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USA: Aufstände an den Flughäfen!

Nachdem Donald Trump ein Dekret unterzeichnete, das es Flüchtlingen und vielen Muslim*innen untersagte, in die USA einzureisen, kam es an zahlreichen Flughäfen im ganzen Land zu Protesten. (Red.)

von Elizabeth Schulte und Dorian Bon; aus socialistworker.org

Es dauerte nicht lange, bis Donald Trump mit dem Krieg gegen die Migrant*innen, Geflüchteten und Muslim*innen begann, wie er es während seines Wahlkampfes versprochen hatte. Am 27. Januar unterschrieb er ein Dekret, das unter anderem Personen von sieben mehrheitlich muslimischen Ländern die Einreise während mindestens 90 Tagen untersagt und die Aufnahme von Geflüchteten aus allen Ländern während mindestens vier Monaten aussetzt.

Es dauerte aber auch nicht lange, bis Tausende Menschen eine lautstarke Antwort gaben: „Kein Verbot, kein Krieg, lasst sie herein!” Sie riefen zu eiligen Protesten an zahlreichen Flughäfen von New York City bis San Francisco auf. Noch am selben Tag, an dem Trump das Dekret unterzeichnete, begaben sich Menschenmengen zu den Flughäfen und protestierten bis in die Nacht und den Folgetag mit Slogans wie: „Kein Hass, keine Angst, Geflüchtete sind hier willkommen!“.

Trumps Dekret, mit der Bezeichnung „Schutz der Nation vor der Einreise ausländischer Terroristen“, verbietet es Personen aus dem Iran, Irak, Syrien, Sudan, Jemen, Libyen und Somalia, in die USA einzureisen, ob sie nun ein legales Visa besitzen oder nicht. Trumps Administration sagte, sie habe diese Liste von Obamas Massnahmen im „Krieg gegen den Terror“ übernommen.

Für Sahar Algonaimi, eine syrische Staatsbürgerin, die nach Chicago reisen wollte, um ihre krebskrankte Mutter zu besuchen, bedeutete dies, dass sie während fünf Stunden im O’Hare International Airport festgehalten wurde und dass sie nach Saudi-Arabien zurückkehren musste, ohne ihre Familie gesehen zu haben. Die Sechzigjährige hatte ein Visum und einen unterschriebenen Brief eines Chirurgen an die Migrationsbehörden, in dem erklärt wurde, dass Algoneimi zur Pflege ihrer kranken 76-jährigen Mutter benötigt werde. Doch dies reichte für die US-Zollbeamten nicht aus. Das am Freitag unterzeichnete Dekret verbietet die Einreise von syrischen Flüchtlingen auf unbestimmte Zeit.

Einer der ersten, der festgenommen wurde, war Hameed Khalid Darwees, ein irakischer Dolmetscher, der während mehr als einem Jahrzehnt für die US-Armee gearbeitet hat. Trotzdem kam er nicht durch Trumps Netz. Ein anderes Opfer war Samira Asgari, eine irakische Wissenschaftlerin, die zur Forschung an einem Heilmittel gegen Tuberkulose nach Harvard kommen wollte. Sie sagte in einem Tweet: „Ich war ziemlich aufgeregt, mich dem Labor anschliesssen zu dürfen, doch mir wurde wegen meiner iranischen Staatsbürgerschaft das Besteigen des Flugzeugs verweigert. Fühlt ihr euch nun sicherer?“

All dies geschah nur einige Tage nachdem Trump ein anderes Dekret unterzeichnet hatte, das das Ministerium für innere Sicherheit mit dem Bau einer Mauer entlang der Grenze zu Mexiko beauftragte. Ausserdem sollen alte Programme zur Verfolgung papierloser Migrant*innen, die keine andere Straftat begangen haben als zur ihrer Sicherheit in die USA zu kommen, wiederaufgenommen werden.

Aus Bestürzung wird Widerstand!

Als Besitzer*innen eines Visums in den Flugzeugen von Trumps Dekret hörten, erstarrten viele aus Angst und Verwirrung, bestürzt darüber, was als nächsten geschehen könnte. Als sie in den USA landeten, standen sie Chaos und Verwirrung gegenüber. Doch sie trafen auch auf hunderte Personen, die kamen, um anstatt Hass Solidarität zu zeigen. Im Flughafen JFK von New York City, wo Beamte des Ministeriums für innere Sicherheit 109 Personen festgenommen hatten, blockierten 3’000 Menschen den Raum vor dem Terminal für internationale Flüge.

Rita, eine Palästinenserin und Lehrerin einer öffentlichen Schule in New York, schildert eine beispielhafte Geschichte: Ein Freund einer meiner Verwandten wird bald heiraten. Seine künftige Ehefrau ist aus Syrien und wurde festgehalten. Sie hatte all ihre Papiere und kam für die Heirat, jedoch wurde sie gestoppt. Ich finde das widerlich. Menschen kommen aus Hoffnung in die USA – um ein neues Leben aufzubauen – und es ist eine Schande, dass es den Anschein macht, als ob sich nun alles ändert. Ich liebe es, Menschen zusammen zu sehen. Ich bin Palästinenserin und ich wuchs mit solchen Protesten auf. Ich kenne deren Wichtigkeit und die Veränderung, die sie herbeiführen können. Manchmal sind Proteste der einzige Weg, sich Gehör zu verschaffen.“

Der Bund der Taxiangestellten rief zu einem einstündigen Boykott des JFK Flughafens auf. In einer Stellungnahme erklärten sie, warum sie sich dem Protest anschliessen: „Unsere Gewerkschaft mit 19’000 Mitgliedern lehnt das Einreiseverbot für Muslim*innen klar ab. Als Organisation, deren Mitglieder grösstenteils Muslim*innen sind, als Belegschaft, die nahezu ausschliesslich aus Migrant*innen besteht und als Arbeiterbewegung, die für die Verteidigung der Unterdrückten einsteht, sagen wir nein zu diesem unmenschlichen und verfassungswidrigen Verbot. Wir stehen in Solidarität mit all unseren friedliebenden Mitmenschen gegen diesen unmenschlichen, brutalen und verfassungswidrigen Akt.“

Die Englischlehrerin für Fremdsprachige Jessica Garcia hat ihre Pläne für den Abend abgesagt, weil sie es als wichtiger empfand, an die Proteste am Flughafen JFK zu kommen. „Ich liebe meine Schüler“, sagte Garcia. „Sie haben grosse Panik davor, dass sie aus dem Land geworfen werden und alles, was ich ihnen derzeit erzähle, ist, dass dies nicht geschehen wird.“

Die Proteste am Flughafen JFK wurden von den nationalen Medien übertragen, doch auch in vielen anderen Städten fanden ähnliche Kundgebungen statt. In Chicago fuhren Tausende mit dem Zug an den O’Hare Flughafen und strömten dort in das internationale Terminal, nachdem das „Arab American Action Network“ am Samstag Nachmittag zu einem dringenden Protest aufgerufen hatte. Die Menge füllte das Terminal und blockierte gemeinsam mit anderen das gesamte Gebäude und den darum zirkulierende Verkehr.

Mayra, eine Migrantin von Belize, hielt ein Schild in die Höhe auf dem Respekt und Würde für alle und NO Muslim Ban stand. Sie sagte, sie sei an den Flughafen gekommen, weil sie ihre „muslimischen Brüder und Schwestern, die auch Migrant*innen sind, unterstützen“ wolle, weil sie selbst Migrantin sei. „Wir glauben ganz fest, dass ein*e Migrant*in zu sein eine Kombination aus Kulturen und Menschen ist, und dass dies Amerika grossartig macht.“

Am San Francisco International Airport kamen mehr als 1’000 Menschen zu einer Demonstration zusammen, die von einem lokalen Bündnis organisiert wurde. Anwält*innen der American Civil Liberties Union und der Arab American Legal Services waren anwesend, um diejenigen zu unterstützen, die am Flughafen festgehalten wurden. Die Menge rief: „Lasst die Familien raus! Lasst die Anwälte rein!“ Protestierende hielten Schilder hoch, auf denen zu lesen war: „No Ban! No Wall!“ und „Never Again“ – und machten damit auf die hässliche Tatsache aufmerksam, dass Trump sein Refugees-Einreiseverbot am Holocaust-Gedenktag in Kraft setzte.

Einige 1’000 Menschen versammelten sich auch am Logan International Airport in Boston, wo sie den Platz zwischen dem US-Zoll und dem Grenzschutz ausfüllten. Die Demonstrierenden versammelten sich hier um ein offenes Mikrophon, über welches verschiedene Redner*innen insbesondere auf die Verbindungen der US-Kriege im Ausland, der Islamophobie und der Xenophobie in den USA selbst und verschiedenen anderen Kämpfen, wie dem Kampf der Indigenen gegen die Dakota Access Pipeline aufmerksam machten.

Viele protestieren zum ersten Mal

Ein junges Paar aus Vermont, das am Flughafen ankam, entschied sich spontan, am Protest teilzunehmen. Sie sagten: „Wir sind jetzt alle Aktivist*innen!“ Auch einige Politiker*innen aus der Demokratischen Partei nahmen am Protest teil, so der Bürgermeister von Boston Mary Walsh und die US-Senatorin Elizabeth Warren. Dies, obwohl Warren zuvor noch angekündigt hatte, in den Bereichen, in denen sie Übereinstimmungen hätten, mit der Trump-Administration zusammenzuarbeiten.

Am Los Angeles International Airport kamen ungefähr 500 Menschen zusammen, die durch das internationale Terminal liefen. Dieser Protest wurde auf Facebook von der „Service Employees Union“ initiiert.

Am Dulles Airport in Washington D.C. kam eine Menschenmenge von mehreren hundert Personen zusammen. Viele dieser Menschen hatten noch nie zuvor an einem Protest teilgenommen. Sie sangen bis in die frühen Morgenstunden und schworen zurückzukommen, sollte dies notwendig sein. Ungefähr 300 Menschen protestierten während 3 Stunden am San Diego International Airport. Nach mehreren Stunden des Protests, der sich von Flughafen zu Flughafen verbreitete, gab es erfreuliche Nachrichten – eine Bundesrichterin in New York hatte den Einreisestopp für Visa-Inhaber*innen, die an den Flughäfen in Gewahrsam genommen wurden, aufgehoben.

Die Aufhebung des Einreisstopps war aber auf diejenigen Personen beschränkt, die in jener Nacht angekommen waren und festgehalten wurden. Was mit zukünftigen Migrant*innen passieren wird, ist unklar. Aber der Grund, wieso ein Richter etwas gegen einen präsidentiellen Erlass unternahm, war klar: Tausende Menschen haben sich für Solidarität statt Hass entschieden und haben ihre Ideen auf die Strasse getragen.

Als die Neuigkeiten von der Aufhebung des Einreisestopps aufkamen, brachen die Protestierenden, die immer noch in den Flughäfen waren, in Jubel aus. In Chicago sangen sie: „When we fight, we can win!“ Am Sonntag kam es dann zu weiteren Flughafen-Protesten. In New York kamen zehntausende Menschen in der Innenstadt zusammen, um ein weiteres Mal gegen die von Trump nun aus offizieller Position begangenen Hassverbrechen zu protestieren. Auch in Boston kamen Tausende zusammen.

Dieser Protest war ähnlich wie derjenige vom letzten Wochenende des 23./24. Januar, den Frauenmärschen – viele, die da zusammenkamen, hatten vorher noch nie protestiert, hielten es jetzt aber für dringend notwendig, ihre Opposition gegenüber Trump zu bekunden. Fast alle Schilder, die zu Solidarität mit Refugees und Migrant*innen aufriefen, waren selbst gebastelt.

Und das waren noch nicht alle Proteste dieser Woche. Ein paar Tage früher gab es aufgrund eines von Trump unterschriebenen Dekretes, welches den Bau einer Mauer an der US-mexikanischen Grenze ermöglichen soll, ebenfalls grosse Versammlungen von Menschen. In New York City kamen ungefähr 4’000 Menschen am Abend des 26. Januar zusammen. Dieser Protest wurde vom Rat für amerikanisch-islamische Beziehungen einberufen. Auch hier gab es ein spürbares Gefühl der Dringlichkeit.

Viele der Anwesenden waren noch nie zuvor an einem Protest, aber sie fühlten sich gezwungen, dem Desaster der ersten Tage von Trump im Oval Office etwas entgegenzusetzen. Faisal, ein Student vom Touro Medical College, erklärte während der Versammlung, dass er und seine Freunde bislang nie Zeit hatten, sich zu organisieren. Nun aber hätten sie gemeinsam den Unterricht ausgelassen, weil sie nicht ihren normalen Leben nachgehen könnten, während so viele ihrer Freunde in realer Gefahr seien.

Eine Studentin der Fordham Universität, Maryam Shoubir, erzählte, wie wütend sie wurde, als sie hörte, dass nun unter anderem irakische und jemenitische Migrant*innen viel grössere Schwierigkeiten haben würden, in die USA einzureisen. „Trump hat gesagt, man sollte Flüchtlinge in ihre Länder zurückschicken“, sagte sie. „Welche Länder? Diejenigen, die wir ruiniert und bombardiert haben? Das ist unverschämt!“

Die Arab American Association der New Yorker Regisseurin Linda Sarsour sprach über die inspirierenden Ereignisse des historischen Women’s March in Washington am 21. Januar und sagte zur Menge: „Wir müssen alle sehr vorsichtig sein, weil unser Gegner sich vorbereitet hat. Aber was sie nicht wissen, ist, dass wir uns auch vorbereitet haben. Während sie vereinigt sind in Hass und Gespaltenheit, in Rassismus und Xenophobie, sind wir vereinigt durch unsere Solidarität und Liebe. Ja! Einheit!“

Walter Cooper, ein Aktivist der Gewerkschaft Service Employees International Union, sagte zu der Masse von Menschen: „Wir sind eine Gewerkschaft von Frauen, Migrant*innen, und wir sind eine Gewerkschaft von Muslim*innen. Wir werden unsere kollektive Kraft in den kommenden Tagen und Monaten dazu nutzen, für eine bessere Zukunft für alle unsere Familien zu kämpfen, um Deportationen zu verhindern und Migrant*innen, Muslime und Flüchtlinge zu schützen.“

Neben diesen Redner*innen ist auch eine beträchtliche Gruppe von Politiker*innen der Demokratischen Partei aufgetreten, unter ihnen mehrere Stadtratsmitglieder und das Kongressmitglied Velàzquez. Am selben Abend hielt der Bürgermeister von New York, Bill De Blasio, eine Pressekonferenz ab. Er kündigte rechtliche Schritte an, sollte es zu den angekündigten Kürzungen von Bundesgeldern in New York City kommen. Diese Kürzungen sollen New York bestrafen, weil die Stadt angekündigt hat, eine Zufluchtsstätte für illegalisierte Menschen sein zu wollen. „Wir werden keine gesetzestreue New Yorker*innen deportieren – wir werden keine Familien auseinanderreissen,“ sagte De Blasio.

Es geht nicht nur um Trump

Doch viele Menschen in der Menge haben bereits verstanden, dass Muslime und Migrant*innen jetzt schon Verfolgung und rassistische Gewalt erleiden, auch unter der liberalen Administration von De Blasio, und dass die Organisation an den Arbeitsplätzen und in den Communities absolut notwendig sein wird, um alle New Yorker*innen zu beschützen. Eine immer grösser werdende Anzahl an Menschen realisiert, dass niemand darauf vertrauen sollte, dass die Führung der Demokratischen Partei den Kampf für die Menschen austrägt. Es wird noch viele Aktionen wie diese in Washington, an den Flughäfen und in den Städten im ganzen Land brauchen, um Trump Widerstand entgegenzusetzen und alle Politiker*innen verantwortlich für die Forderungen nach Gerechtigkeit zu machen.

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