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Saudi-Arabien: Alles Money Rich

Ein Land, dessen Reichtum auf einem endlichen Rohstoff beruht. Das setzt das Land unter Druck, es versucht, durch Investitionen sportliche Relevanz zu entwickeln. Der Kauf des Fussballclubs Newcastle oder Spieler wie Christiano Ronaldo haben gezeigt, welche finanziellen Muskeln die Saudis haben. Dieses Phänomen wird als “Sportswashing” bezeichnet. Aber warum investieren die Saudis so stark in ein Geschäft wie den Fussball? Jedermensch weiss, dass man damit nur Verluste macht. Warum wollen sie Mohamed Salah für 200 Millionen in die Wüste schicken?

von Charles-Mathieu Sérou (BFS Zürich); aus antikap

Die Geschichte Saudi-Arabiens: Vom Ölboom bis zur Gegenwart

Die Geschichte des heutigen Saudi-Arabien beginnt mit der Gründung des Königreichs durch Abd al-Aziz ibn Saud im Jahr 1932. Er machte sich einen Namen durch die Eroberung zweier bedeutender muslimischer Städte: Mekka und Medina. Zu diesem Zeitpunkt ist Saudi-Arabien weitgehend von Landwirtschaft und Handel abhängig. Dies dauert bis zur unerwarteten Entdeckung der Erdölfelder im Jahr 1938 an, einem entscheidenden Moment, der das Land in den Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit rückte. Mit dem Aufkommen der Erdölindustrie änderte sich das Schicksal des Landes dramatisch.

Die riesigen Ölvorkommen des Landes, die etwa 18 % der weltweiten Ölreserven ausmachen, machten Saudi-Arabien zu einem der führenden Öl-Exporteure der Welt. Die Einnahmen aus dem Ölhandel ermöglichten dem Land einen rapiden wirtschaftlichen Aufstieg und finanzierte gross angelegte Infrastrukturprojekte sowie soziale Programme. Dies führte zu einem starken Anstieg des Lebensstandards und zu einem beispiellosen wirtschaftlichen Wachstum.

Allerdings machte die Instabilität des Ölmarktes und die damit verbundenen Ölpreisschwankungen die Wirtschaft des Landes anfällig für externe Krisen und führte zu einer gewissen Unsicherheit hinsichtlich der langfristigen Sicherheit dieser Einnahmequelle. Darüber hinaus stellte sich die Frage nach der Nachhaltigkeit dieser Wirtschaftsstruktur, angesichts der Endlichkeit der Öl-Vorkommen.

Saudi-Arabien erkannte die Notwendigkeit, seine Wirtschaft zu stabilisieren und die Abhängigkeit vom Öl zu verringern. Dies signalisierte den Beginn eines langfristigen Prozesses zur Entwicklung alternativer Wirtschaftszweige und zur Schaffung einer Infrastruktur, die eine breitere volkswirtschaftliche Basis ermöglicht.

In Saudi-Arabien leben aktuell rund 36 Millionen Menschen, davon sind 11 Millionen Gastarbeiter:innen aus den Nachbarländern. Die Hauptstadt von Saudi Arabien ist Riad und wird von Kronprinz Mohammed bin Salman als Premierminister geführt, seines Zeichens direkter Enkel des Staatsgründers Abd Al-Aziz. Den Nachbarländern gefallen die guten Verhandlungsmöglichkeiten Saudi-Arabiens, die es aufgrund seiner Öl-Vorkommen mit der Welt hat, überhaupt nicht. Es gab immer wieder Anschläge auf die Pipeline aus dem Iran. Auch die Strategie, nach dem Vorbild von Dubai durch den Tourismus und die Öffnung der Kultur Unabhängigkeit vom Öl zu erlangen, führte intern immer wieder zu Konflikten mit

Vision 2030 anstatt Netto Null 2030

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurde die Vision 2030 ins Leben gerufen. Ein umfassender Plan zur Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft. Der Kronprinz selbst sagte einmal über sein Land: «In 20 Jahren werden wir eine Wirtschaft sein, die nicht mehr vom Öl abhängig ist. Jeder in Saudi-Arabien ist vom Öl abhängig. Das ist beunruhigend, denn es hat die Entwicklung vieler anderer Sektoren verhindert. Öl sollte als Investition betrachtet werden. Nicht mehr und nicht weniger.» Seine Vision: Saudi-Arabien soll von einer reinen Ölwirtschaft zu einer modernen und vielfältigen Volkswirtschaft werden. Neben wirtschaftlichen Zielen setzt der Plan auch auf soziale und kulturelle Veränderungen, um die Gesellschaft zu öffnen und den Tourismus zu fördern. Schätzungen zufolge will Saudi-Arabien bis 2030 mehr als 10 % seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus anderen Quellen erwirtschaften.

Geplantes Skiresort NEOM im Trojena

Sport spielt dabei eine Schlüsselrolle Der saudi-arabische Public Investment Fund (PIF) investiert in verschiedene Sportveranstaltungen und Vereine. Seit 2021 finden Formel-1 Rennen in Jeddah statt. Hinzu kommen Events in den Bereichen Tennis, Wrestling, Golf, Pferderennen oder auch Fussball – die Finals des italienischen und spanischen Supercups wurden bereits in Saudi-Arabien ausgetragen. Erklärtes Fernziel ist jedoch die Ausrichtung von Mega-Events wie Fußball-Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen. So gut wie sicher soll die Fussball-Weltmeisterschaft 2034 in Saudi-Arabien stattfinden wird. Das Gesamtvermögen des PIF beträgt 650 Milliarden Euro. Dahingegen wird der Kauf von Newcastle für 300 Millionen geradezu aus der Portokasse finanziert.

Das neueste kuriose Projekt: Die Asiatischen Winterspiele 2029 sollen in der Wüste stattfinden. Saudi-Arabien hatte 2022 in Peking erstmals an Olympischen Winterspielen teilgenommen, der alpine Skirennläufer Fayik Abdi war der einzige Starter und belegte im Riesenslalom den 44. Platz. «Ich hätte nie gedacht, dass ich in meinem Heimatland Ski fahren kann», sagte er nach der Vergabe der Spiele. Das Berggebiet «Trojena», nahe der im Bau befindlichen Planstadt «Neom», erhielt den Zuschlag für die umstrittene Veranstaltung, die eine einzigartige Kombination aus Wintersport und Wüstenlandschaft bieten wird. Trojena liegt etwa 50 Kilometer von der Küste entfernt auf einer Höhe von 1500 bis 2600 Metern über Meer. Obwohl die Temperaturen im Winter zeitweise bis auf den Gefrierpunkt sinken können, ist die Gegend staubtrocken, was eine besondere Herausforderung für die Durchführung von Schneewettbewerben darstellt. Das Ganze wird also auf Kunstschnee ausgetragen werden müssen. Dennoch plant Saudi-Arabien, die gesamte Energieversorgung während der Spiele zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Die nahe gelegene futuristische Megastadt Neom, die derzeit für geschätzte 500 Milliarden Euro am Ufer des Roten Meeres entsteht, wird ein wichtiger Ausgangspunkt für die Veranstaltung sein. Die Stadt soll nicht nur eine atemberaubende Kulisse für die Winterspiele bieten, sondern auch eine Plattform für zukunftsweisende Technologien und nachhaltige Entwicklungen darstellen.

Soft-Power und Sportswashing

«Die massiven Investitionen in Fussball und Sport helfen Saudi-Arabien, Soft Power zu erlangen, sich auf der internationalen Bühne zu profilieren und das Königreich als Platzhirsch in der Region zu positionieren», schreibt der Journalist und Nahost-Experte James M. Dorsey in seinem Blog «The Turbulent World». «Dies geschieht zum Teil durch die Verlagerung des sportlichen Schwerpunkts weg von Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten.»

Der Begriff «Soft Power» wurde von seinem theoretischen Begründer als «nicht-militärisches Mittel der Aussenpolitik» definiert. Joseph Nye, ein renommierter Nahostexperte und ehemaliger stellvertretender US-Verteidigungsminister, prägte den Begriff insbesondere als Reaktion auf die Ereignisse des 11. September. Nye argumentierte, dass die USA nicht nur militärisch und wirtschaftlich, sondern auch durch ihre kulturelle Attraktivität und ideologische Überzeugungskraft eine Führungsrolle in der Welt einnehmen sollen.

Die Soft-Power-Strategie basiert auf der Idee, Einfluss und Ziele nicht durch Zwang oder finanzielle Anreize zu erreichen, sondern durch Attraktivität und die Vermittlung eigener Normen und Werte. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) umfasst Soft Power eine Vielzahl von Instrumenten, darunter Kulturexporte wie Filme und Musik sowie die Förderung eigener Werte.

Es ist wichtig, nicht nur die Soft-Power-Initiativen im Nahen Osten zu betrachten, sondern sich auch jene des Westens bewusst zu machen. Tom Howe beschreibt in einem Essay die Doppelmoral in der Wahrnehmung von “Sportswashing”: Während westliche Kommentatoren die Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar als Paradebeispiel für “Sportswashing” anführen, lassen sich auch im Westen Dutzende von Beispielen finden.

Ein Beispiel ist der Zuspruch für die Olympischen Spiele an das Vereinigte Königreich Dies geschah nur zwei Jahre nach dem Einmarsch in den Irak. Die Spiele fanden nach den berüchtigten Unruhen von 2011 statt. Jeremy Hunt, der damalige Minister für Kultur, Medien und Sport, räumte ein, dass das Vereinigte Königreich die Spiele nutzen würde, um das negative Image zu zerstreuen, das die Unruhen erzeugt hatten.

Hinter “Sportswashing” verbirgt sich also die Strategie, mit internationalen Events und prominenten Sportlern von Menschenrechtsverletzungen abzulenken. Die Berichterstattung der Boulevardpresse über Ronaldos luxuriösen Lebensstil, das unverheiratete Zusammenleben mit seiner Lebensgefährtin Georgina Rodriguez und die Instagram-Fotos von Frau Rodriguez im Bikini tragen dazu bei, dass sich Saudi-Arabien als sozialliberale Gesellschaft präsentiert, die nicht mehr an strenge islamische Normen gebunden ist.

Wie sollen wir Sportfans mit dem Umgehen?

Auch wenn es manche Fans nicht wahrhaben wollen: Fussball ist immer auch Politik. Die Frage, warum die Saudis jetzt so aggressiv in den Fussball investieren, lässt sich nicht rein sportlich beantworten. Die völlig andere Lebensrealität, in der wir Westeuropäer leben, die geopolitische Lage und der jahrzehntelange Einfluss der Grossmächte in diesem Teil der Erde machen es schwer, das ganze Bild zu sehen. Ich habe hier nicht den Anspruch diese Frage zu klären. Schon gar nicht in dieser Kürze. Schon gar nicht als Laie. Doch zu sehen, dass es um mehr geht als nur um den Sport, den ich liebe, ist die Voraussetzung, das wir die Taten Saudi-Arabiens verstehen. Die Strategie der Soft Power ist dort, wo sie eingesetzt wird, die gleiche wie überall sonst und auch bei uns im Westen. Wenn Angela Merkel bei der WM in der Kabine der deutschen Nationalmannschaft steht und Fotos macht, ist das das Gleiche, wie wenn versucht wird, den Fußballstar Salah in die eigene Liga zu locken. Auch die Mittel, die die Saudis einsetzen, sind dieselben, die die Premier League seit Jahren anwendet. Neu ist nur, dass die Saudis mehr Geld in die Hand nehmen als europäische Player und das macht die Premier League nervös. Vielleicht wird der englische Löwe bald von den saudischen gefressen.

Fans von Newcastle United nach der Übernahme durch die Saudis

Die ganze Kampagne gegen die Saudis im Fussball hat einen leicht rassistischen Unterton. Wenn Vereine wie Liverpool, wo der Superstar Salah spielt, die Transferpolitik der Saudis kritisieren, ist das nicht mehr als scheinheilig. Liverpool gehört der Fenway Sports Group mit einem Vermögen von 3,6 Milliarden Franken. Der Haupteigentümer dieser Gruppe ist John W. Henry, der sein Vermögen mit Rohstoffhandel gemacht hat. Im Kapitalismus wird nur so reich, wer unzählige Menschen ausbeutet und Blut an den Fingern kleben hat.

Das Argument, das plötzlich gemacht wird, die Saudis seien keine Fussballnation, ist generell ein sehr rassistisches und will im Kern die aktuelle Machtverteilung verteidigen. Der Fussball wird in jedem Land der Welt geliebt, nur leben sie eine andere Kultur als wir. Der Hype, als Ronaldo ins Land geholt wurde, war riesig, und ja, es wird nicht ins Stadion gegangen, aber sie schauen sich die Top-Ligen des Landes im Fernsehen an und fiebern genauso mit, wenn ihre Lieblingsmannschaft um Titel spielt. Man muss akzeptieren, dass Saudi-Arabien und auch andere reiche Länder jetzt mitspielen. Viel wichtiger ist es, das ganze Konstrukt zu kritisieren. Man könnte fast sagen, freut euch auf die WM 2034 in Saudi Arabien oder Fussballfans aller Länder, vereinigt euch. Denn während das System von West nach Ost zu pendeln scheint, gibt es die Chance auf einen Fussball für alle und überall. Einen Fussball für die, die ihn lieben.

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