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Musterbrief an Vorgesetzte, die sich weigern den Betrieb einzustellen

Der Schweizer Bundesrat hat am 16. März 2020 trotz den riesigen Gefahren des Coronavirus entschieden, weiterhin keine flächendeckenden Einschränkungen der nicht notwendigen wirtschaftlichen Tätigkeiten vorzunehmen. Zwar werden Läden, Restaurants, Bars sowie Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe geschlossen. Für alle anderen Branchen wurde einzig ein Aufruf erlassen, die Unternehmen sollen wo möglich Heimarbeit anbieten. Diese Haltung ist kriminell. Es liegt offensichtlich an uns Lohnabhängigen, Verantwortung für uns selbst und die Gesellschaft zu übernehmen. Bereits existieren vereinzelt Beispiele, wo die Lohnabhängigen die Einstellung von Betrieben durchsetzen konnten. Diese Beispiele sollten Schule machen. Wir haben deshalb einen Musterbrief verfasst, den man so oder in abgänderter Form an seine Vorgesetzten schicken kann.

von BFS Zürich

Sehr geehrte Frau X/Sehr geehrter Herr Y

Wir erleben mit dem Corona-Ausbruch zurzeit eine gesellschaftliche Krise, wie wir sie in Westeuropa seit 1945 nicht mehr gekannt haben. Das Corona-Virus ist nicht irgendeine Grippe, sondern droht zehntausenden Mitmenschen frühzeitig den Tod zu bringen. Die ausserdordentliche Situation verlangt von uns allen, dass wir nicht nur Menschlichkeit und Solidarität zeigen. Sie verlangt auch, dass wir – wo wir es aufgrund von unserer Arbeits- und Lebenssituation können – Verantwortung für die gesamte Gesellschaft übernehmen. Die Ausbreitung des Virus muss unter allen Umständen als oberste Priorität unseres Handelns gelten.

Denn was auf uns zukommen wird, ist gravierend. Der Ausbreitungsverlauf des Virus in der Schweiz gleicht demjenigen von Italien. Wer von den dramatischen Zuständen in den norditalienischen Spitälern gehört hat, möchte um jeden Preis verhindern, dass dies in der Schweiz auch eintritt. Keiner Ärztin und keinem Krankenpfleger möchten wir zumuten, dass sie oder er aufgrund von Kapazitätsproblemen und Materialmangel über Leben und Tod entscheiden muss.

Leider sieht es aufgrund der zögerlichen – ja verantwortlungslosen – Reaktion des Bundesrates so aus, als ob auch in der Schweiz bald komplett chaotische Zustände in den Krankenhäusern herrschen werden. Wir möchten keine Panik verbreiten, doch die Lage ist sehr ernst. Unsere Gesundheitsinfrastruktur ist ungenügend und für so eine Situation schlicht nicht gerüstet. Als Folge der jahrzehntealten Sparpolitik wurden in der Schweiz seit 1998 10’000 Spitalbetten gestrichen, während im gleichen Zeitraum die Bevölkerng um 1,3 Millionen Menschen angewachsen ist.

Die Massnahmen des Bundesrates vom 13. und 16. März 2020 sind unzureichend und kommen mindestens zwei Wochen zu spät. Dass nur bestimmte Teile des gesellschaftlichen Leben eingeschränkt werden sollen, ist nicht nachvollziehbar. Die wirksamste Massnahme ist den Kontakt zu anderen Menschen auf ein Minimum zu beschränken – und das nicht nur in der Freizeit, sondern selbstverständlich auch während der Arbeit. Die sofortige Einstellung aller nicht unmittelbar gesellschaftlich notwendigen Wirtschaftsbereiche ist das Gebot der Stunde!

Die Hoffnung, dass sich alles schon irgendwie regeln wird, ist fahrlässig und verantwortungslos. Denn eines der folgenden Szenarien wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreffen.

  1. Unfreiwillige Einstellung der wirtschaftlichen Tätigkeiten aufgrund von Lieferengpässen, Produktionsschwierigkeiten und -risiken etc.: Dieses Szenario wird sich wohl schon bald in einzelnen Sektoren einstellen, aber nicht flächendeckend sein.
  2. Einstellung der wirtschaftlichen Tätigkeiten durch die Lohnabhängigen, die sich und ihre Angehörige schützen möchten oder Betreuungs- und Pflegearbeiten übernehmen müssen.
  3. Einstellung der wirtschaftlichen Tätigkeiten aufgrund eines von der Regierung verordneten totalen «Lockdowns»: Die Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass der verantwortungslos handelnde Bundesrat doch noch zur Vernunft kommt.

Die Gefahr besteht, dass sich die Szenarien hinauszögern oder sich deren Wirkung erst zu spät einstellt. Je früher wir handeln, desto mehr Schaden können wir verhindern, ja desto mehr Leben können gerettet werden, weil die Infizierungskurve flacher verläuft und die Spitalinfrastruktur deswegen tendenziell weniger schnell an den Anschlag kommt.

Die Schweiz ist seit 1945 von fast allen grösseren gesellschaftlichen Krisen verschont geblieben. Wir alle wurden mit einem Gefühl sozialisiert, grosse Teile der Welt zwar von Katastrophen heimgesucht werden können, die Schweiz aber ein sicherer Ort bleiben würde. Diesmal ist es anders. Und dies einzusehen ist die gesellschaftliche Pflicht von jedem und jeder.

Es ist jetzt Zeit zu handeln – und die Gesundheit von uns, unseren Angehörigen und unseren Mitmenschen an erste Stelle zu setzen.

In diesen Sinne fordern wir, dass unser Betrieb bis auf Weiteres alle Tätigkeiten mit sofortiger Wirkung einstellt. Damit wir die Aufgaben, uns um die Kinder und Pflegebedürftigen zu kümmern, und uns darüber hinaus in unserer Nachbarschaft zu engagieren und zu helfen, erledigen können, sind wir darauf angewiesen, dass uns der Lohn weiter ausbezahlt wird. Die ausserordentliche gesellschaftliche Situation verlangt dies.

Mit beängstigten, aber dennoch freundlichen und hoffnungsvollen Grüssen

Brief als docx

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1 Kommentar

  1. Friedrich Maier

    Die Temporär werden auch hier vergessen.
    Weitestgehend bin ich mit euch einverstanden. Trotzdem vergest ihr die temporär Beschäftigten. Nicht nur Festangestellte sollten durch Kurzarbeit abgesichert sein, sondern auch die schwächsten, die kein soziales Netz besitzen. Bitte berücksichtigt das und kämpft für ums sozial schwächste.

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