Menu Schließen

Fanproteste in deutschen und Schweizer Fussballstadien

Die Fussballwelt in Deutschland und der Schweiz wird von einer Welle der Unzufriedenheit und Proteste erschüttert, die sich erfolgreich gegen einen geplanten Investorendeal und behördliche Repressionen richten. Diese Proteste markieren einen bedeutenden Wendepunkt in der Beziehung zwischen Fans und Fussballinstitutionen und werfen wichtige Fragen zur Zukunft des Sports auf.

von Charles-Mathieu Sérou (BFS Zürich)

Nach den Abstimmungen Mitte Dezember, bei denen die Deutsche Fussball Liga (DFL) zum zweiten Mal über den Einstieg eines Investors abstimmte, wurde mit einer 2/3-Mehrheit angenommen, das Private Equity Unternehmen CVC als Investor an Board zu holen. Die Fans in Deutschland reagierten hierauf mit wachsendem Unmut. Durch die Fanproteste ist der Deal nun gar geplatzt und das Private Equity Unternehmen CVC wird bei der Deutschen Fussball Liga (DFL) doch nicht einsteigen. Fanvertreter:innen werfen dem Ligaverband unbeirrt Ignoranz vor und kritisieren die fehlenden Mitbestimmungsrechte im Vorfeld der besagten Abstimmung.

Im Mittelpunkt dieser aktuellen Proteste gegen die Investorenbeteiligung im deutschen Profifussball steht also der Wunsch der Fans, ihre Stimme zu erheben und Einfluss auf die Zukunft ihres Sports zu nehmen. Eine neue Abstimmung wird von den Fans gefordert. Diese Forderung klingt etwas hoffnungslos, da sie das bestehende demokratische System nicht verändert und die Machtverhältnisse gleichbleiben.

Das Platzen des Deals ist ein erster Teilerfolg. Doch wie werden sich die Fans von hier an verhalten und welche neuen Forderungen werden sie stellen, damit sich solche Situationen nicht wiederholen? Die Erklärung der wichtigsten bundesweiten Fanbündnisse vom 9. Februar 2024 kritisiert die Deutsche Fussball Liga scharf für ihre Haltung, die Fanproteste und die Forderungen nach einer transparenten Neuabstimmung über den Investorendeal zu ignorieren.

Zudem wird die DFL-Abstimmung vom 11. Dezember 2023 von Vorwürfen begleitet, demokratische Verfahrensgrundsätze seien gar nicht erst eingehalten worden. Die Affäre um Martin Kind (Geschäftsführer der ausgegliederten Profiabteilung von Hannover 96) und seine mögliche Unkenntnis der Vorgabe des Stammvereins von Hannover 96, bei der Abstimmung mit »Nein« zu stimmen, verdeutlicht dies. Selbst der vermeintliche Groundhopper und SPD-Politiker Kevin Kühnert forderte in einer Ausgabe der ARD-Talkshow »hart aber fair« eine erneute Abstimmung.

Die Proteste erreichten unterdessen jedes Wochenende einen neuen Höhepunkt, angefangen mit dem Werfen von Tennisbällen auf das Spielfeld, die zu Spielunterbrechungen führten. Doch damit nicht genug: Beim Spiel des SC Freiburg gegen Eintracht Frankfurt flogen plötzlich zwei ferngesteuerte Modellflugzeuge durchs Stadion. In Köln und Rostock fuhren Heimfans mit ferngesteuerten Autos über das Spielfeld, die von den Ordner:innen nur mit Mühe eingefangen werden konnten. Besonders brisant wurde es, als die Fans von Hansa Rostock die beiden Fahrzeuge zusätzlich mit einer Rauchbombe ausstatteten. Beim Hamburger SV wurden in der Halbzeitpause Fahrradschlösser am Tor vor der Kurve angebracht, die zu knackende Zahlenkombination war auf einem gleichzeitig präsentierten Spruchband der Gäste aus Hannover zu lesen: “Investoren und Martin Kind sind unser Problem – die Lösung heisst 50+01! 

Profis müssen heute nicht nur kicken, sondern auch sammeln. Tennisbälle auf dem Feld in der Partie zwischen Union Berlin und dem VfL Bochum.

Die Spieler sind ebenfalls genervt

Neu ist seit diesem Wochenende, dass sich einige Spieler und Trainer negativ zu den Protesten äussern. Niclas Füllkrug von Dortmund betonte die Dringlichkeit einer Lösung und kritisierte die Auswirkungen der Proteste auf die Leistung der Spieler. Sein Mannschaftskollege Emre Can schloss sich dem an und äusserte die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Proteste. Noch deutlicher wurde Fürths Trainer Alexander Zorniger, der betonte, dass die Fans nicht das Herz des Spiels seien und ein konsequentes Vorgehen gegen Spielunterbrüche forderte. Noch ist unklar, welche Rolle die Spieler in Zukunft spielen werden und wie stark der Einfluss der Fans sein wird. Die DFL wird es bestimmt ausnützen die Fans zu spalten. Es wird sich zeigen, wie viel Klassenbewusstsein in den Spielern steckt und wo sich die Spreu vom Weizen trennt.

Auch in der Schweiz wird protestiert

Die jüngsten Ereignisse rund um die Fussballstadien in der Schweiz zeigen eine alarmierende Zunahme repressiver Massnahmen der Behörden gegen Fussballfans. Diese Entwicklungen werfen wichtige Fragen zur Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie zum Umgang mit Fankulturen auf und erfordern eine kritische Auseinandersetzung mit den zugrundeliegenden politischen Dynamiken.

In der Schweiz kam es am vergangenen Wochenende zu drastischen Massnahmen wie der Sperrung ganzer Fankurven in Bern und Zürich. Eine geplante Protestkundgebung in Bern beim Spiel YB gegen GC, die von Fanszenen aus verschiedenen Städten organisiert worden war, wurde von den Behörden untersagt, was die Kritik an der Eskalationsspirale der Repression weiter anheizte. Diese Protestaktion wurde jedoch von den verschiedenen Szenen als Witz verstanden und zeigte gut auf, wie die Polizei zurzeit überreagiert.

Ob als Karrieresprungbrett für Politiker:innen – prominentes Beispiel: Karin Keller Sutter aus St. Gallen, die es bis in den Bundesrat geschafft hat – oder ganz allgemein als Experimentierfeld für Behörden und Polizei, es gibt genügend Leute, die sich profilieren wollen, indem sie sich als Durchsetzer von Law and Order inszenieren und die Repression gegen Fussballfans ausweiten. Eine Herangehensweise in der die Behörden auch Parallelen zu ihrer Umgangsweise mit anderen marginalisierten Gruppen zeigen.

Fussballfans in diesem Land haben es derzeit nicht leicht. Vor allem der letzte Teil sollte ein Warnschuss für alle linken Demostrant:innen sein. Der bürgerliche Staat wird seine Interessen mit aller Macht verteidigen und testet gerade im Fussball aus, wie weit er ohne Probleme gehen kann.

FCZ vs FC Lausanne-Sport 31.01.24

Was haben die Proteste gemeinsam?

In beiden Ländern zeigen die Fanproteste, dass die Fans entschlossen sind, für ihre Rechte einzutreten und sich in Deutschland gegen die Kommerzialisierung und Entfremdung des Fussballs und in der Schweiz gegen Kollektivstrafen zu wehren. Man sollte Vereine, Ligen und Behörden auffordern, auf die Anliegen der Fans einzugehen und einen konstruktiven Dialog zu führen, um das Vertrauen wiederherzustellen und die Zukunft des Fussballs im Sinne aller Beteiligten zu gestalten. Diese Proteste sind ein Zeichen dafür, dass die Fans eine entscheidende Stimme bei der Gestaltung des Sports haben wollen und dass diese Stimme gehört werden muss, um die Integrität und Leidenschaft des Fussballs zu bewahren.

Kollektive Reaktionen können für Behörden auch zum Schuss nach hinten werden. Denn durch diese Proteste entsteht eine neue szenenübergreifende Organisierung. Man kämpft nicht mehr gegeneinander, sondern gemeinsam gegen die aktuellen Entscheidungen. Die organisierte Fanszene lernt jetzt, dass man viel erreichen kann, wenn man sich gemeinsam organisiert. Diese Erkenntnis kann für eine Klassengesellschaft als Ganzes auch sehr gefährlich werden. Dann nämlich, wenn die Masse anfängt, gegen das eine Prozent zu schiessen. Dann merkt man, dass die Strukturen, in denen das eine Prozent seine Macht ausübt, auf Sand gebaut sind.

Verwandte Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert