzung Russlands als Opfer des Imperialismus, das linker Solidarität bedürfe, eine Fehlinterpretation ist.

Der Kampf mit dem anderen Imperialisten ist ein Kampf mit dem anderen Kapital

Doch woher rührt diese Auffassung? Ich bin der Ansicht, diese Ansicht kann nicht abschliessend damit erklärt werden, dass man mit einem oppositionellen Fraktion unter den kapitalistischen Eliten strategisch paktiert, weil es keine wirklichen progressiven Blocks gäbe – eine Auffassung, die den Antiimperialismus ad absurdum führt, wie wir sehen werden. Dieser Auffassung liegt auch ein grundlegender Perspektivenfehler zugrunde, den sich emanzipatorische Politik eigentlich nicht leisten dürfte: Von wem als unterdrücktem oder zu befreiendem Subjekt her denkt die campistische Linke ihren Widerstand? Das ist die grundlegende Frage. Von hier aus wird denn auch der grundlegende Fehler der campistischen Linken verständlich. 

Es ist überaus bezeichnend, dass es für die campistischen Teilen der Linken unerheblich (oder zumindest fast zum Vernachläissigen unbedeutend scheint), dass die imperialistische russische DIKTATUR die Assad’sche DIKTATUR in ihrer Ausbeutung und Unterdrückung der syrischen Bevölkerungen stützt – unter Zurhilfenahme des iranischen Regionalimperialismus (Unterstützung der Hizbullah oder anderer schiitisch-islamistischem Bewegungen zur Einflussnahme in Syrien und im Irak). Dies wird aber insofern erklärlich, als dass die campistische Herangehensweise Widerstand von der Perspektive der etablierten kapitalistischen Regierungen sowie von derjenigen der regionalen kapitalistischen Wirtschaftssysteme und ihren nutzniessenden Eliten herdenkt. Genau deswegen kann eine Demokratiebewegung von unten innerhalb Syriens gewissenhaft dämonisiert werden, genau deshalb kann die brutale Unterdrückung aufständischer Aktivist:innen in Russland relativiert werden, während umgekehrt dem Bedrohtsein Russlands durch den kollektiven Westen mit solidarischem Verständnis begegnet wird. Genau deswegen versucht sich bspw. auch Russland als Bollwerk gegen den westlichen Imperialismus auszugeben. Um antiimperialistische oder auch nur antiautoritäre und antielitistische Ressentiments für sich zu vereinnahmen (oder aber die russischen Eliten glauben dies selbst auch…).

Das Problem mit diesem Perspektivfehler ist dabei so grundlegend, dass es schon beinahe banal klingt: die Art und Weise, wie wir unsere Produktivkräfte organisieren, bestimmt unsere Kultur und Politik [dies ist sehr schematisch, zum subjektiven Faktor weiter unten]. Und einen imperialistischen Block gegen einen anderen zu unterstützen, ändert gerade hieran nichts! Wirklicher Antiimperialismus steht wie alle Befreiungskämpfe im Interesse der arbeitenden Bevölkerungsmehrheit und ist daher Teil von Klassenkämpfen als dem Ur-Antagonismus. Deswegen kann auch nicht die Perspektive derjeniger eingenommen werden, die vom Ausbeutungssystem und ihrer Folgeerscheinungen wie der Unterdrückung und der territorialen oder Marktexpansion materiell profitieren.

Linke Strategie muss also von den diversen lokalen sozialen Kämpfen ausgehen, die sich gegen die Folgen des kapitalistischen Systems an sich richten. Selbst wenn diese (noch) nicht die grundlegende Ursächlichkeit des Produktionsmodus erkennen, oder (noch) klassengemischte Interessen verfolgen. Politische und wirtschaftliche Eliten haben hingegen gar nicht das Potential, um sich als Lohnabhängigeklasse für sich zu entdecken. Weil sie schlicht eine grundlegend andere Klasse (bzw. Klassen) sind! 

Dieser Perspektivfehler bedeutet kurzum eine Weltsicht, die die geopolitischen Verhältnissen zwischen den Grossmächten zum Hauptfokus hat, anstatt diejenigen zwischen betroffenen Bevölkerungen an der Basis der Gesellschaft und den Eliten, die vom Kapitalismus profitieren. Durch diese Perspektive nimmt sich man also letztendlich die Interessen der Eliten, der Nutzniesser:innen des kapitalistischen Systems zum Ausgangspunkt.

Die Auffassung, man müsse sich mangels progressiver Blocks gegen den imperialistischen Welthegemon auf die Seite einer oppositionellen Fraktion des globalen Kapitals schlagen, wird somit debunked. Tatsächlich kann das Paktieren mit einem kapitalistisch-imperialistischen Block gegenüber einem anderen maximal dazu führen, kapitalistische Systeme mit regional begrenzter Reichweite gegenüber einem transnationalen und sich global ausdehnenden kapitalistischen System zu stärken (oder umgekehrt). Damit an sich kann an der Lage der Unterdrückten nicht grundlegend etwas ändert. Natürlich können sich Interessen der einen oder anderen Weltelite übergangsweise und in bestimmten Bereichen mit denjenigen unterdrückter Bevölkerungen decken. Aber das ist niemals grundsätzlich der Fall. Der Ausgangspunkt kann als unmöglich die grundsätzliche Unterstützung einer oppositionellen Fraktion des Kapitals sein. Um die erwähnten begrenzten Konvergenzen der Interessen der kapitalistischen Eliten mit den Bevölkerungen an der Basis strategisch nutzen können, müsste man in jedem Konflikt von neuem von der betroffenen Bevölkerung an der Basis ausgehen.

Antiimperialistisch von der Basis aufwärts

Im Zusammenhang des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wird immer wieder davon gesprochen, die Subjektivität der Ukrainer:innen ins Zentrum zu stellen, ihre agency wahrzunehmen und sie nicht zu einer blossen Bühne für geopolitische Interaktionen der Grossmächte zu reduzieren. Hinter dieser Subjektivität der betroffenen Bevölkerungen, welche die (noch unbewusste) Lohnabhängigenklasse miteinschliesst, verbirgt sich eben auch die Perspektive derjeniger, die auf der Unterdrückten-Seite des Kapitals stehen, nicht auf der Unterdrücker-Seite. Nur von dieser Perspektive aus ist eine überregionale Vernetzung emanzipatorischer Massenbewegungen möglich, die die Interessen derjeniger verfechten, die auf der Unterdrückten-Seite des Kapitals stehen. Nur die Bündelung solcher Kämpfe kann die Herrschaft der Kapitalist:innenklasse überwinden. 

Natürlich ändert das nicht das Problem, dass es die US-Hegemonie aufzuheben gilt. Aber der Perspektivenwechsel zeigt, dass es eine andere Herangehensweise sein muss also diejenige der campistischen Linken. Es braucht einen Antiimperialismus, der konsequent von unten gedacht wird: einen Antiimperialismus von Unten.

Wenn also Russland oder China ihre Vision einer neuen “multipolaren Welt” propagieren, kann zwar durchaus sinnhaft dafür argumentiert werden, dass so mehr internationale Sicherheit gewährleistet würde (durch gegenseitige Abschreckung) – zumindest zwischen den Einflusssphären, in welche die Welt dann aufgeteilt wäre. Aber damit wäre das grundsätzliche Problem auch schon angesprochen. Denn genau so gut könnte eine multipolare Welt auch bedeuten, dass sich keine überregionale Grossmacht in die jeweilige Einflusssphäre der anderen überregionalen Grossmächte einmischt – auch nicht im Falle von Völkerrechtsbrüchen oder Menschenrechtsverletzungen. Ändern würde sich also maximal, wie sich der chinesische und der US-amerikanische Kapitalexport global aufteilt, wieviel erleichterten Zugang zu lokalen Rohstoffen Russland in der Welt hätte und wie viel weniger an militärischen Bündnissen mit lokalen Diktaturen Russland eingehen müsste, um diese Zufuhr vor amerikanischer Konkurrenz zu schützen. Dann wäre ein ein transnationales Kapital, dass andere Regionen als neokoloniale Absatzmärkte absorbiert und unterordnet, als spezifische Form des Kapitalismus vielleicht tatsächlich global weniger vorherrschend (auch Russland begegnet seinen Bündnispartnern mit Nichten auf Augenhöhe). Mehr Sozialismus gäbe es aber trotzdem bzw. gerade deswegen nirgends…

Strategien, die von der Perspektive derjeniger ausgehen, die auf der Unterdrückten-Seite des Systems stehen, können derweil auch einen Zweifronten-Antiimperialismus einschliessen. D.h., dass zu verschiedenen Zeitpunkten auf verschiedenen geografischen und geopolitischen Ebenen eine differenziertere Vorgehensweise notwendig ist, die nicht immer dieselbe Richtung einschlägt (bspw. einmal Ausnutzen der Unterstützung einer bestimmten Grossmacht im eigenen Befreiungskampf, danach den offenen Angriff auf genau dieselbe Grossmacht). Aber solche Strategien verselbstständigen sich, sobald man sich grundsätzlich mit einem Block solidarisiert, weil man die Perspektive einer der vielen kapitalistischen Eliten einnimmt.

Wir Linken brauchen ein Imperialismusupdate

Die obige Diskussion geht vom Imperialismusbegriff aus, wie ihn Lenin pflegte. Damit lässt sich in einem innerlinken Diskurs zwar auf Logikfehler in gewissen linken Strömungen hinweisen. Aber weite Teile der radikalen Linken sind zu sehr und vor allem zu ausschliesslich auf Lenins Imperialismusbegriff fixiert. Dabei lässt sich Lenins Imperialismusbegriff durchaus enorm viel abgewinnen. Die Art und Weise, wie sich Einflusssphären einzelner Hegemonen durch Kapitalexport ausdehnen und sich die Welt in grossräumige Blocks einteilt, dass das Grosskapital die nationale Begrenztheit einer nationalen Volkswirtschaft durchbricht oder die sukzessive Oligopolisierung des Kapitals sind bemerkenswerte Beobachtungen, denen man auch heute noch viel abgewinnen kann. Aber Lenin war auch absolut ein Kind seiner Zeit. So wurde das Kapital zwar transnational und finanzialisiert und Grossmonopole haben erheblichen Einfluss auf Staaten erlangt. Aber eine allgemeine Verschmelzung des Grosskapitals mit dem Staatswesen, die den Namen Staatskapitalismus rechtfetrigen würde, ist nicht eingetreten. Lenin stand da wahrscheinlich zu sehr unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs und wollte in der staatlich stärker bestimmten Kriegswirtschaft einen allgemeinen Trend erkennen. Tatsächlich ist so eine Hoch- oder letzte Phase vor dem Sozialismus so nie eingetreten. Lenins Befunde müssen daher historisch kontextualisiert verstanden werden und um neuere theoretische Ideen, die die gegenwärtigen imperialistischen Tendenzen einschliessen, ergänzt werden. Das Prinzip eines Antiimperialismus von Unten bzw. von der betroffenen Bevölkerung her ist bereits ein Teil dieses notwendigen Updates.

Eine holistische Perspektive auf den russischen Imperialismus: ökonomische Bedingungen und der subjektive Faktor

Den Charakter des russischen Imperialismus zu untersuchen, hilft uns dabei, die Triebkräfte zu erfassen, die spezifisch Russland in diesen Krieg getrieben haben. Und es bietet auch eine Chance, die Auswirkungen des russischen Imperialismus in seiner Eigenheit zu sehen. 

Als Marxist:innen, die den Sozialismus im Sinne Marxens und Engels als heuristische Methode, nicht als Ansammlung starrer Dogmen verstehen, dürfen wir nicht in die Falle tappen, einfach vorgefertigte Konzepte schablonenmässig auf historische Entwicklungen aufzupfropfen und vorgefasste Ideologeme zu bestätigen. Hier gelangen wir aber ins Fahrwasser einer gewissen Uneindeutigkeit. Denn auf der einen Seite hängen politische und ideologische Zusammenhänge mit ökonomischen Ausbeutungsverhältnissen, überhaupt mit dem Produktionsverhältnis eng zusammen. Deswegen kann eine Interpretation, die sich zu einseitig auf ideologische Triebkräfte fokussiert, keine ursächliche Erklärung liefern. Gleichzeitig aber darf man aber auch nicht in einen ökonomischen Reduktionismus verfallen und alle politischen und ideologischen Entwicklungen als mechanische Sachzwänge ökonomischer Entwicklungen und Verhältnisse betrachten. Im Fall des russischen Imperialismus lässt sich dieses Problem auf die folgende Frage herunterbrechen: Wie viel originäre Eigeninitiative hat Putin (und seine Kremlclique) als subjektiver Faktor der Geschichte?

War der russische Imperialismus einfach ein ökonomischer Sachzwang?

Zur besseren Veranschaulichung sollen hier Volodymir Ischenko, der eine eher öknomistische Position vertritt, und Ilya Matveev, der den Brückenschlag zwischen konstitutivem (erzeugendem) Ausbeutungsverhältnis und Eigenständigkeit eines ideologisierten Regimes versucht, diskutiert werden:

Der ukrainischstämmige Soziologe Volodymyr Ischenko liefert – obschon er Russland nicht im eigentlichen Sinn als imperialistisch einstuft – einen interessanten Blickpunkt. Ischenko beschreibt den russischen Kapitalismus als einen sogenannten politischen Kapitalismus und sieht entsprechend einen ganz praktischen Grund, weswegen der Kreml sich und seinen Staat in Gefahr bringt: Das Überleben der herrschenden Klasse in Russland, und zwar aus politisch-ökonomischen Gründen. Im Prinzip geht es Ischenko um eine Art von Oligarch:innenkapitalismus, in der Einzelkapitalist:innen mit den behördlichen Strukturen und politischen Ämtern direkt verbandelt sind, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Die herrschende Klasse Russlands lebe demnach in gewisser Weise von Insiderrente. 

Durch die direkte Abhängigkeit von der Besetzung politischer Institutionen oder dem politischen Kurs einer Regierung sei die Klasse des politischen Kapitalismus gegenüber dem innovativeren und dynamischeren liberalen Kapital im internationalen Wettbewerb unterlegen. Bestehen könne die Klasse der politischen Kapitalist:innen im Wettbewerb mit liberalem transnationalem Kapital nur, indem sie das Territorium erweitert, auf dem durch Günstlingspolitik Insiderrenten erzielt werden. Als sich die Ukraine rund um die Revolution der Würde 2013/14 westwärts orientierte und damit aus ihrer Rolle des erweiterten russischen Wirtschaftsraums auszubrechen drohte, gefährdete sie so das Fortbestehen der russischen politischen Kapitalist:innenklasse. Die Eroberungspolitik hätte also den ganz praktischen Zweck, den Wettbewerbsvorteil des russischen Oligarch:innenkapitals gegenüber dem liberalem Kapital zu stärken.[5]

Solche Ansichten haben den Vorteil, dass das Kreml-Regime nicht einfach als eine Clique von Fanatiker:innen erscheint, die von den gesellschaftlichen und ökonomischen Zusammenhängen losgelöst agiert und alles ihrer Ideologie unterordnet. Gleichzeitig ist es aber ebenso problematisch, der kulturell-ideologischen Dimension keinerlei Eigenständigkeit zuzubilligen, als sei die Invasion einfach eine unausweichliche Konsequenz der Geschichte gewesen. Tatsächlich prellt man sich so darum, die Eigenständigkeit von Putins Ideenwelt zu fassen. In der Konsequenz wird die Eigentümlichkeit autoritärer Systeme, die die Geschichte nach ihren Wünschen gestalten und in spezifische Richtungen vorantreiben, nicht oder nur vernachlässigend beachtet. 

Die nationalistisch-chauvinistische Ausprägung, die das Kreml-Regime Putin grade durchmacht, die von manchen Beobachter:innen sogar als faschistoid bis post-faschistisch[6] charakterisiert wird, unterdrückt seine Bevölkerung nicht auf dieselbe Weise wie dies ein anderer Autoritarismus täte. Ebenso ist eine Invasion nicht gleich jede andere. Wie chauvinistisch-nationalistisch eine Besatzungsmacht denkt, ist konstitutiv für die Art und Weise, wie die ansässige Bevölkerung behandelt wird: zwischen der Installation einer Marionettenregierung, die durchaus noch zu einen gewissen Ausgleich mit der besetzten Bevölkerung bereit ist, und dem dezidierten Ziel, die kulturell-nationale Eigenständigkeit einer Nation zu zerstören, liegen durchaus Welten verschiedenartiger Unterdrückung und Tötung. Eine Besatzung durch amerikanische Militärs ist in vielen Fällen eine andere als diejenige, die der ukrainischen Bevölkerung unter Russland drohen.

Zudem würde die Bedeutung von historischen Einzelpersönlichkeiten für die Entwicklung eines Regimes in eine spezifische Richtung vollkommen ausser Acht gelassen. Mit anderen Worten, wäre dann der Verlauf der Geschichte bis zu einem gewissen Grad vor-determiniert. Dass es diesen subjektiven Faktor in der geschichtlichen Entwicklung aber gibt, und letztere aktiv mitgestaltet werden kann, hat uns die Geschichte ja oft selbst bewiesen.

Schon Engels – wenn noch recht zurückhaltend – mahnte 1894, dass neben den historischen Umständen auch der Mensch selbst eine eigenständige Antriebsfeder für das Weiterdrehen des Geschichtsverlauf sein müsse: 

«Es ist also nicht, wie man sich hier und da bequemerweise vorstellen will, eine automatische Wirkung der ökonomischen Lage, sondern die Menschen machen ihre Geschichte selbst, aber in einem gegebenen, sie bedingenden Milieu, auf Grundlage vorgefundener tatsächlicher Verhältnisse, unter denen die ökonomischen, sosehr sie auch von den übrigen politischen und ideologischen beeinflußt werden mögen, doch in letzter Instanz die entscheidenden sind und den durchgehenden, allein zum Verständnis führenden roten Faden bilden.»[7]

Auch russische Sozialist:innen halten wenig davon, den russischen Einmarsch strikt ökonomisch zu erklären. Viel eher definiere sich der russische Imperialismus aus den folgenden zwei Elementen: Erstens beinhalte er einen geschichtsrevisionistischen russischen Nationalismus. Zweitens werde Putin vom Wunsch angetrieben, die sogenannte „Weltordnung“ zu verändern und den russischen Einfluss in der gesamten russischen Peripherie (wieder) auszubauen.[8]  

Also kein ökonomischer Unterbau?

Hiermit stellt sich allerdings Frage, wie denn der ökonomische Faktor, als Unterbau und Ursprungsverhältnis gesellschaftlicher Organisation ins Auge zu fassen ist. Oder anders gefragt, wie ist die ideelle Unabhängigkeit eines Regimes mit dem Aufrechterhalten eines kapitalistischen Ausbeutungssystems zusammenzubringen? Diese Frage hatte sich Karl Marx (und Friedrich Engels) seinerzeit auch gestellt. Auch bei Marx war dies ein langwieriger Entwicklungsprozess. 

Den ersten Impuls erhielt Marx, als der 1848 zum Präsidenten Frankreichs gewählte Louis Napoleon-Bonaparte 1851 die Nationalversammlung (Parlament) als Ort, wo die Bourgeoisie ihre gesellschaftliche Herrschaft in die politische Sphäre überführt, auflöste und sich gestützt auf die Exekutive (Staatsbürokratie und Militärapparat) zum Alleinherrscher erhob. Die bürgerliche Klasse befürwortete damals merkwürdigerweise sogar mehrheitlich die Auflösung der Nationalversammlung, sprich die Verselbstständigung der Exekutive gegenüber dem politischen Ausdruck ihrer gesellschaftlichen Macht. Gleichzeitig – und auch das fiel Marx auf – blieben die grosskapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse weiterhin bestehen. Es dauerte eine Weile, bis Marx sich einen Reim darauf machen konnte und den Missing Link fand. Der Briefwechsel von Marx und Engels bezeugt diesen Entwicklungsprozess, an dessen Ende die Vorstellung steht, dass die Exekutive sich verselbständigen müsse, wenn die Bourgeoisie nicht (mehr) eigens fähig sei, das gesellschaftliche (oder ökonomische) Ausbeutungsverhältnis aufrechtzuhalten. Die Loslösung der politischen Herrschaft von der Kapitalist:innenklasse dient also gerade dem Erhalt des kapitalistischen Systems. Von daher erhielt dieses indirekte Herrschaftsverhältnis des Kapitals auch ihren Namen: Bonpartismus.[9]

Diese Charakterisierung treffe laut des russischstämmigen Politologen Ilya Matveev auch auf das Kreml-Regime zu: Putins Clique sei also nicht einfach die Willensausführerin der Oligarch:innen-Bourgeoisie, sondern ein bonapartistisches Regime mit eigener Politikgestaltung. Der Erhalt der Oligarch:innenklasse als System ist eher indirekter Natur, insofern das Regime Putin das Ausbeutungssystem allgemein garantiere.[10] Seinen Ursprung habe dieses System nach Matveev in der russischen Finanzkrise von 1998, als die russische Regierung und die russische Zentralbank den Rubel abwerteten und ihre Schulden nicht mehr bedienen konnten. Um die Herrschaft des Kapitals vor dem Systemzusammenbruch zu bewahren und eine Neuverteilung des Kapitals zu vermeiden, sowie um neoliberale Reformen gegen den roten Gürtel, wo die Bevölkerung weiterhin die Kommunistische und andere linke Parteien unterstützte, durchzuboxen, habe die russische Kapitalist:innenklasse 1999 einen Teil der politischen Macht an ein in Ansätzen autoritäres Regime in der Hand Putins abgetreten.[11]

Ilya Matveev im Workshop zum russischen Imperialismus und Putins Zukunft am Anderen Davos 2023

Während uns die angemessene Würdigung des subjektiven Faktors ein dynamischeres Modell zur Analyse der Situation bietet, um Entwicklungen differenzierter in ihrer Ursächlichkeit und in ihrer Auswirkung zu fassen, ist eine andere Frage letztlich nicht abschliessend zu beantworten. Die Frage, ob oder inwiefern ein bonapartistisches Regime im Angriffskrieg auch einen ökonomischen Vorteil für das Gesamtsystem sieht bzw. inwieweit die nationalistisch-chauvinistische Ideologie ökonomischen Triebkräften unterworfen oder übergeordnet ist. Es wäre jedoch durchaus denkbar, dass die bonapartistische Verselbständigung des Regimes unter Putin eine Eigendynamik entwickelt hat, die letztlich sogar der russischen Wirtschaft schadet. Zumindest aber scheint die schiere Tatsache, dass der Angriffskrieg ein massives Verlustgeschäft für das mittlerweile international integrierte russische Kapital ist, gegen Ischenkos Vorstellung vom Angriffskrieg als rationale Konsequenz des Selbsterhaltungstriebs der russischen politischen Kapitalist:innenklasse zu sprechen.

Die Invasion der Ukraine als Zuspitzung russischen Revanchismus?

Doch was genau sind nun diese ideellen Triebkräfte, die das Kreml-Regime in den Krieg gedrängt haben? Michael Thumann, deutscher Journalist und Buchautor, der lange als aussenpolitischer Korrespondent der Wochenzeitung Die Zeit in Moskau und Berlin tätig gewesen war, bietet interessante Ansätze, vor welchen die imperialistische Eigendynamik oder die ideologischen Triebkräfte dahinter verständlich gemacht werden können. 
Thumann versucht grundsätzlich die Triebkräfte und Ursachen der russischen Invasion zu rekonstruieren und stellt hierbei zwei Thesen auf. Erstens sei Russland viel zu gross und eigenständig, um Russlands Handlungen primär auf Reaktionen auf den Westen zu reduzieren. Vielmehr agiere Russland aus seinen inneren Verhältnissen, Entwicklungen und Umständen heraus (bspw. Sichern des politischen Machterhalts nach innen wie bspw. 2012 mit den Massenprotesten gegen die dritte Präsidentschaftswahl Putins ermöglicht durch eine Verfassungsänderung, die Kanalisierung innerer Widersprüche und Spannungen oder die eigene Vorstellung von dem, was Russland ausmacht bzw. zugehört).

Zweitens sei der historische Dreh- und Angelpunkt des russischen Selbstverständnisses vieler russischer Politiker:innen, Meinungsmacher:innen und Intellektuellen revanchistisch. Für sie, wie auch für Wladimir Putin, sei die grosse russische Katastrophe der Zusammenbruch der UdSSR gewesen. Anders als für die unabhängig gewordenen Nationen waren die Gebietsabtretungen der russisch dominierten UdSSR für Putin nämlich keine nationalen Befreiungen, sondern ein Verlust früherer Macht und Gebiets. Thumann sieht Putins Wiederherstellung der alten Herrschaftsgebiete als eine Art von Revolte gegen die 1990er, als Revanche gegen die Macht- und Territoriumsteilung mit den neuen Republiken/ Nationen oder gegen die Abrüstungsabkommen mit dem Westen, aber auch gegen die Vielstimmigkeit innerhalb Russlands. 

Diese Revanche soll auch schon vor 2014 begonnen haben. Im Westen habe man diese Entwicklungstendenz nur nicht als solche wahrgenommen. Denn im Westen habe sich Putin damals erfolgreich offen und versöhnlich, ja postpolitisch zeigen können; Putin sei dem Westen im Prinzip als guter Geschäftspartner erschienen. Tatsächlich wurden spätestens ab 2006 in Russland Oligarch:innen, Oppositionelle und Medienschaffende (kritisch bspw. gegen den zweiten Tschetschenienkrieg unter Putin), Künstler:innen durch Schauprozesse oder gar Ermordungen in der Öffentlichkeit aus dem Weg geräumt. Und sobald die Macht im inneren ausreichend gefestigt worden sei, habe der Revanchismus auch verstärkt geografisch-expansive Züge angenommen (wobei die Bestrebungen der Ukraine aus 2004 und 2008 unabhängiger zu werden, Putins Macht auch schon herausgefordert hatten).

Die Wertung der Ost­erweiterung der NATO durch Russland deutet Thumann, sich auf Formulierungen des Kremls stützend, sehr einseitig als illegitimes Eindringen in die russische Einflusssphäre, also eher als politische Anmassung.[12]

Meines Erachtens schätzt Thumann die reelle oder imaginierte Bedrohung durch die NATO-Ausweitung zu sehr gering. Gleichzeitig widerspricht das Gefühl (Russlands bzw. der russischen Elite) eines Bedrohtseins von Aussen, wogegen man sich mit Restauration alter Werte und Gebiete wehrt, keineswegs der These des russischen Revanchismus.

Putinismus, Faschismus, Fascism, Rushism?

Von einer Faschisierung Russlands würde ich trotz des antiukrainischen Nationalismus, des Teil-Totalitarismus durch die Gleichschaltung gewisser Thematiken in den Medien sowie der drakonischen Verschärfung der Gesetze gegen die politische Opposition indes nicht sprechen.
Denn selbst wenn eine multipolare Welt (der verschiedenen Regionalimperialismen) eine Neuerung zur gegenwärtigen Realität darstellen würde, sind die Handlungen des Kremls, seine offiziellen Narrativen und die Auffassungen seiner zentralen Strippenzieher:innen, soweit sich diese nachvollziehen lassen, noch immer sehr auf die echte oder imaginierte Verteidigung des Status Quo bedacht und evozieren die Restauration alter Glorie.
Der historische Faschismus wollte hingegen einen neuen Menschen und eine grundlegend neue soziale Organisation schaffen. Mit anderen Worten, der Faschismus ist umstürzlerisch gegen den Verfassungsstaat und revolutionär gegenüber der gegenwärtigen und bisherigen Ordnung. Somit unterscheidet sich der kapitalistische, rassistische und antifeministische Faschismus auch von anderen autoritär-konservativen Bewegungen.
Und die Schaffung eines neuen, anderen Russlands spielt in der etablierten Politik und der allgmeinen russischen Öffentlichkeit keine nennenswerte Rolle. Noch viel weniger spielt die Wiedergeburt Russlands durch Militarisierung und Krieg eine Rolle. Es macht also viel mehr Sinn von einem revanchistischen Autoritarismus zu sprechen.

Was bedeutet der russische Imperialismus in der Praxis?

Die Auseinandersetzung mit dem revanchistisch-chauvinistischen Charakter der russischen Expansionswut hilft uns dabei, zu erfassen, welche erfahrungsmässige Bedeutung der russische Angriffskrieg für die betroffenen Menschen in der Ukraine hat. 

Wladimir Putin veröffentlichte schon im Juli 2021 einen geschichtsrevisionistischen Artikel, der einen konzisen Eindruck davon vermittelt, wie der Kreml die Ukrainer:innen in ihrer kulturellen Eigenständigkeit und ihrem Anrecht auf selbstständiges und selbstbestimmtes Existieren wahrnimmt bzw. darstellen möchte. Im Nachhinein könnte der Artikel als die ideologische Kriegerklärung betrachtet werden, wobei gewisse Ideologeme wie die naturwüchsige Zugehörigkeit zu Russland und die Kontinuität der ukrainischen Regierung zu neonazistischen Traditionen mindestens seit 2014 vom Kreml aktiviert worden sind: 

«Daher ist die moderne Ukraine ein reines Produkt der Sowjetzeit. Wir wissen und erinnern uns gut daran, dass sie zu einem Großteil auf dem Gebiet des historischen Russlands geformt wurde», oder, «Schritt für Schritt wurde die Ukraine in ein gefährliches geopolitisches Spiel hineingezogen, das darauf abzielt, die Ukraine in eine Barriere zwischen Europa und Russland zu verwandeln, in ein Sprungbrett gegen Russland. Irgendwann musste der Zeitpunkt kommen, an dem das Prinzip, wonach “die Ukraine nicht Russland” sei, keine Option ist. Das “Anti-Russland”-Konzept war erforderlich [für den Westen, Anm. d. Red.], aber wir werden es niemals akzeptieren.»[13]

Als der Kreml am 21. Februar 2022 erstmalig offiziell ankündigte, russische Militärs nach Luhansk und Donetsk zu entsenden[14] und das russische Oberhaus (eine Kammer der Duma; im Prinzip der russische Ständerat) einem offiziellen russischen Militäreinsatz in der Ostukraine ‘zustimmte‘ (de facto nur Offiziellmachung eines fait accompli), wiederholte Putin in einer Fernsehansprache genau dieselbe Sicht auf eine eigenständige Ukraine: «Die moderne Ukraine wurde komplett von Russland geschaffen. Sie ist nie eine wahre Nation gewesen.»[15]

Für die ukrainische Bevölkerung bedeutete dies entsprechend nicht nur Leid und Terror, sondern die begründete Befürchtung, dass der Terror nicht mit dem Ende des Krieges aufhören würde, insbesondere nicht, wenn das Kreml-Regime ihn gewinnt. Dies verdeutlichen die Abgründe der gezielten Bombardements ziviler Infrastruktur, die mittlerweile 8’006 zivilen Kriegstoten[16], die Verschleppung von 13’000 Kindern aus den russisch-besetzten Gebieten nach Russland[17] und die systematische Ermordung oder Folter wehrloser Zivilist:innen oder Militärangehöriger, teils mit hinter dem Rücken zusammengebundenen Händen, in den ukrainischen Regionen um Kyiv (darunter der Vorort Butscha), Tschernihiw und Sumi.[18] Zudem ist das erklärte Ziel des Kremls die ausdrückliche Entnazifizierung der Ukraine, womit der Kreml nicht nur Russland in Kontinuität zum antinazistischen Krieg der Sowjetunion bzw. die Ukraine/ den Westen in Kontinuität zum Nazi-Regime und seinen Kollaborateuren stellen will, sondern vor allem auch zu verstehen gibt, dass die ukrainische Regierung aufgelöst werden muss.[19]

Es ist schwierig, das gesamte Ausmass der begangenen Kriegsverbrechen zu benennen. Die Untersuchungen des Internationalen Strafgerichtshofs laufen noch. Aber Carla de Ponte, ehemalige Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien, meint Verbrechen gegen die Menschlichkeit, worunter etwa Mord, ethnische Ausrottung, gewaltsame Deportation, Folter, Vergewaltigung und gewaltsame Vertreibung fallen, würden auch ind er Ukraine beobachtet. Sie warnt indes davor, das Label des Völkermordes, das in politischen und weniger fachjuristischen Zusammenhängen vorkommt wird, voreilig zu benutzen.[20]

Fachleute, die weniger vorsichtig sind, wie Eugene Finkel, ausserordentlicher Professor für Internationale Angelegenheiten an der Johns Hopkins University, sehen wiederum durchaus den Tatbestand des Genozids gegeben, insofern zwar nicht mehrere Tausend Menschen ermordet worden sind, die menschenrechtswidrigen Hinrichtungen und Deportationen aber doch in mehreren Städten wiederholt passiert sind und somit keine vereinzelte Ausuferung darstellen, und insofern die Handlungen der russischen Militärs, die Aussagen kreml-naher Zeitungen, aber auch Aussprüche des Kreml-Chefs persönlich, eine Absicht zeigen, eine nationale, oder ethnische Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören.[21]

Auch wenn eine endgültige Charakterisierung der Kriegsverbrechen noch aussteht, die unverhüllten Ambitionen des Kreml-Regimes, in Rhetorik wie in konkreten Kriegshandlungen, machen jedoch sehr deutlich, dass es nicht nur Kollateralschäden sind, sondern gezielte Angriffe auf Zivilist:innen; mehr noch, dass es um eine wie auch immer geartete kulturelle Unterwerfung oder Entmachtung geht. Entsprechend ist es unschwer, zu erahnen, wie die Ukraine verwaltet werden würde, wenn das Kreml-Regime sie erobern und ihre Regierung stürzen würde. Deswegen kann die territoriale Verteidigung, auch mit Waffen, nur die Grundbedingung für alle anderen Kämpfe sein, die die ukrainische Lohnabhängigenklasse zu bestreiten hat. 

Erik Møse, Vorsitzender der Unabhängigen Internationalen Untersuchungskommission zur Ukraine, sammelt im Namen des UN-Menschenrechtsrats gerichtsfeste Beweise, um im März 2023 einen umfangreichen Bericht vorzulegen. Møse und sein Team berichten, dass es aufgrund der Menge nicht möglich sein werde, alle Verbrechen zu dokumentieren. Darunter fallen willkürliche Hinrichtungen, illegale Inhaftierungen, Folter, systematische sexuelle Gewalt, Verschleppungen etc. in den Regionen Kiew, Tschernihiw, Charkiw und Sumy.

Im Westen nichts Neues: an der Front zum transnationalen Kapital  

Strukturanpassungen gegen Hilfsgelder: fairer Tausch oder Erpressung Schutzbedürftiger?

Trotzki versuchte die Art und Weise, wie nicht gleichmässig entwickelte, aber koexistierende Volkswirtschaften miteinander interagierten, mit dem Konzept der ungleichmässigen und kombinierten Entwicklung zu fassen. Dem nach sind die Wechselbeziehungen oft dadurch gekennzeichnet, dass stärkere Volkswirtschaften die weniger fortgeschrittenen in Abhängigkeitsverhältnisse zu sich zwingen, d.h. ihre Überlegenheit nutzen, um die strukturelle Entwicklung weniger starker Volkswirtschaften zu lenken, etwa indem sie sie zu billigen Zulieferstaaten für die eigene Wirtschaft machen. 

Eine nicht unwesentliche Rolle in der Produktion und Reproduktion solcher Abhängigkeitsverhältnisse spielen internationale Kreditanstalten wie etwa die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), die Weltbank (WB) oder der Internationale Währungsfond (IWF). 

Die Sprechung von Hilfsgeldern durch internationale Kreditanstalten ist an Bedingungen geknüpft. D.h. konkret Kredite werden gegen die Umsetzung bestimmter Strukturanpassungen in wirtschaftlichen, juristischen oder politischen Bereichen des Ziellandes gewährt und können bei Nicht-Umsetzung ausgesetzt werden. Man muss bei humanitären Hilfsgeldern daher auch von Strukturanpassungskrediten mit wirtschaftspolitischen Auflagen, mehr noch wirtschaftspolitischen Zielen sprechen.

Sicher sind Restrukturierungsmassnahmen, die zur Bekämpfung der Korruption gefordert werden, nicht bloss leere Worthülsen. Gleichzeitig handeln internationale Kreditanstalten bzw. die Staaten und privaten Körperschaften, die Anteilseigner sind, wie neokoloniale Gönner.  Denn Restrukturierungsmassnahmen wollen in den Empfängerstaaten nicht zufällig bestimmte Wirtschaftsausprägungen fördern, die den Gläubigern günstige Bedingungen und Wettbewerbsvorteile vor Ort geben. Da die Staaten, die Hilfsgelder in Anspruch nehmen, aber an extremen wirtschaftlichen Problemen leiden, müssen sie praktisch einwilligen.[22]

Die Ukraine pokert hoch, muss sie aber auch

Die Ukraine leidet gegenwärtig an einer jährlichen Inflationsrate von 30% und bis Ende Dezember 2022 ist das Bruttoinlandprodukt durch die Kriegseinwirkungen um 35% gesunken.[23] Der Angriffskrieg kostete die Ukraine Stand des letzten Frühjahres bereits 564,9 Mia. US-Dollar an zerstörter Infrastruktur und verlorener Wirtschaftsleistung.[23] Die Kosten für den Wiederaufbau der Ukraine dürften mittlerweile bereits 790 Mia. US-Dollar übersteigen.[25]

Allein dies zeigt, dass die Ukraine auf die Hilfe durch andere Staaten und internationale Geldgeber angewiesen ist, sowohl zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Dienstes und der Energie- und Nahrungsversorgung während des Krieges als auch zum Wiederaufbau der Ukraine zu einer funktionierenden Volkswirtschaft. 

Der IWF schätzt, dass die Ukraine monatlich drei bis vier Mia. US-Dollar an ausländischer Hilfe bedürfe, um den öffentlichen Dienst und die kritische Infrastruktur aufrechtzuerhalten.[26] Die ukrainische Regierung geht sogar von 7 Mia. US-Dollar pro Monat aus, um die Schäden des Krieges zu kompensieren.[27] Das alles summiert sich und die Schulden wie die Abhängigkeit häufen sich an. Die Auslandsverschuldung der Ukraine betrug Stand September 2022 124,2 Mrd. US-Dollar.[28] 

Strukturanpassungen gegen Hilfsgelder oder Erpressung der schutzbedürftigen Ukraine

Die ukrainische Regierung bedankt sich regelmässig für die solidarische Hilfe durch die westliche Staatengemeinschaft. Wenn es indes um die Konditionen geht, zu denen Hilfsleistungen bereitgestellt werden, sagen Staatschefs, dass transparente und rechtsstaatliche Strukturen geschaffen werden müssen, oder Exekutivdirektorien internationaler Kreditanstalten, dass man sich als Investor in riskanten Situationen absichern müsse. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit, was schon die frühere Zusammenarbeit des IWF mit der Ukraine zeigt.

Hierbei sind grundsätzlich zwei Entwicklungsprozesse zu beobachten. Zum einen soll die ukrainische Wirtschaft liberalisiert werden, um sie zu begünstigenden Bedingungen für das transnationale Kapital zu öffnen. Dabei kann sich das transnationale Kapital neben dem IWF auch auf weitere internationale Finanzinstitutionen verlassen wie der WB, aber auch auf politische Organisationen wie etwa die Europäischen Kommission oder die Welthandelsorganisation (WTO). Das ist im Prinzip die Soft Power, mit der Märkte liberalisiert und die Arbeitsbedingungen der Lohnabhängigen dereguliert werden.

Zum anderen versucht das transnationale Kapital, die ukrainischen Oligarch:innen aus ihren Vormachtstellungen der Wirtschaft (und den entsprechenden Scharnierstellen im Staatsapparat) zu verdrängen. Es ist eine Art der primitiven Akkumulation, in der die schwächeren Ausbeuter:innen verdrängt werden. In diesem Zusammenhang spielen Handlungen zur Beseitigung der Korruption oder zur Konsolidierung und Restrukturierung des Rechtssystems, der Transparenz sowie der Durchsetzungsfähigkeit des Justizsystems eine integrale Rolle.

Ein gutes Beispiel hierfür bietet die Land- und Bodenreform in der Ukraine. Mit der Dekollektivierung nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde ein Moratorium verhängt (und bis zum 1. Januar 2020 verlängert), das den Verkauf von Grundstück verbot, um eine Konzentration von Privatbesitz in wenigen Händen zu verhindern. Durch die Bodenreform vom 1. Juli 2021 können private Grundstückseigentümer:innen nun doch Land verkaufen, jedoch nur an ukrainische natürliche Personen. Ab dem 1. Januar 2024 soll Kauf und Verkauf zudem auf ukrainische juristische Personen ausgedehnt werden. Für ausländische Käufer:innen muss der Zugang zum Grundstücksmarkt erst noch durch ein vorläufig für 2026 angesetztes Referendum genehmigt werden.[29] Die Gesetze wurden also beträchtlich aufgeweicht, und eine Öffnung für transnationales Kapital ist bereits in Sicht.

Doch wie kam es dazu, was waren die internationalen und nationalen Prozesse und Interaktionen, die die Ukraine auf diesen Weg gebracht haben? 

Der Ukraine drohte damals, gepeinigt von der Coronakrise, der Staatsbankrott. Sie war daher dringendst auf etwa 10 Mia. US-Dollar angewiesen. Ein Grossteil davon wurde durch den IWF bereitgestellt, der dafür aber zwei gesalzene Bedingungen stellte. Um den überlebensnotwendigen Kredit von der IWF zu erhalten, musste Selenkyjs Regierung die besagte Bodenreform durchsetzen. Das Gesetz aber war höchst umstritten: gemäss einer Umfrage des Kiewer Internationalen Soziologie-Instituts waren sogar 62% der Befragten dagegen und auch in der etablierten Politik herrschte Uneinigkeit. Nach der Annahme in erster Lesung war es zu heftigen Strassenprotesten gekommen. Nicht zuletzt deswegen hatte das ukrainische Parlament die zweite Lesung immer wieder hinausgeschoben, und als diese schliesslich durchgeführt wurde, war der Ausgang alles andere als klar. Selbst in Selenskyjs Partei der Diener:innen des Volkes sassen viele Gegner.innen. Letztlich musste die Parteifraktion um Selenskyj den Schulterschluss mit ihren politischen Gegner:innen, niemand Geringeres als Abgeordnete um den ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko herum, wagen. Der Schulterschluss mit Leuten, die die Bevölkerung durch die Wahl der Diener:innen des Volkesabgemahnt hatte, ist zwar legal, aber trägt aber durchaus eine informell undemokratische Note. Die sogenannten Diener:innen des Volkes wurden durch die erpresserische Vorgehensweise des IWF letztlich also in zweifacher Hinsicht dazu getrieben, das Mandat der eigenen Bevölkerung zu übergehen.  

An diesem Beispiel lässt sich aber auch die Verdrängung des lokalen Ausbeuter:innentums beobachten. Neben der Bodenreform sollte in Gegenleistung für den Kredit nämlich auch die grösste private Bank der Ukraine, PrivatBank [PRVBKT.UL], welche aufgrund ihrer extremen hohen Verschuldung einst verstaatlicht worden war, nicht mehr an ihren früheren Eigentümer Ihor Kolomojskyj zurückgegeben werden. Kolomojskyj selbst ist ein mächtiger ukrainischer Oligarch, der auch einen gewissen Einfluss auf einige Abgeordnete unter den Diener:innen des Volkes ausübte.[30]

Der Russischer Angriffskrieg und die Offensive des transnationalen Kapitals

Genauso, wie das transnationale Kapital die Coronakrise 2020 in der Ukraine ausgenutzt hatte, wird es auch den russischen Angriffskrieg nutzbar machen können, um der Ukraine Hilfe gegen ‘Strukturanpassungen anzubieten’. Dabei geht es für die Ukraine nicht nur um den Tausch von Strukturanpassungen, die gewisse Kreditanstalten gegen ihre Darlehen fordern, sondern auch um eine exponentielle Verschlechterung der Verhandlungsposition der Ukraine. Die Darlehen, die die Ukraine zurückzuzahlen hat, summieren sich. Da sich die Ukraine weiterhin im Kriegszustand befindet, wird sie mehr Darlehen benötigen, als die unter dem Krieg zerrütte Wirtschaft zurückzahlen können wird. Damit gerät die Ukraine unweigerlich in eine Abhängigkeitsspirale, die sie immer bedürftiger und somit erpressbarer machen wird. 

Die ‘solidarische’ Staatengemeinschaft, d.h. Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Japan, Kanada und die USA sowie einige nicht-staatliche Kreditgeber haben sich am 20. Juli 2022 zu einem Schuldenmoratorium bereiterklärt, womit die Fälligkeit von Darlehen bis Ende 2023 ausgesetzt ist. Damit konnte die Ukraine gerade noch die Katastrophe umgehen, im September 2022 enorme Darlehen von ca. 20 Mia. US-Dollar zurückzahlen zu müssen.[31]

Der IWF und die Weltbank bestanden indes beharrlich darauf, ihre Darlehen oder die Zinskosten, die mit ausstehender Rückzahlung entstehen, einzufordern.[32] Das Haushaltsdefizit der Ukraine liegt gegenwärtig bei monatlichen fünf bis sechs Mia. US-Dollar. Ein Teil der Kosten, die zu diesem Defizit führen – neben den logischen Verdächtigen wie den Kriegsschäden, dem Reparaturaufwand, der ausfallenden Wirtschaftskapazität und dem humanitären Einsatz – ist schlicht die Deckung laufender Schulden. 2022 waren dies 2,8 Mia. US-Dollar.[33]

Unter dem Eindruck solcher Dynamiken und Zwangsverhältnisse fällt es schwer, nicht von einer kohärenten und zielstrebigen Logik, einer Erpressungslogik, zu sprechen. Wenn die internationale Gemeinschaft hier keinen Schuldenstopp gewährt, wartet sie im Prinzip sehenden Auges ab, bis die Ukraine gebrochen alle Restrukturierungsmassnahmen hinnehmen werden muss. 

Weniger erpresserisch in seinem Auftreten, aber wahrscheinlich nicht minder neoliberal in seinen Ambitionen dürfte auch der Finanzierungs- und Aufbauplan sein, für den auf der Ukraine Recovery Conference der Grundbaustein gelegt wurde. Ukraine Recovery Conference ist der neue Name, den sich die jährlich tagende Ukraine Reform Conference aufgrund des russischen Einfalls gegeben hat. Die Namensänderung ist durchaus programmatisch. Zum einen muss die Ukraine seit dem russischen Angriffskrieg wiederaufgebaut werden, zum anderen bietet die veränderte Lage, sprich die entfallene Infrastruktur, auch passende Gelegenheiten für Investoren. Das publizierte Strategiepapier der Konferenz zum wirtschaftlichen Aufbau fällt merklich knapp aus und ist als Grundsatzpapier auch eher unverfänglich und uneindeutig formuliert. Dennoch zeigt es einige Kernkonstanten der Liberalisierungspolitik, die dem Wiederaufbau als Rahmen bzw. den zum Wiederaufbau notwendigen 790 Mia. US-Dollar zur Bedingung gesetzt werden soll: Neben der Reform des Steuersystems sollen Staatsaugaben reduziert werden. Überhaupt soll der Staatsapparat verkleinert werden, indem öffentliche Dienste privatisiert werden. Auch eine Deregulierung der Wirtschaft ebenso wie die Liberalisierung der Kapitalmärkte zur Gewährleistung von Investitionsfreiheit werden anvisiert. Eines der grossen Ziele dieser Strukturanpassungen ist denn auch ganz unverhohlen der Aufbau eines von Vertrauen geprägten Investitionsklimas, um Direktinvestitionen aus der EU und aus der ganzen Welt zu fördern.[34]

Die Zukunft der Ukraine – die Zukunft eines Zubringerstaates

Am 2. Februar 2023 haben der ukrainische Premierminister Denys Shmyhal und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen ein Memorandum unterzeichnet, das eine strategische Partnerschaft zu Produktion, Handel, Transport, Speicherung und Verwendung erneuerbarer Gase wie Wasserstoff und Biomethan vorsieht. Gemäss dem REPowerEU-Aktionsplan soll bis 2030 einer von insgesamt drei Wasserstoffkorridoren zwischen der Ukraine und der EU errichtet werden.[35] Damit nimmt der Vorstoss, den die Ukraine auf der Ukraine Recovery Conference zum Wiederaufbau geleistet hat, langsam konkrete Gestalt an. Vor allem aber zeigt dies auf, was sich die westliche Staatengemeinschaft letztlich unter Marshallplan vorstellt bzw. welchen Platz, die Ukraine innerhalb der Weltgemeinschaft einnehmen soll.

Bei den Plänen zum Aufbau einer vermeintlich grünen ukrainischen Energieversorgung treten vor allem zwei Probleme auf. Zum einen würde es sich hier effektiv um Greenwashing handeln. Denn gut 80% des kommerziell nutzbaren Wasserstoffs wird heute aus fossilem Gas Erdgas hergestellt, weswegen pro Tonne Wasserstoff zehn Tonnen CO2 als Nebenprodukt entstehen würden.[36]

Vor allem aber würde die Ukraine – wie Simon Pirani kritisiert – den gewonnenen Wasserstoff ins europäische Ausland exportieren, anstatt die fossilen Energieträger im Inland durch eine eigene nachhaltige Energiegewinnung zu ersetzten. Mit anderen Worten, die Ukraine würde zwar stärker in Europa integriert, aber durch quasi-neokoloniale Wirtschaftsbeziehungen. Eine Ukraine, die bis vor dem brutalen Angriffskrieg relativ autark seinen Energiehaushalt decken konnte, würde dann zu einem Zubringerstaat, um den Westen billig zu mit Energie zu beliefern, und zu einer Komplizin für das Greenwashing des Westens.[37]

Bei aller Kritik an der Offensive des transnationalen Kapitals darf der russische Angriffskrieg nicht vergessen gehen

Es ergibt keinen Sinn, einseitig gegen die westlichen Volkswirtschaften und das transnationale Kapital zu wettern, vor allem nicht zu Lasten der Kritik am russischen Eroberungskrieg. Erstens versucht der russische Angriffskrieg nicht nur, Kontrolle über die Ukraine zu erhalten, sondern tut dies kombiniert mit systematisch verübten Kriegsverbrechen, um die Eigenständigkeit der Ukraine als Nation zu untergraben. Zynisch ausgedrückt, braucht die ukrainische Bevölkerung die westliche Unterstützung trotz ihrer ausbeuterischen Wirkungsweisen, den russischen Raubzug braucht sie schlicht und ergreifend nicht.

Zweitens rückt man sich damit ganz nah an Verschwörungstheoretiker:innen, die hinter dem Ukrainekrieg ein abgekartetes Spiel der Bank-Weltelite, quasi als Deep State aller Staaten, sehen. Selbstredend sind die internationalen Kreditanstalten eigennützig und opportunistisch. Sie sind aber nicht einfach die Körperschaften, die unter den allgemeinen Wirkungskräften liberal-kapitalistischer Systeme entstehen, um die Interessen des Grosskapitals zu vertreten. Sie sind die Gestalt, die Entwicklungshilfe innerhalb eines Marktsystems annimmt. Die Solidarität der westlichen (und östlichen) Staaten funktioniert ungeachtet der historischen Notlage in der Ukraine nach dem kapitalistischen Leistungsprinzip und wird als geschäftliche Tauschbeziehung verstanden. Humanitär-solidarische Tendenzen können im Rahmen der neokolonial-paternalistischen Denklogik des Kapitalismus nicht anders funktionieren. Ich würde mich aber davor hüten, dies eindimensional zu begreifen und bei den westlichen Staaten und Kreditanstalten wirklich nur die Liberalisierungsagenda sehen zu wollen. 

Wo hat die solidarische Linke zwischen Imperialismen und lokalen Oligarch:innen zu stehen? 

Strategisch ist klar, was die Linke für eine Rolle einzunehmen hat. Zum einen muss sie für den kompletten Schuldenschnitt der Ukraine, sowie für künftig unentgeltliche oder kostengünstige Hilfeleistungen für die Ukraine kämpfen. Man muss aber auch die liberalisierenden Strukturanpassungen ins Blickfeld nehmen. Die Ukraine darf nicht durch ein quasi-neokoloniales Verhältnis unterwerfend in die europäische Gemeinschaft integriert werden. Dies ist allerdings ein durchaus ambivalentes Spiel: denn zum einen könnte die ukrainische Bevölkerung von ernstgemeinten Strukturanpassungen, die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fördern, durchaus profitieren. Zum anderen sind eben diese Schlagwörter Deckmäntel für Strukturanpassungen, die die ukrainische Wirtschaft zu für sie ausbeuterischen Bedingungen international öffnen sollen. 

Die ukrainische Bevölkerung sollte sich nicht zwischen Ausbeutung durch informelle und korrupte Oligarch:innen oder Überausbetung durch transnationales Kapital entscheiden müssen. Deswegen ist es wichtig, dass die notwendigen Strukturanpassungen nicht an der Gemeinbevölkerung vorbeigehen. An dieser Stelle verzichte ich bewusst darauf, mit revolutionärer Phrasendrescherei von Rätestrukturen zu schwärmen. Mit gegenwärtig unerreichbaren Utopien ist niemandem geholfen; im Gegenteil, wird eher noch das effektiv Erreichbare unterlassen. Zivilgesellschaftliche Bürger:innenplattformen sowie starke Gewerkschaftsstrukturen sollten neben der ukrainischen Regierung die führende Stimme und Gestaltungskompetenz erhalten, um das Land wiederaufzubauen, d.h. die Hilfsgelder einzusetzen, und um in Austausch mit den solidarischen westlichen Staaten zu treten. Auf jeden Fall, sollte die volle Kontrolle über den Einsatz der Hilfsgelder in den Händen der Ukraine selbst liegen. Organisationen wie das Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte sollten dabei durchaus involviert werden. Aber wirtschaftlich eigennützige Organisationen und Körperschaften dürfen kein Mitspracherecht oder informelle Erpressungsgewalt behalten, insbesondere nicht unter dem Vorwand der Demokratieförderung. Die Linke muss also auch ein Mehr an Basisdemokratie und direkter Mitbestimmung einfordern.

Dabei muss die Linke die Unterstützung für den Widerstand gegen den russischen Landgrab-Imperialismus und die Kritik am westlichen Finanzimperialismus sinnvoll miteinander verknüpfen. Hierin liegt die einzig nutzvolle Richtung, die linke, gewerkschaftliche und emanzipatorische Solidarität gegenwärtig gehen kann. Denn ein einseitiger Kampf gegen den Westen oder eine nur lauwarme Unterstützung des physischen Kampfes gegen Russland ginge an der Lebensrealität der Ukraine vorbei, die zwar vom Westen her erpresserisch ausgebeutet, aber vom Osten her weiterhin angegriffen und zerstört wird. Letztlich würde die westliche Linke so die geforderte und notwendige aktive Involvierung der ukrainischen Gemeinbevölkerung in den Gestaltungsprozess übergehen. 

An der Heimfront: im Klassenkampf mit der eigenen Regierung 

Die ukrainische Lohnabhängigenklasse steht schon im eigenen Land einem mächtigen Gegner gegenüber. Die Liberalisierungs- und Deregulierungstendenz der ukrainischen Regierung nimmt selbst im Schatten des brutalen Angriffskrieges durch das Kreml-Regime keinen Abbruch. In diesem Sinne muss von einer dritten Front gesprochen werden, an der die Anrechte der Lohnabhängigen auf ein würdevolles Leben und zur Verteidigung eines eben solchen geopfert werden.

Der parlamentarische Ausschuss für Sozialpolitik und Veteran:innenschutz unter Halina Tretjakowa, selbst Mitglied in der Partei der Diener:innen des Volkes, brachte mit dem Gesetzesentwurf Nr. 2708 «über die Arbeit» schon am 28. Dezember 2019 eine Gesetzesinitiative ins Parlament ein, die eine starke Deregulierung des Arbeiter:innenschutzes vorgesehen hätte. Schlussendlich wurde die Gesetzesinitiative aber in erster Lesung zurückgezogen, weil sie die Arbeiter:innenrechte sowohl nach Standards der EU als auch nach ukrainischem Recht zu sehr einschränkte. Aber das ukrainische Arbeitsgesetzbuch, das noch aus 1971 stammt, stand seit der Auflösung der Sowjetunion oft unter Beschuss, weil es die Freiheiten der Arbeitgeber:innen einschränkt. In seinen 52 Jahren hat das Arbeitsgesetz bereits derart viele Revisionen erlebt, dass es beinahe 100 verschiedene Ausgaben gibt.

Man kann auch schlecht die ukrainischen Gewerkschaften und Lohnabhängigen als aktive und kompetente Mitgestalter:innen des Wiederaufbaus einfordern, ohne den Abbau der Arbeiter:innenrechte in der Ukraine anzusprechen. Dabei ist es schwierig zu sagen, wie viel der Deregulierung mit dem (in)formellen Strukturanpassungsdruck durch internationale Geldgeber zusammenhängt und wie viel bereits in der Agenda der neoliberalen Diener:innen des Volkes (oder anderen zuvor regierenden neoliberalen oder pro-kapitalistischen Parteien und informell Einfluss nehmenden Oligarch:innen) gründet. 

In einem von opendemocracy[38] eingesehenen geleakten Kommunikationsplan für 2021, das aus der Feder einer internationalen Entwicklungsberatungsfirma stammt und mit dem Logo der britischen Botschaft in Kyiv versehen war, wird jedoch dem ukrainischen Wirtschaftsministerium empfohlen, bei der Liberalisierung des Arbeitsrechts die «positiven Ergebnisse» für die ukrainischen Lohnabhängigen zu betonen. Das spricht zumindest dafür, dass die europäischen Regierungen die Liberalisierungs- und Deregulierungsbestrebungen der ukrainischen Regierung unterstützen. 

Aber wie sieht denn nun die Lebensrealität unter der arbeiter:innenfeindlichen Regierung Selenksyj aus? Am 15. März 2022 wurde die Gesetzesinitiative «über die Organisation der Arbeitsbeziehungen unter dem Kriegsrecht» vom ukrainischen Parlament verabschiedet.[39] Im Prinzip regelt das Gesetz, in welcher Weise das allgemeine Arbeitsrecht dem Kriegsrecht untergeordnet wird. So werden verfassungsmässig garantierte Rechte und Freiheiten (Berufe frei wählen, rechtzeitiger Erhalt des Gehalts, Schutz unrechtmässiger Entlassung und Verbot schwerer und gesundheitsgefährdender Arbeit für Frauen sowie die Gewährleistung des Streikrechts; Art. 44 und 43) eingeschränkt und ausgesetzt: Beim Wegbleiben von Lohnabhängigen (Evakuation, Vertreibung etc.) können Unternehmen neue Angestellte oder Vertretungen praktisch in einem Kurz- oder Leiharbeitsverhältnis anstellen. Zudem können Unternehmen Angestellte für Arbeiten zur Verhinderung oder Beseitigung von Kriegsfolgen an andere Orte versetzen, ohne dass dafür die Zustimmung der Arbeiter:innen erforderlich ist oder dies vertraglich vorgesehen war. Weiter können Unternehmen infolge kriegsbedingter Veränderungen der Produktion oder der Arbeitsorganisation Löhne, Arbeitszeiten, Pensum etc. anpassen. Beurlaubte oder vorübergehend arbeitsunfähige Lohnabhängige können rascher entlassen werden. Die Arbeitswoche kann auf 60 Stunden erhöht, die wöchentliche Ruhezeit auf 24 Stunden begrenzt werden. Auch die Rolle der Gewerkschaften wurde geschwächt, weil sie darauf begrenzt wurde, die Einhaltung der veränderten Gesetzlage zu kontrollieren (Arbeitskämpfe).[40]

Die Regierung belässt es aber nicht bei einer (vordergründigen) Anpassung an die Kriegssituation. Die Regierung Selenksyj hat auch während der Kriegszeit mehrere neoliberale Gesetzesinitiativen lanciert. Die berüchtigtste Gesetzesinitiative dürfte wohl der im April 2021 dem Parlament vorgelegte Gesetzesentwurf Nr. 5371 sein. Nach Aussage der Initiant:innen, den sogenannten Diener:innen des Volkes, soll das Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltung und Arbeitsbeziehungen in kleinen und mittleren Unternehmen dienen. De facto würde das Gesetz den Unternehmer:innen helfen, die tariflichen/ gesamtarbeitsvertraglichen Rahmenbedingungen zu umgehen. Der Entwurf wurde in zweiter Sitzung, am 19. Juli 2022, angenommen.[41]

Grundsätzlich teilt der Gesetzesentwurf die Lohnabhängigen in Gruppen hinsichtlich des Arbeiter:innenschutzes ein. Die Angestellten von Grossunternehmen oder von öffentlich-rechtlichen Körperschaften würden weiterhin in den Genuss der bisherigen gesamtarbeitsvertraglichen Anrechte kommen. Das Arbeitsverhältnis in Unternehmen mit bis zu 250 Angestellten, d.h. 73% aller ukrainischen Anstellungsverhältnisse, dürfte dann aber durch individuelle Vertragsregelungen gestaltet werden: Aufnahme und Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Vergütungssystem, Arbeitsnormen, Gehalt, Zulagen, Zuschläge, Prämien, Belohnungen, Arbeits- und Ruhezeiten etc. könnten durch Unternehmer:in und Arbeiter:in individuell geregelt werden. 

Weiter könnte die:der Unternehmer:in die Beendigung des Anstellungsverhältnisses einseitig gestalten, da Kündigungsgründe vertraglich festgesetzt werden könnten, die nicht in Einklang mit dem Arbeitsgesetzbuch stehen. Und weil die Zustimmung von innerbetrieblichen Gewerkschaftsstrukturen bei Entlassungen nicht mehr erforderlich wäre, würde die Macht der Gewerkschaften stark reduziert, was vor allem einkommensschwächere Lohnabhängige betreffen würde.[42]  

In Reaktion auf die Gesetzesinitiative «über die Arbeit», sowie auf den Gesetzesentwurf Nr. 2681, der die Gewerkschaftskompetenzen innerhalb der Betriebe erheblich schwächen sollte, kam es am 30. Januar 2020 zu landesweit koordiniert Protesten. Unter dem Namen «Welle des Zorns» (Хвиля гніву) fand in mehreren ukrainischen Städten wie Lwiw, Saporischschja, Mykolaiv, Charkiv, Kyiv etc. ein klassenkämpferischer Aktionstag statt. Skandiert wurde unter anderem der Slogan: «Stopp der Arbeitssklaverei!» (STOP трудовому рабству!)

Die ukrainische sozialistische Basisorganisation Sozialnyj Ruch vermutet auch, dass die vermeintlichen Diener:innen des Volkes den russischen Angriffskrieg ausnutzen, um ihre Liberalisierungsagenda durchzuboxen. Grundsätzlich wäre die ukrainische Bevölkerung nämlich berechtigt, an der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheit beteiligt zu werden. In Kriegszeiten verläuft das Gesetzgebungsverfahren allerdings geschlossen, womit eine umfassende Partizipation oder Kontrolle des Gesetzgebungsverfahrens durch die Bevölkerung verunmöglicht ist. So war der Gesetzesentwurf Nr. 5371 ohne öffentliche Vorankündigung in einer ersten Lesung zur Abstimmung gebracht worden und die Vorbereitungen für die zweite Lesung wurden darauf im Eilverfahren ausgeführt.[43]

Die ukrainische Linke, die Arbeiter:innenklasse und der ukrainische Staat

Die Frage ist nun, wie die ukrainische Linke mit der arbeitsfeindlichen Linie der Diener:innen des Volkes umgehen kann. Das grundsätzliche Problem ist, dass im Rahmen des geltenden Kriegsrechts gesamtstaatliche oder lokale Referenden sowie Streiks oder Massenaktionen und -kundgebungen verboten sind.[44] Um politisch in Konfrontation mit dem Staat zu treten, kann die Bevölkerung praktisch nur aufs Petitionsrecht zurückgreifen und darauf hoffen, dass der Präsident einlenkt und ein Veto gegen ein Gesetz oder einen Entschluss spricht.[45]

Tasha Lomonosov, Yulia Yurchenko und Hanna Perekhoda im Workshop zum ukrainischen Widerstand gegen Krieg und Neoliberalismus am Anderen Davos 2023

Sozialnyj Ruch als ein Beispiel linker Basisbewegungen innerhalb der kriegszerrütteten Ukraine verdeutlicht sehr gut, wie ein Handeln innerhalb dieses eingeschränkten Handlungsrahmens aussehen muss. Gegenwärtig setzt sich Sozialnyj Ruch neben klassenkämpferischer Analyse und Kritik am Staat praxisbezogen in den Bereichen des Arbeitsrechtes und der sozialen Garantien ein. Es werden Spendenkampagnen unternommen oder andere humanitäre Hilfe geleistet. Seit März 2022 läuft zudem das Projekt Arbeitsverteidigung (Trudoborona; Tрудоборона), um auch die Arbeiter:innenrechte und sozialen Garantien zu verteidigen. Sozialnyj Ruch engagiert sich in kollektiver wie individueller Aufklärung von Lohnabhängigen über die verschlechterte Gesetzeslage, berät Betroffene oder leistet Hilfestellung bei konkreten Problemen in Form von Klagen gegen die jeweiligen Unternehmen und vor juristischen Instanzen. Ein Teil der Organisation beteiligt sich zudem am bewaffneten Widerstand und in den Selbstverteidigungsstrukturen.

Ja, dies ist relativ wenig gemessen an den notwendigen Arbeitskämpfen, die eigentlich geleistet werden müssten. Aber gerade hier bedürfte es der aktiven und solidarischen Unterstützung der internationalen Linken, um den Handlungsrahmen für innersystemische Kritik wieder zu öffnen. Druck von aussen kann wirkungsmächtig sein. Linke, gerade im von gewalttätigen Konflikten unbelasteten Westeuropa, machen sich den Sachverhalt jedoch zu einfach, wenn sie skandieren, die ukrainische Regierung sei eine bürgerliche und deswegen nicht der Freund der Arbeiter:innenklasse. Dies ist zwar grundsätzlich richtig, um aber nicht zur Binsenweisheit zu verkommen, muss man den Sachverhalt in seiner ganzen Komplexität verstehen. Die Linke muss hier von zwei Prinzipien ausgehen: davon, was innerhalb der historischen Situation sinnvoll und möglich ist, und von der demokratischen Selbstbestimmung durch die Betroffenen selbst.

Erstens, ist es für eine internationale Linke gerade im Lichte des Imperialismus entscheidend, dass sie sich nicht über den Willen der Bevölkerung in der Ukraine hinwegsetzt. Man muss vermeiden, in die quasi-koloniale Falle zu tappen und als Bewohner:in eines imperialistischen Landes von der ukrainischen Bevölkerung, die zwischen zwei Imperialismen zerrieben wird, zu fordern, dass sie ihre materiellen Grundbedürfnisse negiert entgegen der historischen Bedingungen, die die Bombardements über ihren Köpfen diktieren. Romantische Revolutionsphrasendrescherei, die den ukrainischen Widerstand gegen den russischen Vormarsch zwar prinzipiell als gerechtfertigt anerkennt, gleichzeitig aber Waffenlieferungen ablehnt, weil diese von bürgerlichen Staaten ausgeführt werden, oder bemängelt, dass die ukrainische Arbeiter:innen innerhalb des ukrainischen bürgerlichen Gesamtstaates kämpfen, sind nicht nur illusionär. Nein, diese linken Stimmen zeigen auch eine gewisse Selbstüberheblichkeit, weil sich die ukrainischen Arbeiter:innen solch reines revolutionäres Wunschdenken gar nicht leisten können.

Nicht unähnlich sah dies seiner Zeit auch schon Friedrich Engels, der die krude Kontrastierung von nationaler Befreiung und sozialer Befreiung nicht teilte: «Jeder polnischer Bauer und Arbeiter, der […] zur Teilnahme an allgemeinen Interessen aufwacht, stößt zuerst auf die Tatsache der nationalen Unterjochung (durch Russland und Preußen), sie tritt ihm überall als erstes Hindernis in den Weg. Sie zu beseitigen ist Grundbedingung jeder gesunden und freien Entwicklung. Polnische Sozialisten, die nicht die Befreiung des Landes an die Spitze ihres Programms setzen, kommen mir vor wie deutsche Sozialisten, die nicht zunächst die Abschaffung des Sozialistengesetzes, Press-, Vereins-, Versammlungsfreiheit fordern wollten. Um kämpfen zu können, muss man zuerst einen Boden haben, Luft, Licht und Ellenbogenraum. Sonst bleibt alles Geschwätz.»[46]

Beim Vorwurf quasi-kolonialer Allüren westlicher Linker geht es aber nicht bloss um die historisch-materiellen Bedingungen, sondern auch darum, Sachverhalte von den Betroffenen herzudenken. Zweitens münden von oben diktierte Bewegungen niemals in ein Mehr an Demokratie. Dies wussten schon Marx und Engels in ihrer Ablehnung blanquistischer Revolutionskonzepte. Deswegen sind für Sozialist:innen, denen es an der Selbstbestimmung der Völker gelegen ist, vor allem die Stimmung und die Motivation der ukrainischen Bevölkerung ausschlaggebend. Nach einer Umfrage des Kiew International Instituts für Soziologie (Київського міжнародного інституту соціології oder КМІС) waren Ende Oktober 2022 noch 86% der befragten Ukrainer:innen, in den östlichen Regionen um Charkiw und Donetsk immerhin 69%, auch trotz russischer Raketen- und Drohnenangriffe auf ukrainische Städte für die Weiterführung des bewaffneten Widerstands statt eines Übergangs zu Verhandlungen mit Russland.[47] Ähnlich fiel das Ergebnis einer Umfrage aus, die die Münchner Sicherheitskonferenz für den November 2022 bei der Kommunikationsagentur Kekst CNC und ukrainischen Partnern in Auftrag gegeben hat. Demnach wünschen 72% der befragten Ukrainer:innen längerfristige Waffenlieferungen und 89% würden selbst bei einem Nuklearschlag durch den Kreml weiterkämpfen wollen.[48]

Vor dem Hintergrund der konkreten materiell-historischen Situation und der Selbstbestimmheit erweist der Schluss, dass Kritik an der ukrainischen Regierung automatisch Zuspruch für die russische Regierung bedeuten müsse, also als Trugschluss. Denn eine Sache bleibt als Fakt unumstösslich: auch wenn die mittel- und längerfristigen Interessen der Regierung Selesnkyj und der lohnabhängigen ukrainischen Bevölkerung nicht deckungsgleich sind, so bleiben die Interessen des Kreml-Regimes denjenigen einer freien und physisch unversehrten ukrainischen Bevölkerung weiterhin diametral entgegengesetzt. Entsprechend bedarf es einer Linken, die die umstandsbedingte Notwendigkeit sieht, mit der bürgerlichen Regierung an einem Strang zu ziehen, ohne sich aber undifferenziert auf die Seite einer bürgerlichen Regierung und ihrer nachgeordneten Behörden zu stellen. An dieser Prio- oder Hierarchisierung der Fronten, an denen die ukrainische Lohnabhängigenklasse kämpft, kommt man als logisch denkender Mensch, der freiheitliches (Über)leben als Grundvoraussetzung für jeden weiteren Kampf versteht, gar nicht vorbei. Gerade aus marxistischer Perspektive muss man von den historischen Umständen und den materiellen Bedingungen ausgehen, sprich das effektiv Mögliche zur Strategie machen. 

Eine Hierarchisierung des Kampfes um soziale Befreiung und desjenigen um nationale Selbstbestimmung war schon für die beiden Altherren des wissenschaftlichen Sozialismus Marx und Engels nichts Neues: «Solange ein lebensfähiges Volk von einem auswärtigen Eroberer gefesselt ist, wendet es alle seine Kraft, alle seine Anstrengungen, alle seine Energien notwendig gegen den äußeren Feind; solange bleibt also sein inneres Leben paralysiert, solange bleibt es unfähig, für die soziale Emanzipation zu arbeiten.»[49] 

die Interessen der ukrainischen Lohnabhängigenklasse und diejenigen der Gesamtukraine und des Westens

Wie wir oben gesehen haben, steht ausser Frage, dass die Lohnabhängigenklasse in der Ukraine nicht grundsätzlich dieselben Interessen teilt wie die kapitalistische Klasse in der Ukraine, noch viel weniger wie der imperialistisch-kapitalistische kollektive Westen. Interessen überschneiden sich zwar übergangsweise, weil die Ukraine als Gesamtstaat, mitsamt der kapitalistischen Elite materiell bedroht ist. Und wenn Russland es schaffen würde, zusätzlich zu den bisherigen vier besetzten Oblasten Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja vier weitere Oblaste in der Zentral- und Südukraine zu erobern, einschliesslich Odessa, und zudem schaffen würde, die Gebiete östlich Kyivs und des Dniprodeltas dauerhaft zu besetzen, könnte Russland die 50% Restukraine in einen dysfunktionalen Rumpfstaat verwandeln. Die Ukraine wäre von wichtigen natürlichen und technologischen Infrastrukturen wie der Schwarzmeerküste abgeschnitten und die ukrainische Wirtschaft so dauerhaft verkrüppelt. Ausserdem würde Russland auf diese Weise einen dauerhaften destabilisierenden geografischen Brückenkopf ins ukrainische Kerngebiet schlagen. Sowohl eine Ukraine als dysfunktionaler Rumpfstaat als auch ein in seinem revanchistisch-imperialistischen Selbstbewusstsein gestärktes Russland könnten zu einem enorm destabilisierenden Faktor in Ost- und Ostmittleuropa werden. Dass der ukrainische Widerstand gegen die russische Invasion also nicht nur ein Kampf um die ukrainische Demokratie ist, dürfte also eine gewisse Berechtigung haben – um es vorsichtig auszudrücken. Die Interessen nicht-ukrainischer, z.T. imperialistischer Fraktionen des westlichen Kapitals decken sich also durchaus übergangsweise mit denjenigen der ukrainischen Bevölkerungen. Nun kann auch niemand den ukrainischen Bevölkerungen sinnvoll schlechtreden, diese Konvergenzen strategisch auszunutzen. 

Gleichzeitig ist der ganze Sinn einer Perspektive, ausgehend von der betroffenen Bevölkerung an der Basis der Gesellschaft, eine proletarische Klassenperspektive zu entwickeln. Es geht nicht darum, die Ukraine zu einer primären Volkswirtschaft zu machen, die ihrerseits andere kapitalistische Volkswirtschaft in die Abhängigkeit zu sich treibt. Es geht letztendlich darum, die ukrainische Arbeiter:innenklasse geistig und materiell auf eine Zukunft jenseits des Kapitalismus vorzubereiten. Denn sonst können die ukrainischen (und anderen) Bevölkerungen niemals wirklich frei werden. Das Maximum wäre eine starke Sozialdemokratisierung der Gesellschaft, in welcher das Ausbeutungsverhältnis möglichst angenehm ausgestaltet ist. 

Der Antiimperialismus von Unten ist Teil des Klassenwiderspruchs als dem Ur-Antagonismus der Gesellschaft. D.h. der Kampf um die materielle Verbesserung muss nicht nur als Widerstand gegen die Invasion gesehen werden, sondern auch als Erhalt und Ausbau der bisherigen gewerkschaftlichen Vorrechte und sozialstaatlichen Anrechte. Dies ist ein Kampf, der gegenwärtig durch das Kriegsrecht stark eingeschränkt ist, aber nach dem Krieg auch nicht einfach wieder von Null auf Hundert gehen können wird. Die längerfristige Perspektive muss zudem sein, die materiellen Verbesserungen und die eigenständige Organisierung zum geistigen und materiellen Aufbau und Aufstellung der ukrainischen (und weltweiten) Lohnabhängigenklasse zu nutzen. Doch man muss hier tunlichst unterscheiden zwischen unbegründetem Umstürzlertum, das sich nur in ein revolutionär anmutendes Gewand kleidet, und wirklicher revolutionärer Strategie, die das Wohl der Lohnabhängigenklasse im Blick hat. 

Die ausreichende Vorbereitung des geistigen und materiellen Zustands der ukrainischen (und europäischen) Arbeiter:innenschaft ist zentral dafür, zu welchem Punkt man den Klassenkampf steigert. Würde man bspw. dem ukrainischen Widerstand die Waffenlieferungen zur Aufrechterhaltung des bewaffneten Widerstandes versagen, weil man als Voraussetzung dafür eine eigenständige Organisierung der Arbeiter:innenschaft und ein Opponieren der russischen und der ukrainischen Arbeiter:innenschaft gegen ihre jeweiligen nationalen Eliten setzt, würde man lediglich die Ukrainer:innen massenhaft in den Tod schicken und die nationale Integrität des ukrainischen Nationalstaates unterminieren, der international Rechtssicherheit für die dort lebenden Bevölkerungen garantiert. Weder hat die ukrainischen Lohnabhängigenklasse gegenwärtig massenhaft ein Bewusstsein als Klasse für sich entwickelt noch haben sich zahlreiche Arbeiter:innen eigens umfassend und als Gegenmacht gegen die staatliche Ordnung organisiert. Vor allem aber könnte man noch hundert Jahre warten, bis die russischen Soldaten ihre Waffen auch niederlegten. Tatsächlich würden die Ukrainer.innen so einfach überrannt – wenn nicht auf dem gesamten Staatsgebiet, dann zumindest auf nahezu 50% davon –, was den Nimbus des Kreml-Regimes in der russischen Arbeiter:innenschaft nur weiter konsolidieren würde. Revolutionsschwangeres Palaver von der Überwindung des reaktionären Nationalstaates oder vom klassenversöhnlichen Burgfrieden wäre im besten Fall ahistorische Schwärmerei, die die materielle Situation des zu befreienden Subjekts zugunsten schöner revolutionärer Losungen völlig übersieht. Möchte man zynisch sein, würde man ein verstecktes Kalkül von Putinversteher:innen darin erkennen wollen. In jedem Fall lassen Marxist:innen die Lohnabhängigenklasse nicht grundlos ins Messer laufen!

Was kann die internationale Linke also tun?

Um auch nach innen den Kampf um Arbeiter:innenrechte und soziale Garantien zu intensivieren, ist die aktive Solidarität der internationalen Linken unablässig. Während es klar scheint, wie die Front gegen den russischen Einfall zu unterstützen ist, erweist sich die Frage schwierig, wie bereits unter dem russischen Angriffskrieg auch schon innersystemisch mehr gemacht werden kann, als zu informieren, Kritik zu üben und Menschen in ihren individuellen Arbeitskämpfen zu unterstützen. 

Das grobe Ziel ist es, nicht den mit der liberalen ukrainischen Regierung gemeinsam geführten Widerstand aufzubrechen, sondern von der Regierung Selenskyj mehr lokale Bestimmungsgewalt über die Bedingungen, zu welchen dieser Widerstand geführt wird, für die betroffenen Soldat:innen und Zivilist:innen einzufordern. Dies kann offensichtlich nicht aus dem Inneren der Ukraine gefordert werden, da man schlecht aus den rechtlichen Einschränkungen heraustreten kann, um die Aufhebung der besagten Einschränkungen zu fordern. Deswegen ist der koordinierte öffentliche Druck auf die Regierung Selenskyj von aussen, durch eine organisierte internationale Linke notwendig. Doch würden die internationale Linke, Gewerkschaften und emanzipatorischen Bewegungen jeden auch noch so ernst gemeinten Beistandsversuch sabotieren, wenn sie überall die Klausel mitführten, dass Waffenlieferungen oder überhaupt die Aufrechterhaltung des militärischen Widerstandes abzulehnen sei. Sie würden damit gerade die ukrainische Arbeiter:innenklasse vor den Kopf stossen, die an der russisch-imperialistischen Front um ihr Überleben als eigenständige und freie kulturelle Entität kämpft.

Eine konkrete Forderung für eine Kampagne könnte etwa das Recht sein, auch im Verteidigungsfall Arbeitskämpfe führen zu dürfen. Bspw. wäre dies in Deutschland gemäss der 1968 verabschiedeten Verteidigungsfallregelung, die wegen anderweitiger Einschränkung der Bürgerrechte weiterhin kritikwürdig bleibt, möglich.[50] Dies wäre ein erster Schritt nach dem Prinzip «einen Schritt wagen, der möglich ist, aber gleichzeitig schon über sich hinausweist».

Das Kreml-Regime nimmt gezielt die zivile Infrastruktur und zivile Lebensbereiche unter Beschuss, um ein unabhängiges Leben in der Ukraine zu verunmöglichen. Die ukrainische Bevölkerung weigert sich zu Recht dagegen, den Angriff passiv über sich ergehen zu lassen.

Eine unsolidarische Linke droht, eine vierte Front zu werden 

Die Linke geht vom eisernen Prinzip Karl Marx’ aus, wonach die Befreiung der Arbeiter:innenklasse nur das Werk der Arbeiter:innenklasse selbst sein kann. Deswegen erscheint es fast schon ironisch, geradezu zynisch, dass der ukrainische Widerstand, innerhalb dessen auch die ukrainische Arbeiter:innenklasse um das freie kulturelle Überleben kämpft, gerade innerhalb von linken Kreisen in Rechtfertigungsnot gerät. Diese fehlende Solidarität hat praktische Auswirkungen. Wie wir oben gesehen haben, braucht es gerade eine dezidiert und spezifisch linke internationale Position innerhalb der Solidarität mit dem ukrainischen Widerstand. Nur so können die spezifischen Anliegen der ukrainischen Lohnabhängigen innerhalb des Gesamtwiderstandes sichtbar gemacht und vertreten werden. Es geht daher nicht an, dass die ukrainische Arbeiter:innenklasse auch mit Linken, die sich in der privilegierten Situation des Friedens befinden, um ihr Recht auf Widerstand kämpfen muss.

Bestimmte Linke sind ewige Campist:innen (sogenannte oder eher noch selbsternannte ‘antiimperialistische’ Linke, die die Welt wie im Kalten Krieg in zwei Lager einteilen und sich für das östliche Lager entscheiden), sahen und sehen im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine immer vielmehr einen Angriff durch die USA und die NATO durch die Ukraine gegen Russland. Die weitaus grössere Gefahr geht aber vom sich anbahnenden Stimmungsumschwung in linken Kreisen aus, die sich (zunächst) durchaus solidarisch mit der Ukraine zeig(t)en. Ich erinnere mich noch daran, als Herr Gysi letzten Februar unverzüglich sagte, die LINKE hätte sich bis dato bezüglich Russlands geirrt. Auch Frau Wagenknecht konnte der Frage, ob denn nun Putin ein Kriegsverbrecher sei, nur noch ausweichen, indem sie den Fokus von Putin auf seinen Krieg lenkte, aber dabei immerhin meinte, dass der kriegerische Einfall ein Verbrechen sei. Doch schon ein Jahr später krebsen grosse die Teile der LINKE und vor allem um Wagenknecht wieder zurück.

Ich hege die Vermutung, dass dieses langsame Zurückfallen in alte Reflexe System hat. Unter dem frischen Eindruck des russischen Einfalls war vieles nicht mehr sagbar gewesen, nicht nur weil man sich in den Augen der Öffentlichkeit ins Aus manövriert hätte, sondern weil man auch selbst schwer getroffen war. Mittlerweile aber pushen gewisse linke Meinungsmacher:innen die Grenzen des Sagbaren wieder langsam Richtung Putinverständnis. Die Rehabilitierung einer putinfreundlichen Front innerhalb der Linken hat nicht nur geschichtsrevisionistische Züge, sondern prellt die ukrainische Arbeiter:innenklasse auch um die so dringend benötigte spezifisch linke Solidarität und setzt an ihre Stelle eine vierte Front, der sich der ukrainische Widerstand dann auch noch stellen muss.

Der ukrainische Widerstand an all seinen Fronten: Kämpfe sinnvoll verbinden

Der ukrainische Widerstand sieht sich simultan Angriffen von vier verschiedenen Seiten ausgesetzt. Die falsche Lösung wäre es, alle Fronten gleich zu behandeln, da dies der materiellen und politischen Realität keine Rechnung tragen würde. Die Kämpfe müssen priorisiert werden, wobei sich eine grundlegende Hierarchie bereits logisch daraus ergibt, dass ein freies und unversehrtes Überleben die grundlegende Bedingung ist, um Kämpfe fortzuführen. Der Kreml droht glaubwürdig mit der Vernichtung der ukrainischen Nation und Bevölkerung als eigenständiger kultureller Einheit. Seine menschenverachtende Kriegsführung, die gerade vor ziviler Infrastruktur und Leben nicht Halt macht, deutet daraufhin, dass Russland nach einer erfolgreichen Eroberung nicht mehr zu einem System halbunabhängiger kreml-treuen Regierungen zurückkehren würde. Das sind keine Rahmenbedingungen für einen Klassen- und Demokratiekampf. 

Gleichzeitig muss der Kampf für die Klasseninteressen der Lohnabhängigen, wozu auch mehr Demokratie und Involvierung von Arbeiter:innenorganisationen gehört, bereits jetzt beginnen. Dieser Kampf findet an zwei miteinander verstrickten Fronten statt: gegen die Regierung Selenskyjs und gegen die wirtschaftlich fortgeschrittenen kapitalistischen Staaten des Westens. Der Kampf an diesen beiden Fronten ist allerdings an zwei Klauseln gebunden: zum einen übergeht man die ukrainischen Lohnabhängigen, wenn man eine Aussetzung des bewaffneten Widerstands fordert, weil sie das aus den ganz pragmatischen Gründen des schnöden Überlebens nicht kann. Zum anderen gilt es, die Hilfsgelder unter solidarischen Bedingungen zu fordern. Der Versuch, die Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung vom bewaffneten Widerstand gegen die russische Invasion und von der Unterstützung durch den Westen zu entkoppeln, ist ein Widerspruch in sich. Denn beide Imperialismen wirken nicht gleich, egal wie oft man rhetorisch den Parallelismus skandiert, dass man weder den NATO- noch den Kreml-Imperialismus unterstützen möchte.

Die Linke täte daher gut daran, diese Zusammenhänge anzuerkennen und das Vakuum aufzufüllen, das dem ukrainischen Widerstand bisher gefehlt hat: eine dezidiert und spezifisch antikapitalistische Solidarität. Denn drei Fronten, an denen der ukrainische Widerstand seine Freiheit ausficht, sind wirklich genug.

Dieselbe Aufgeschlossenheit gegen die Komplexität der unterjochenden Gemengelage gilt es auch andernorts anzuwenden, indem man von der Subjektivität der jeweiligen ausgebeuteten, angegriffenen und unterdrückten Bevölkerung ausgeht und sich nicht campistisch (lagerdenkend) auf dieselbe Seite wie das Narrativ einer geopolitischen Grossmacht stellt. Sei dies im Konflikt um Bergkarabach, wo man sich nicht ans aserbajdschanische Regime anbiederen sollte, um das russische Despotengas zu kompensieren. Sei es, um sich die Solidarität mit dem iranischen Widerstand gegen das Mullahregime nicht ausreden zu lassen, weil das Regime pro-russisch und anti-amerikanisch eingestellt ist. Ein internationalistischer Antiimperialismus ist nur als Antiimperialismus von Unten denkbar. Eine campistische Strategie, die von der Perspektive einer oppositionellen Fraktion des globalen Kapitals aus denkt, ist hingegen der politische Überbau der Klassenspaltung.


[1] Vgl. Lenin (1917): Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus.VII. Der Imperialismus als besonderes Stadium des Kapitalismus, abrufbar unter: http://www.mlwerke.de/le/le22/le22_269.htm (24.03.2023); Lenin gesammelte Werke Bd. 33, 271. Darin nennt Lenin folgende fünf Merkmale des imperialistischen Stadiums des Kapitalismus:

1) Die Monopolisierung des Kapitals, 2) die Verschmelzung des Bank- und Industriekapitals zum Finanzkapitals, 3) der Kapitalexport wird wichtiger als der Warenexport, 4) die Aufteilung der Welt unter internationalen monopolistischen Kapitalist:innenverbänden, 5) die abgeschlossene territoriale Aufteilung der Erde unter die kapitalistischen Grossmächte

[2] Lenin (1916): Die Ergebnisse der Diskussion über die Selbstbestimmung, abrufbar unter: http://www.mlwerke.de/le/le22/le22_326.htm(24.02.2023); Lenin gesammelte Werke Bd. 22, 368.

[3] Unter den 1000 grössten Firmen gemessen an Umsatz, Gewinn, Vermögen und Marktwert befanden sich 2022 13 russische Firmen: Gazprom (platz 49); Rosneft (81), Sberbank (116), LukOil (167), Novatek (414), Norislk Nickel (450), Surgutneftegas (476), VTB Bank (513), Transneft (684), Tatneft (788), Novolipetsk Steel (823), EN+ Group International (883), Severstal (945), in: Forbes (2022): The Global 2000, abrufbar unter: https://www.forbes.com/lists/global2000/#3330e2755ac0  (24.02.2023).

[4] Max Mutschler, Marius Bales \ BICC (2020): GLOBALERMILITARISIERUNGSINDEX 2020, s. 2, abrufbar unter: https://www.bicc.de/uploads/tx_bicctools/BICC_GMI_2020_DE.pdf (24.02.2023).

[5] In: Ischenko, V. (2022): Behind Russia’s War Is Thirty Years of Post-Soviet Class Conflict, abrufbar unter: https://jacobin.com/2022/10/russia-ukraine-war-explanation-class-conflict (24.02.2023); vgl. Auch Volodomyr, I. (2022): Why Russia’s Political Capitalists Went to War – and How the War Could End Their Rule, abrufbar unter: https://lefteast.org/why-russias-political-capitalists-went-to-war-and-how-the-war-could-end-their-rule/(24.02.2023).

Ischenko stellt nicht nur in Abrede, dass der Krieg Russlands die Dimension eines kulturell oder politisch autonomen Imperialismus habe. In ökonomischer Hinsicht ist Ischenko zudem skeptisch, ob der klassische Imperialismusbegriff für die Charakterisierung des russischen Angriffskrieges greift. Denn diese klassische Definition geht von der Prämisse aus, dass der Drang zur Akkumulation anderer Märkte und die Modernisierung die Expansionspolitik befeuert habe. Für das postsowjetische Russland sei dies allerdings nicht der Fall, da bspw. die Sanktionen durch den Westen die Integration des russisch-oligarchischen Kapitals in das globalisierte Kapital limitieren. Russland verfüge weiter auch nicht über die notwendige Expansionswirtschaft, um die ukrainischen Ressourcen an andere Volkswirtschaften zu verkaufen. Diese Krise der der Schrumpfung und der Entmodernisierung widerspreche aber der klassischen Imperialismusdefinition.

Der Imperialismusbegriff darf mMn nicht auf den Aspekt der Expansion von Kapital in andere Absatzmärkte reduziert werden. Auch Gebietsexpansionen, die nicht auf dem Export von Kapital beruhen, sind imperialistisch. In diesem Sinne scheint es durchaus berechtigt, zu untersuchen, ob der russische Angriffskrieg durch den Ausbau des ökonomischen Wettbewerbsvorteils gegenüber dem transnationalen Kapital (durch Vergrösserung des Basisterritorium für Insiderrente) motiviert ist, ohne dass der russische Angriffskrieg dadurch nicht mehr als imperialistisch gilt.

[6] In: Budraitsikis (2022): Putinismus: Eine neue Form von Faschismus? Abrufbar unter: https://sozialismus.ch/theorie/2022/putin-faschismus-postfaschismus-regime-kreml-autoritar-krieg-ukraine/ (24.02.2023).

[7] In: Engels, F. (1894): Brief an W. Borgius in Breslau, 25. Januar 1894, abrufbar unter: http://www.mlwerke.de/me/me39/me39_205.htm; MEW Bd. 39, 206. (24.02.2023).

[8] Siehe dazu bspw. die gemeinsame Erklärung der Russländischen Sozialistischen Bewegung (RSD) und der ukrainischen sozialistischen Organisation Sozialnyj Ruch vom April 2022, in: Sozialnyj Ruch, RSD (2022): Gegen den russischen Imperialismus, abrufbar unter: https://sozialismus.ch/international/2022/gegen-den-russischen-imperialismus/ (24.02.2023).

[9] Marx fiel auch auf, dass die Wahlbasis in der Bevölkerung, die Bonaparte III. 1848 zum Aufstieg ins Präsidialamt verholfen hatte, das Parzellenbäuer:innentum war, in: MEW Bd. 8, 198f.; Ein weiteres Segment seiner Basis war das Lumpenroletariat, in: MEW Bd. 8, 161;

Marx beobachtete weiter, dass die Bourgeoisietatsächlich mehrheitlich die Auflösung der Assemblée Nationale befürwortete, um der Zerklüftung in Partikularinteressen der einzelnen Segmente der Bourgeoisie entgegenzutreten. Eine kohärente Theorie über die Beschaffenheit von Herrschaftsverhältnissen schilderte Marx aber noch nicht, in: MEW Bd. 8, 182- 185.

Zur Herausbildung einer bonapartistischen Theorie bei Marx und Engels:

Auch Engels beschrieb in zur Wohnungsfrage das preussische Deutschland (Norddeutscher Bund) als bonapartistisch. Allerdings beschrieben Marx und Engels die Ursachen für die Verselbstständigung der Exekutive verschieden. Nach Marx sei die kleinbürgerliche Klasse der Parzellenbäuer:innen in Frankreich 1852 selbst nicht im Stande gewesen, sich selbst politisch zu organisieren, weswegen sie dies vermittels eines Statthalters (im Sinne einer eigenmächtigen Hand) tun musste: Louis Bonaparte III. In: MEW Bd. 8, 198f.

Für Engels – auf die Situation Preussens bezogen – war der Grund für die Verselbstständigung einer bürokratischen Exekutive eine Art Kräftegleichgewicht oder Machtvakuum zwischen den Hauptklassen: weder Proletariat noch Bourgeoisie waren zur politischen Herrschaft fähig. In: MEW Bd. 18, 258f.

In diese Richtung ging auch Engels in einem Brief an Marx 1866, wo Engels anmerkte, die Bourgeoise sei grundsätzlich nicht in der Lage zu herrschen, weswegen sie der verselbstständigten Bürokratie als normaler Herrschaftsform bedürfe. Die Bourgeoisie herrsche dann zwar nicht politisch, aber ihr gesellschaftliches Produktionsverhältnis werde geschützt. In: MEW Bd. 31, p.108.

Im Bürgerkrieg in Frankreich scheint Marx Engels’ Erwägungen, wonach die Bourgeoisie, wenn sie der politischen Durchsetzung ihrer Klasseninteressen nicht (mehr) fähig sei, die politische Macht an ein verselbstständigtes Regime abtrete, übernommen zu haben. In: MEW Bd. 17, 592; 594

[10] Siehe den Vortrag von Ilya Matveev am Anderen Davos 2023 in Zürich, in: Matveev, I. (2023): Workshop: Russischer Imperialismus und Putins Zukunft, abrufbar unter: https://w.soundcloud.com/player/?url=https%3A//api.soundcloud.com/tracks/1433058649&color=%23ff5500&auto_play=false&hide_related=false&show_comments=true&show_user=true&show_reposts=false& (24.02.2023).

Der Vollständigkeit halber muss angemerkt sein, dass Ischenko durchaus nicht davon ausgeht, dass die Regierung Russlands einfach ein Lakai der russischen Oligarch:innenklasse sei. Ischenko stimmt der Unabhängigkeit des Regimes von den direkten Interessen im Grundsatz zu. Allerdings geht er anschliessend nicht darauf ein, wie man sich das genaue Verhältnis zwischen einer bonapartistischen Regierung und der Günstlingswirtschaft vorzustellen hat: Ist es eine Frage der Verwaltungsebene oder nimmt das Regime eine stärkere Position innerhalb der Günstlingsbeziehungen ein, kann diese etwa einseitiger auflösen? In:  Volodomyr, I., Matveev, I. (2022): Russia’s War on Ukraine: Imperial Ideology or Class Interest? Abrufbar unter: https://lefteast.org/russias-war-on-ukraine-imperial-ideology-or-class-interest/ (24.02.2023).

[11] Matveev. I. (2016): Russia, Inc., abrufbar unter: https://www.opendemocracy.net/en/odr/russia-inc/ (24.02.2023).

[12] Ausführlich behandelt Thumann dieses Thema in: Revanche. Wie Putin das bedrohlichste Regime der Welt geschaffen hat. C. H. Beck, München 2023.
Konzise zusammengefasst erklärt Thumann seine Ansichten und Analysen in: “Wladimir Putins Regime der Revanche” – Michael Thumann im Gespräch | Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V., [YouTube] https://www.youtube.com/watch?v=cZbhrLpslIQ, 3:59- 19:01. oder Michael Thumann: Revanche. Putins bedrohliches Regime (05.05.23) | DAI Heidelberg, [YouTube] https://youtu.be/Gh350jkFkIA, 5:43- 31:40.

[13] In: Putin, W. (2021): On the Historical Unity of Russians and Ukrainians, abrufbar unter: https://web.archive.org/web/20220125053520/http://en.kremlin.ru/events/president/news/66181 (24.02.2023).

[14] In: DW (2022): Putin erkennt Separatisten-Gebiete in der Ostukraine an, abrufbar unter: https://www.dw.com/de/putin-erkennt-separatisten-gebiete-in-der-ostukraine-an/a-60863721 (24.02.2023).

[15] In: WAZ (2022): Historische Ansprache: was Putin sagte – und was er meinte, abrufbar unter: https://www.waz.de/politik/ansprache-fernsehen-putin-russland-ukraine-konflikt-id234642295.html (24.02.2023).

[16] In: Office go the High Commissioner for Human Rights (2023): Civilian casualties in Ukraine from 24 February 2022 to 15 February 2023, abrufbar unter: https://www.ohchr.org/sites/default/files/documents/press/hrmmu-civilian-casualties-24feb2022-15feb2023-en.pdf (24.02.2023).

[17] In: The Kyiv Independent (2023): US official: Over 2,000 Ukrainian children abducted by Russia since New Year, abrufbar unter: https://kyivindependent.com/news-feed/us-official-over-2-000-ukrainian-children-abducted-by-russia-since-new-year (24.02.2023).

[18] In: United Nations Human Rights Office of the High Commissioner (2022): UN report details summary executions of civilians by Russian troops in northern Ukraine, abrufbar unter: https://shar.es/afzmEG (24.02.2023).

[19] In: VOX (2022): Putin’s “Nazi” rhetoric reveals his terrifying war aims in Ukraine, abrufbar unter: https://www.vox.com/2022/2/24/22948944/putin-ukraine-nazi-russia-speech-declare-war (24.02.2023).

[20] In: Swissinfo (2023): Carla Del Ponte: “Putin ist ein Kriegsverbrecher”, abrufbar unter: https://www.swissinfo.ch/ger/politik/carla-del-ponte—putin-ist-ein-kriegsverbrecher-/48195820 (24.02.2023).

[21] In: Finkel, E. (2022): What’s happening in Ukraine is genocide. Period. Abrufbar unter: https://www.washingtonpost.com/opinions/2022/04/05/russia-is-committing-genocide-in-ukraine/ (24.02.2023).

[22] Vgl. Ziai, A: (2012): Neokoloniale Weltordnung? Brüche und Kontinuitäten seit der Dekolonisation, abrufbar unter: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/146977/neokoloniale-weltordnung-brueche-und-kontinuitaeten-seit-der-dekolonisation/ (24.02.2023).

[23] In: IMF (2022): Ukraine Datasets, abrufbar unter: https://www.imf.org/external/datamapper/profile/UKR (24.02.2023).

[24] In: The Kyiv Independent (2022): Ukraine loses over $560 billion from Russian invasion. Abrufbar unter: https://kyivindependent.com/uncategorized/ukraine-loses-over-560-billion-from-russian-invasion (24.02.2023).

[25] In: Reuters (2022): Ukraine sees post-war reconstruction costs nearing $750 billion – PM, abrufbar unter: https://www.reuters.com/world/europe/ukraine-sees-post-war-reconstruction-costs-nearing-750-billion-pm-2022-10-24/ (24.02.2023).

[26] In: Swissinfo (2022): Ukraine needs $3-$4 billion in external financing per month next year -IMF chief, abrufbar unter: https://www.swissinfo.ch/eng/reuters/ukraine-needs–3–4-billion-in-external-financing-per-month-next-year–imf-chief/47974566 (24.02.2023).

[27] In: Reuters (2022): Zelenskiy says Ukraine needs $7 billion per month to make up for losses caused by invasionhttps://www.reuters.com/world/zelenskiy-says-ukraine-needs-7-bln-per-month-make-up-losses-caused-by-invasion-2022-04-21/ (24.02.2023).

[28] In: National Bank of Ukraine (2022): External debt as of the end of Q3 2022 (according to the “Balance of Payments and International investment position” manual, 6th edition): % of GDP, abrufbar unter: https://bank.gov.ua/files/ES/ExDebt_q_en.pdf (24.02.2023).

[29] Zur allgemeinen Entwicklung und Bedeutung nach der Auflösung der UdSSR: Dells, K., Gilgen, C., K. (2020): Analyse: Reformprozesse auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt der Ukraine, abrufbar unter: https://www.bpb.de/themen/europa/ukraine-analysen/324736/analyse-reformprozesse-auf-dem-landwirtschaftlichen-bodenmarkt-der-ukraine/  (24.02.2023).

Zum rechtlichen Status: GTAI (2021): Liberalisierung des Bodenmarktes gibt Landwirtschaft neue Impulse, abrufbar unter: https://www.gtai.de/de/trade/ukraine/branchen/liberalisierung-des-bodenmarktes-gibt-landwirtschaft-neue-impulse-640176 (24.02.2023).

[30] In: mdr (2020): Ukraine: Bodenreform im Schatten der Coronakrise, abrufbar unter: https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/politik/ukraine-bodenreform-100.html (24.02.2023).

[31] In: Bundesfinanzministerium (2022): Schuldenmoratorium für die Ukraine, abrufbar unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Europa/Krieg-in-der-Ukraine/schuldenmoratorium-fuer-die-ukraine.html (24.02.2023).

Zur Betragshöhe: DW (2022): Ukraine aktuell: Selenskyj bittet IWF um Darlehen , abrufbar unter: https://www.dw.com/de/ukraine-aktuell-selenskyj-bittet-iwf-um-darlehen/a-62796203 (24.02.2023).

[32] Insgesamt wurden 2,3 Mia. US-Dollar an IWF-Krediten 2022 fällig. Beide, Weltbank und IWF, beteiligen sich nicht am Moratorium, in: Rehbein, Ka. (2022): UNTERSTÜTZUNG FÜR DIE UKRAINE: WELCHE ROLLE SPIELEN SCHULDENERLASSE?, abrufbar unter: https://erlassjahr.de/blog/unterstuetzung-fuer-die-ukraine-welche-rolle-spielen-schuldenerlasse/ (24.02.2023).

[33] In: Minfin.com.ua (2022): Видатки держбюджету України, abrufbar unter: https://index.minfin.com.ua/ua/finance/budget/gov/expense/(24.02.2023).

[34] In: Ukraine Recovery Conference (2022): ECONOMIC RECOVERY, abrufbar unter: https://uploads-ssl.webflow.com/621f88db25fbf24758792dd8/62bd018020b942c2bd74b2fc_ENG_Economic%20Recovery_URC.docx.pdf (24.02.2023).

[35] In: Ukraine, EU (2023): MEMORANDUM OF UNDERSTANDING , abrufbar unter: https://energy.ec.europa.eu/system/files/2023-02/For%20signature_MoU%20EU-UA%20final%20-%20Eng.pdf (24.02.2023).

[36] In: Axpo (2023): Wie wird Wasserstoff hergestellt? Abrufbar unter: https://www.axpo.com/ch/de/ueber-uns/magazin.detail.html/magazin/erneuerbare-energien/Wie-wird-Wasserstoff-hergestellt.html (24.02.203). 

[37] In: Piriani, S. (2022): The EU’s plan for Ukraine hydrogen exports is colonialist greenwash, abrufbar unter: https://www.opendemocracy.net/en/odr/eu-ukraine-hydrogen-export-european-commission/ (24.02.2023).

[38] In: Rowley, T. (20219: UK sponsors deregulation of labour rights in Ukraine, abrufbar unter: https://www.opendemocracy.net/en/odr/uk-sponsors-deregulation-of-labour-rights-in-ukraine/ (24.02.2023). 

Allerdings finde ich den Titel etwas spekulativ, da er von «Sponsoring» der Deregulierung durch das Vereinigte Königreich spricht. De facto beruft sich Rowley nur auf folgendes Zitat aus dem Dokument der Britischen Botschaft: «with legal advice and technical assistance based on international best practice as well as recommendations of respected international organisations, such as the International Labour Organisation.»

[39] In: Верховна Рада України (2022): Проект Закону України про організацію трудових відносин в умовах воєнного стану, abrufbar unter: https://itd.rada.gov.ua/billInfo/Bills/Card/39225 (24.02.2023).

[40] In: Kадровий експерт (2022): ЗАКОН № 2136: роз’яснення від Мінекономіки, abrufbar unter: https://profpressa.com/news/zakon-no-2136-roziasnennia-vid-minekonomiki (24.02.2022).

[41] Zur Gesetzesinitiative: Гузь, C. (2022): Война, либерализация и труд. Как новое законодательство усугубит положение украинскихрабочих, abrufbar unter: https://www.opendemocracy.net/ru/novyy-zakonoproyekt-podryvayet-sistemu-trudovykh-otnosheniy-v-ukraine/(24.02.2023); Слободьян , O. (2022): МОЖЛИВОСТІ ДЛЯ ВІДНОВЛЕННЯ ЗАЙНЯТОСТІ В УКРАЇНІ, abrufbar unter: https://rev.org.ua/mozhlivosti-dlya-vidnovlennya-zajnyatosti-v-ukra%d1%97ni/ (24.02.2023); ДУДІН, B. (2022): ТРУДОВА РЕФОРМА СТАЄ ЩЕ НЕБЕЗПЕЧНІШОЮ https://rev.org.ua/trudova-reforma-staye-shhe-nebezpechnishoyu/ (24.02.2023).

Vgl. zur allgemeinen Beschreibung des Gesetzeslage auch: Kадровий експерт (2022): Законопроєкт № 5371 суттєво зачіпає права найманих працівників та профспілок, abrufbar unter: https://profpressa.com/news/zakonoproiekt-no-5371-suttievo-zachipaie-prava-naimanikh-pratsivnikiv-ta-profspilok (24.03.2023).

Zur Anzahl der betroffenen Anstellungsverhältnisse nach https://www.opendemocracy.net/ru/novyy-zakonoproyekt-podryvayet-sistemu-trudovykh-otnosheniy-v-ukraine/ (24.02.2023). 

Zum Veraschiedungsdatum: Kадровий експерт (2022): Депутати заблокували підписання закону про реформу трудового законодавства, abrufbar unter: https://profpressa.com/news/deputati-zablokuvali-pidpisannia-zakonu-pro-reformu-trudovogo-zakonodavstva (24.02.2023).

[42] In: ДУДІН, B. (2022): ТРУДОВА РЕФОРМА СТАЄ ЩЕ НЕБЕЗПЕЧНІШОЮ, abrufbar unter: https://rev.org.ua/trudova-reforma-staye-shhe-nebezpechnishoyu/ (24.02.2023); vgl. zur allgemeinen Beschreibung des Gesetzeslage auch: Kадровий експерт (2022): Законопроєкт № 5371 суттєво зачіпає права найманих працівників та профспілок, abrufbar unter: https://profpressa.com/news/zakonoproiekt-no-5371-suttievo-zachipaie-prava-naimanikh-pratsivnikiv-ta-profspilok

Anzahl der betroffenen Anstellungsverhältnisse nach https://www.opendemocracy.net/ru/novyy-zakonoproyekt-podryvayet-sistemu-trudovykh-otnosheniy-v-ukraine/ (24.02.2023).

[43] Слободьян , O. (2022): МОЖЛИВОСТІ ДЛЯ ВІДНОВЛЕННЯ ЗАЙНЯТОСТІ В УКРАЇНІ, abrufbar unter: https://rev.org.ua/mozhlivosti-dlya-vidnovlennya-zajnyatosti-v-ukra%d1%97ni/ (24.02.2023).

[44] In: Deutsches Zentrum Ahrens & Schwarz (2022): Kriegsrecht in der Ukraine, abrufbar unter: https://ahrens.kiev.ua/Kriegsrecht-Ukraine-464-de.html (24.02.2023).

[45] Das ukrainische Parlament hat bspw. härtere Bestrafungen für Fahnenflucht verabschiedet. Daraufhin haben sich Ukrainer:innen mit einer Petition an den ukrainischen Präsidenten gewendet, er möge doch ein Veto gegen das verabschiedete Gesetz sprechen. Selenskyj bestand allerdings weiterhin auf die Unterzeichnung, in: Демобілізувати за бажанням мобілізованих військовослужбовців, які відслужили один рік (2022), abrufbar unter: https://petition.president.gov.ua/petition/163044?fbclid=IwAR30V1HozQ_VX4xCs9XKrPy5b_Xv5J3Qj-e9J9CpAJAIECkI0kfOUECRZQE (24.02.2022).

[46] MEW 35, 270.

[47] In: КМІС (2022): ОБСТРІЛИ РОСІЄЮ УКРАЇНСЬКИХ МІСТ: ПРОДОВЖЕННЯ ЗБРОЙНОЇ БОРОТЬБИ ЧИ ПЕРЕХІД ДО ПЕРЕГОВОРІВ, abrufbar unter: https://www.kiis.com.ua/?lang=ukr&cat=reports&id=1151&page=1&fbclid=IwAR0RPVcXmOF5o3itWa88UN3m3mldNot95K8iSQvlwIgglg7Q7honvjSLpR4 (24.02.2023).

[48] In: Tagesspiegel (2022): Auch bei russischem Nuklearschlag: 89 Prozent der Ukrainer wollen unter allen Umständen weiterkämpfen, abrufbar unter: https://www.tagesspiegel.de/internationales/auch-bei-russischem-nuklearschlag-89-prozent-der-ukrainer-wollen-weiterkampfen–bis-zur-ruckeroberung-der-krim-9299993.html (24.02.2023).

[49] MEW 18, 574.

[50] In: bpb (o. J.): Deutschland-Chronik. 16. Regierungen, Parteien und Verfassung im politischen Wandel30. Mai 1968; abrufbar unter: https://www.bpb.de/themen/zeit-kulturgeschichte/deutschland-chronik/131551/30-mai-1968/ (24.02.2023).

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