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Pink bringt Profit

Der Spielzeugkonzern Mattel darf sich freuen: Mit bisher knapp 1,5 Milliarden Dollar Einspielergebnis dürfte «Barbie» der einträglichste Kinofilm des Jahres 2023 werden. Und das, obwohl die Figuren explizit Patriarchat und Kapitalismus kritisieren. Das ist aber kein Widerspruch, sondern Programm in einem System, das selbst aus der Systemkritik Profit zieht.

von Georg Kleiber (BFS Zürich); aus antikap

Barbie hat gewonnen. Als Anfang Jahr klar wurde, dass die Filme «Barbie» und «Oppenheimer» am selben Tag ins Kino kommen würden (am 20. Juli), kannte das Internet kein Halten mehr: Es zelebrierte den Wettkampf zwischen den gegensätzlichen Werken. Und zwar je nachdem mit den Hashtags #barbenheimer oder #oppenbarbie. In der einen Ecke das quietschbunte Abenteuer einer Puppe aus der Spielzeugabteilung. In der anderen das brütende Charakterdrama um den Erfinder der Atombombe.

Drei Monate später sind die Zahlen eindeutig: «Barbie» hat weltweit fast anderthalb Milliarden Dollar eingespielt, «Oppenheimer» knapp 950 Millionen – auch nicht schlecht, aber deutlich weniger.

In der Deutschschweiz ist das Ergebnis ähnlich: Knapp 340’000 Eintritte für «Oppenheimer», gut 480’000 für «Barbie». (Zum Vergleich: Der letzte Bondfilm hatte in der Deutschschweiz über 650’000 Eintritte.) Es ist davon auszugehen, dass «Barbie» die höchsten Kinoeinnahmen des gesamten Jahres 2023 erzielen wird. Pink bringt Profit.

Diffuser Antikapitalismus im kommerziellen Kino

Eins verbindet die beiden Filme: antikapitalistische Untertöne. Ein erheblicher Teil von «Oppenheimer» dreht sich darum, dass Robert Oppenheimer (Cillian Murphy) Sympathien für den Kommunismus hegte. Doch es kann nicht sein, was nicht sein darf: Der Film betont dann doch, dass Oppenheimer natürlich zu intelligent war, als dass er auf die kommunistische Ideologie hereingefallen wäre.

«Barbie» wiederum übt explizit Kritik am Patriarchat und seiner Verschränkung mit dem Kapitalismus. Die Handlung beginnt in Barbieland, das von einer Vielzahl an Barbies und Kens bewohnt wird – es gibt Präsidentin Barbie, Meerjungfrau-Barbie, Basketball-Ken, Künstler-Ken und so weiter. Eine perfekte Welt, von Frauen regiert. Bis eines Tages die stereotype Barbie (Margot Robbie) in eine existenzielle Krise gerät: Sie erwacht mit Mundgeruch, der Frühstücktoast brennt an, und sie wird von Gedanken an den Tod bedrängt.

Die Barbies vermuten, dass der Grund dafür in der Menschenwelt liegt. Und so reist die stereotype Barbie dorthin, begleitet von Ken (Ryan Gosling). Die beiden erwartet eine Hölle: In der Menschenwelt regieren Männer, Barbie wird von ihnen begafft und begrabscht. Entsetzt sucht sie Hilfe bei Mattel, dem Spielzeugkonzern, der die Barbiepuppen herstellt. Auch dort herrscht ein Bild des Schreckens: In der Geschäftsleitung hocken ausschliesslich Männer. Und die wollen Barbie in ihre bisherige Rolle zurückdrängen, um ihre Gewinne sicherzustellen.

Ken für seinen Teil liebt diese Menschenwelt, in der seinesgleichen an der Macht ist. Als er nach Barbieland zurückkehrt, führt er dort das Patriarchat ein. Barbie muss einen Weg finden, um das Barbie-Matriarchat wiederherzustellen.

Die Kommerzialisierung der Systemkritik

«Barbie» ist ein unterhaltsamer Film, dazu clever und provokativ – um einiges interessanter auch als «Oppenheimer». Regisseurin Greta Gerwig hat mit «Lady Bird» und «Little Women» einfühlsame und intelligente Filme darüber gedreht, was es bedeutet, in einer patriarchalen Welt eine Frau zu sein, und das setzt sie mit «Barbie» fort. Aber letztlich kann und darf sie sich nicht darüber hinwegsetzen, dass der Film in erster Linie eins ist: ein abendfüllender Werbeclip für Barbie-Puppen.

Wenn in «Barbie» darüber gewitzelt wird, dass Mattel in der Firmengeschichte fast immer von männlichen CEOs geleitet wurde, ist das natürlich zutreffend. Aber Tatsache bleibt: Der «Barbie»-Film wurde von Ynon Kreiz in Auftrag gegeben, dem männlichen CEO von Mattel. Keine Chance, dass er nächstens durch eine Frau ersetzt wird. Wenn der Film Mattel kritisiert, so dient das einzig dem Zweck, für Mattel Gewinne einzufahren. Die Figuren vertreten einen antikapitalistischen Feminismus, aber die Einnahmen gehen an die Vertreter des patriarchalen, kapitalistischen Systems.

Das ist kein Widerspruch, im Gegenteil. «Barbie» veranschaulicht die Fähigkeit des herrschenden Systems, aus absolut allem Profit ziehen zu können – selbst aus Systemkritik.

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